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Auerhaus

Kapitel 3

Zusammenfassung

Frieder hat sich nun doch noch das Leben genommen. Seine Beerdigung findet an einem Gründonnerstag statt. Höppner, Vera und Harry sind bei seiner Beisetzung anwesend. Cäcilia lebt schon in Amerika, und Pauline wurde wegen Brandstiftung verurteilt und befindet sich im Gefängnis. Des Weiteren sind viele Menschen aus dem Dorf gekommen, unter anderem auch der Dorfpolizist Bogatzki, dem der Vorfall des Weihnachtsbaumfällens an Heiligabend keine Ruhe lässt. Er spricht die Jugendlichen nochmals darauf an, sie gehen aber nicht weiter darauf ein.

Höppner erinnert sich auf der Beerdigung daran, wie seine Freundschaft mit Frieder nach dem Auszug aus dem »Auerhaus« weiterging. In seinen Gedanken versetzt er sich kurz in die Zeit vor Frieders Tod.

Frieder ist in ein kleines Dorf nach Hessen gezogen und bewohnt dort ein kleines Zimmer, das nur mit dem Nötigsten ausgestattet ist. Er hat sich tatsächlich entschieden, eine Lehre als Fahrradmechaniker zu machen. Der Ich-Erzähler wohnt jetzt in West-Berlin, wo ihn Frieder oft besuchen kommt. Sie verbringen ihre gemeinsame Zeit fast ausschließlich mit Gesprächen. Höppner fällt auf, wie sehr sich sein Freund verändert hat. Er geht nicht mehr unter Menschen, wirkt depressiv und lethargisch. Doch Höppner traut sich nicht, Frieder darauf anzusprechen, er lässt die Situation auf sich beruhen.

Höppner erinnert sich auch daran, wie viele Menschen damals im »Auerhaus« ein- und ausgingen. Die Nachrichten, die sie dabei auf Zetteln hinterließen, findet er nach seinem Umzug in den Kartons, die er lange nicht auspackt. Bei der Durchsicht wird ihm klar, dass diese Zeit im »Auerhaus« endgültig vorbei ist.

Aus seinen Erinnerungen wieder zurück in der Realität angekommen, hilft Höppner Frieders Vater gemeinsam mit Vera und Harry beim Sargtragen, da die Sargträger nicht gekommen sind. Nach der sehr gewöhnlichen Ansprache des Pastors wirft Vera einen Federball, Harry einen Joint und Höppner ein großes T-Shirt auf den Sarg.

Anschließend findet traditionsgemäß ein Leichenschmaus in der Gaststätte »Zum Ochsen« statt. Die Gespräche kreisen um Frieders Tod. Seine Vermieterin fand ihn eines Tages tot im Bett, wobei die Gründe seines Selbstmordes im Unklaren bleiben.

Frieders Vater hat das Tagebuch seines Sohnes gefunden und berichtet beim Essen lautstark, was er darin gelesen hat. Die Zeit im »Auerhaus« sei die glücklichste Zeit seines Sohnes gewesen, und beim Fällen des Weihnachtsbaums hätte er sich ebenfalls frei und unbeschwert gefühlt.

Vera und Höppner begeben sich nach diesem Gespräch auf die Suche nach der Axt, mit der der Baum gefällt wurde. Sie gehen ins »Auerhaus« zurück, um sie zu suchen, können sie aber nicht finden. Vera bemerkt dabei, dass das Zimmer ohne Licht, der sogenannte »Darkroom«, Frieders Kinderzimmer gewesen sein musste.

Zurück in West-Berlin erhält Höppner ein Päckchen aus Amerika. Es enthält eine Kassette mit einer traurigen Geigenmusik, die ihm Cäcilia geschickt hat. Ab und zu führt er in seinen Gedanken noch Gespräche mit seinem toten Freund Frieder.

Analyse

Kapitel 3 besteht aus fünf Abschnitten, in denen der Ich-Erzähler über sein persönliches Versagen im Abitur sowie über das Ende des »Auerhauses« chronologisch berichtet. Die anschließende Schilderung der Beerdigung Frieders erfolgt jedoch in einzelnen Rückblenden, in denen die Lesenden nach und nach erfahren, wie es zu seinem Tod kam.

