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Litotes

Was ist eine Litotes?

Die Litotes (von griech. »litótēs« = Schlichtheit, Zurückhaltung) ist ein rhetorisches Stilmittel. Sie gehört zu den Tropen und ist eng verwandt mit der Ironie.

Was sind Tropen?

Tropen ist der Oberbegriff für eine Reihe von Stilmitteln. Bei einer Trope (auch: Tropus) handelt es sich stets um einen uneigentlichen und bildhaften Ausdruck. Das Gemeinte wird nicht direkt formuliert, sondern durch eine andere sprachliche Wendung ersetzt. Diese stammt entweder aus dem näheren Umfeld oder aus einem anderen Vorstellungsbereich. Sie wird eingesetzt, um das Gesagte anschaulicher und lebendiger zu machen oder um eine Rede auszuschmücken.

Der Begriff leitet sich ab vom grch. Tropos = Wendung. Schon in der griechischen Antike waren Tropen als Kunstmittel der Rhetorik oder Stilistik beliebt. Sie wurden voneinander abgegrenzt und einzeln definiert. Zu den Tropen gehören u. a. Allegorie, Antonomasie, Emphase, Euphemismus, Hyperbel, Ironie, Katachrese (tote Metapher), Litotes, Metalepse, Metapher, Metonymie, Periphrase, Personifikation, Rätsel, Sarkasmus und Synekdoche.

Die Litotes gehört zu den Wortfiguren und ist

  • entweder die Bejahung durch doppelte Verneinung bzw. durch Verneinung des Gegenteils
  • oder die Hervorhebung des Gemeinten durch Untertreibung und Abschwächung.

Doppelte Verneinung und Verneinung des Gegenteils werden oftmals nicht deutlich voneinander getrennt. Man kann zwar die Verneinung des Gegenteils als eine besondere Form der doppelten Verneinung definieren; dennoch lassen sich die Unterschiede benennen und beide Formen klar voneinander abgrenzen.

Bejahung durch doppelte Verneinung

Mit nahezu allen Formen der doppelten Verneinung wird in der deutschen Sprache eine Bejahung zum Ausdruck gebracht. Dies gilt auch für die Litotes. Bei der doppelten Verneinung wird eine verneinende Partikel oder ein verneinendes Pronomen zweimal genannt.

Beispiele für doppelte Verneinung

Beispiel 1:

Eine Mutter wirft ihrer Tochter vor, dass sie ohne ihr Wissen ausgegangen sei. Die Tochter hat ihr aber von der Einladung zu einer Geburtstagsparty erzählt. Sie sagt:

»Es stimmt nicht (1), dass ich das nicht (2) erwähnt habe«.
( = »Ich habe es dir erzählt.«)

Beispiel 2:

Ein polizeilicher Ermittler äußert über einen Tatverdächtigen:

»Ich glaube nicht (1), dass er nichts (2) mit der Sache zu tun hat.«
(= »Ich glaube, er ist der Täter.«)

Beispiel 3:

Eine ältere Frau betont mit Blick auf ihre Zukunft:

»Ich habe keine (1) Angst davor, keine (2) Rente zu bekommen.«
(= »Ich bin sicher, dass ich die Alterssicherung bekommen werde.«)

Bejahung durch Verneinung des Gegenteils

Bei der Verneinung des Gegenteils wird die verneinende Partikel oder das verneinende Pronomen nur einmal genannt. Die zweite Verneinung erfolgt indirekt durch die Nennung des Gegenteils.

Beispiele für Verneinung des Gegenteils

Beispiel 1:

Ein Musikliebhaber sagt über einen weltberühmten Tenor:

»Er ist nicht (1) der schlechteste Sänger (2).«
(= »Er ist ein grandioser Meister seines Faches.«)

Beispiel 2:

Eine Frau klagt über ihre Internet-Bekanntschaft:

»Er ist wirklich kein (1) Gentleman (2).«
(= »Er ist ein unhöflicher Flegel.«)

Ihrer Freundin gefällt der Mann dennoch. Sie antwortet:

»Ich finde ihn trotzdem nicht (1) zu verachten (2).«
(= »Ich finde ihn trotzdem anziehend.«)

Verneinung des Gegenteils als gut verpackte Kritik

Die Verneinung des Gegenteils kann auch eine Möglichkeit sein, Kritik auf eine sanfte Art anzubringen, die vom Adressaten besser verkraftet wird als ein »Frontalangriff«: »Du bist doch auch nicht mehr der Schlankste« klingt netter als: »Du bist dick geworden.« »Sie ist eben keine Heldin« bringt mehr Verständnis für menschliche Schwächen zum Ausdruck als: »Sie ist feige.«

Diese Verwendung der Litotes ist charakteristisch für den ironischen Sprachstil Thomas Manns. Über den alten Konsul Johann Buddenbrook sagt er nicht, dass er sich altmodisch kleide, sondern: »Er war, mit seinen siebenzig Jahren, der Mode seiner Jugend nicht untreu geworden.«

Hervorhebung durch Untertreibung und Abschwächung

Bei einer weiteren Form der Litotes wird die eigentlich gemeinte Aussage durch Abschwächung und Unterbietung unterstrichen. Auf diese Weise lassen sich Anerkennung, Lob und Bewunderung ausdrücken.

Beispiele für Verstärkung durch Untertreibung und Abschwächung

Beispiel 1:

Ein Deutschlehrer sieht, dass ein Schüler in seiner Freizeit Rilke liest und sagt:

»Rilke soll ganz passable Gedichte geschrieben haben, habe ich gehört.«
(= »Rilke ist einer der größten Dichter.«)

Damit bringt er seine Anerkennung und seine Zustimmung zu der klugen Lektüreauswahl des Schülers zum Ausdruck.

Beispiel 2:

Ein Mann besucht zum ersten Mal seinen Bruder in dessen neu erworbener, herrschaftlicher Villa. Er sagt:

»Da hast du dir ja ein nettes Häuschen zugelegt.«
(= »Wow, was für ein fantastisches Haus!«)

Er bekundet damit, dass er von der Größe und Ausstattung des Hauses beeindruckt ist. Diese Art der Untertreibung ist besonders angebracht, wenn man sie auf Talente, Besitz oder Leistungen eines anderen Menschen anwendet. Die Ironie, die in der Untertreibung steckt, wird als angenehmes Kompliment empfunden.

Spricht man dagegen über sich selbst in dieser Form, verbirgt sich hinter scheinbarem Understatement Angeberei. Wer stets von seiner »Hütte« spricht und damit ein Prachtanwesen an der Côte d‘Azur meint, will damit nicht seine Bescheidenheit, sondern seinen luxuriösen Lebensstil betonen.

Verwandtschaft zur Hyperbel

Mit der Litotes verwandt ist das Stilmittel der Hyperbel. Sie ist eine Hervorhebung durch Übertreibung, verwendet also die umgekehrte sprachliche Methode, um dasselbe Ziel zu erreichen.

Seite veröffentlicht am 10.07.2016. Letzte Aktualisierung am 03.09.2020.