Für den Ich-Erzähler hat sich das gemeinsame Leben im »Auerhaus« dahingehend verändert, dass er es jetzt als »ambivalent« (S. 207) bezeichnet. Dieses Wort ist für ihn »bloß ein gebildetes oder ironisches Wort für ›beschissen‹« (S.207).

In der mündlichen Gemeinschaftskunde-Prüfung gibt Höppner innerlich auf, die Fragen des Lehrers bezeichnet er als »alberner, unwürdiger Quatsch« (S. 210). Er findet sich mit der Situation ab, dass er das Abitur nicht besteht: »Auf einmal wollte ich nicht mehr. Ich wollte nicht durchfallen. Ich wollte bloß nicht weiter so rumeiern. Das war ein Unterschied. Ich war ganz da. Alles war gut. Das war der Moment meines schulischen Suizids.« (S.210 f.)

Ihre letzte gemeinsame Zeit verbringen Höppner, Vera, Pauline und Frieder in einer Küche im Altersheim, denn sie sind bei der Gerichtsverhandlung zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Cäcilia, die einen Freispruch bekam, und Harry, der zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, sind bei dieser Arbeit nicht mehr dabei.

In diesen letzten Tagen wird ihnen schmerzlich bewusst, dass das Projekt »Auerhaus« kurz vor dem Ende steht: »Wir wussten ja seit langem, dass mit dem Auerhaus bald Schluss sein würde. Aber irgendwie hatten wir Schiss, dass noch schneller Schluss sein würde, wenn wir darüber sprachen.« (S. 214) Deutlich wird, dass sich die Jugendlichen innerlich voneinander entfernt haben und kein tieferer Austausch mehr stattfindet. Die Gemeinschaft ist zerbrochen.

Dass Leben vergänglich ist und ihr Zusammenleben nur eine kurzzeitig schöne Episode darin zu sein schien, ist eine weitere Erkenntnis des Erwachens aus ihrem jugendlichen Dasein: »Wir hatten immer so getan, als ob das Leben im Auerhaus schon unser richtiges Leben wäre, also ewig.« (S.214)

Es scheint, als hätte hier eine Art Wandel in ihrem Bewusstsein stattgefunden, der sie nun auf den Weg ins Erwachsenenleben führt. Das bedeutet auch, dass die Jugendlichen jetzt selbstverantwortlich entscheiden müssen, welche Pläne sie verfolgen. Ihre Wege trennen sich endgültig.

Höppner und Frieder fahren nach dem Auszug, das Auto vollgepackt mit Kisten, noch gemeinsam nach Berlin, was das Ende der Geschichte des »Auerhauses« besiegelt.

Durch die anschließende Schilderung der Beerdigung Frieders durchbricht der Autor die chronologische Abfolge der Geschichte. Rückblickend lässt er den Ich-Erzähler über Frieders Beisetzung berichten, wobei er die Lesenden vorerst im Unklaren darüber lässt, was sich ereignet hat. Höppner realisiert, dass Frieder tatsächlich tot ist: »Es war alles wahr. Es war alles endgültig entschieden.« (S. 220) Über einzelne Gedankengänge, die ihm durch den Kopf gehen, während er den Sarg seines Freundes zum Grab trägt, erfahren die Lesenden langsam die Vorgeschichte. Höppner lässt sie an seinen Erinnerungen teilhaben, die von den letzten Treffen mit seinem Freund geprägt sind.

Hier erlebt er Frieder als lethargischen, deprimierten Menschen und erkennt das Dilemma, in dem der Freund steckt: »Frieder hatte Angst, unter Leute zu gehen. Er war allein. Er war wie gelähmt. Er wollte anders sein. Er konnte nicht anders sein.« (S. 222) Das Einzige, was mit ihm noch möglich ist, ist das Reden: »Wir redeten den Samstag durch, bis wir müde waren. Am Sonntagmorgen redeten wir weiter, [....]. Eigentlich war uns beiden klar: Wir redeten um sein Leben.« (S. 222) Höppner wird bewusst, dass er auch durch Gespräche Frieder nicht mehr erreichen kann, aber er hat Angst, es dem Freund mitzuteilen: »Ich traute mich nicht mehr zu sagen, dass unsere Gespräche sich im Kreis drehten.« (S. 222)
Die Vermieterin findet Frieder schließlich eines Tages tot in seinem Bett auf, und niemand weiß die Gründe, warum er letztendlich doch noch Selbstmord begangen hat. Dies scheint aber die Menschen aus dem Dorf, die an der Beerdigung teilnehmen, nicht zu interessieren. Vielmehr macht sich der Dorfpolizist Bogatzki eher Gedanken darüber, ob es tatsächlich Frieder gewesen ist, der den Baum an Heiligabend gefällt hat. Er betont zudem nochmals: »Der Weihnachtsbaum. Der war den Gemeindearbeitern immer wichtig.« (S. 221)

Zum einen wird damit nochmals deutlich hervorgehoben, dass Frieder einen Angriff auf eine heilige Tradition der Dorfgemeinschaft initiiert hat. Zum anderen greift der Autor mithilfe der Figur des Dorfpolizisten Bogatzki diese Thematik wieder auf, um den Lesenden den Anfang der Geschichte ins Gedächtnis zu rufen, in dem die zentrale Aussage über den Hauptprotagonisten Frieder enthalten ist.

Frieders Vater macht letztendlich lautstark für alle Gäste öffentlich, dass es sein Sohn war, der den Baum gefällt hat. Dies geschieht ausgerechnet im Gasthaus »Zum Ochsen«, einem Ort, den, wie Höppner anmerkt, sein Freund gehasst hat: »Frieder hatte den Ochsen gehasst. Er hatte den Schweinebraten gehasst, die Kartoffeln und die braune Soße, die Landfrauen samt ihrem Land und die Männer samt ihren Gesängen.« (S. 227) An diesem Ort, wie er spießiger nicht sein kann, an dem die Gemeinschaft des Dorfes sich trifft, um hauptsächlich alte Traditionen zu pflegen, kommt Frieders Tat nun endgültig auf den Tisch. Der Vater spricht sie aus und schickt noch ein: »Der Herr wird ihn strafen» (S.232), hinterher.
Auch die Axt, mit der Frieder den Baum gefällt hat, rückt nochmals in den Blickpunkt des Geschehens. Denn Vera und Höppner gehen nach dieser Verkündung ins »Auerhaus«, um sie zu suchen. Sie bleibt aber verschwunden. Stattdessen kommt Vera auf den Gedanken, der dunkle Raum sei wohl das alte Kinderzimmer Frieders gewesen, was den Lesenden eine weitere Erklärung dazu liefert, warum Frieder an Depressionen gelitten haben könnte.

Geschickt führt der Autor die Lesenden mit diesen Eindrücken wieder an den Anfang der Geschichte zurück. Es wird klar, dass dieser schon im Kern alles Wichtige enthielt, was über Frieders Geschichte zu sagen ist. So lässt er seinen Ich-Erzähler dazu anmerken: »Wenn ich später irgendwem vom Auerhaus und von Frieder erzählte, begann ich immer damit, wie Frieder den großen Weihnachtsbaum umgehauen hatte, mitten im Dorf. Ich hätte auch mit der Beerdigung anfangen können. Aber irgendwie fand ich es falsch, von Frieder zuerst das Ende zu erzählen.« (S. 221)

Die Frage, warum sich Frieder beim ersten Mal umbringen wollte und es beim zweiten Mal auch tatsächlich tat, bleibt im Roman letztendlich ungeklärt. Der Autor bietet den Lesenden keine Erklärung, lässt sie aber durch seinen Ich-Erzähler Folgendes dazu wissen: »Warum hatte Frieder sich damals umbringen wollen, beim ersten Mal? Je mehr ich mit ihm darüber geredet hatte, desto blasser war die Frage geworden. Bis sie quasi verschwunden war. Ich fand keine Antwort, aber die Frage war irgendwann weg.« (S. 228)

Dies impliziert, dass zu guter Letzt für Höppner die Gespräche über das Warum immer mehr an Bedeutung verloren haben und gleichzeitig auch die Schuldfrage, die er so lange mit sich herumgetragen hat, sich damit aufgelöst hat.

Veröffentlicht am 10. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 10. Februar 2023.