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Der Richter und sein Henker

Sprache und Stil

Friedrich Dürrenmatt, der aus der Schweiz stammt, hat seinen Roman »Der Richter und sein Henker« überwiegend auf Hochdeutsch verfasst. Nur vereinzelt finden sich spezifische Begriffe im Schweizer Dialekt, wie zum Beispiel »Mano« (S. 36) oder ein paar Strophen von Liedern, die zwei Betrunkene auf Schmieds Beerdigung grölen (S. 59 f.). Auch einige französische Wörter lässt der Autor einfließen, denn die beiden Dorfpolizisten, die im französischen Teil der Schweiz beheimatet sind, haben sichtlich Schwierigkeiten, sich mit ihrem Kollegen Tschanz auf Deutsch zu verständigen (S. 40f.).

Die Sprache ist einfach gehalten und leicht verständlich, obwohl der Autor in vielen Satzkonstruktionen mit Reihungen und Einschüben arbeitet. 

Die Stilmittel der Ironie und Groteske setzt Dürrenmatt in jedem seiner Werke ein, um die undurchsichtige, widersprüchliche Welt, in der der Zufall anstelle der Verantwortung und Planbarkeit regiert, in ihrer Absurdität darzustellen. Damit durchbricht er auch immer wieder das Genre des Kriminalromans. Seine Absicht ist es, nach seinem großen Vorbild Bertolt Brecht, der gleichzeitig auch sein Konkurrent auf den Theaterbühnen war, Geschehnisse zu verfremden, um eine gewisse Distanz zu erzeugen. Die Leserinnen und Leser sollten sich nicht mit den Figuren identifizieren, sondern aus ihrer Komfortzone herausgelockt werden, um mit einem gewissen Abstand selbst zum Nachdenken angeregt zu werden.

In drei dargestellten Szenen wird der Einsatz dieser Technik im Roman besonders deutlich: Gleich zu Beginn beim Fund der Leiche und der Reaktion des Dorfpolizisten darauf, wird eine ernsthafte Situation von Dürrenmatt ins Lächerliche gezogen. Denn anstatt Spuren zu sichern, setzt der Polizist die Leiche kurzerhand auf den Beifahrersitz und fährt mit dieser in die Stadt (S. 7f.). In der zweiten Szene, die als eine Art Slapstick-Szene bezeichnet werden kann, stören zwei Betrunkene in närrischer Aufmachung mit ihrem Gegröle den feierlichen Rahmen der Beerdigung des Polizisten Schmieds (S. 59 f.). In der Essensszene am Schluss wird besonders deutlich, wie nah das Groteske doch auch am Grausamen angesiedelt ist.

Der Autor nutzt hier nun zusätzlich noch das Stilmittel der Übertreibung und überzeichnet das Essverhalten Bärlachs mit übertriebenen Formulierungen wie »gierig die Speisen dieser Welt in sich hineinschlingend« (S. 111 f.). Mit einem »unendlichen Hunger« wirkt Bärlach wie »ein Dämon« (ebd.), und gegen den »teuflichen Esser« (ebd.) und seine Absichten hat Tschanz keine Chance. An der Darstellung der Essensszene, die Dürrenmatt anhand der beschriebenen Stilmittel in eine verhängnisvolle Fressorige verwandelt, wird die Mehrdimensionalität seiner Geschichte besonders deutlich. Indem er hier die Groteske auf die Spitze treibt, führt er seiner Leserschaft die Absurdität dieser Welt vor Augen, in der es unmöglich geworden ist – wie im Sinne eines klassischen Kriminalromans – am Ende wieder Recht und Ordnung herzustellen.

Eine weitere stilistische Auffälligkeit sind die vielen Natur-, Landschafts- und Wetterbeschreibungen, mit denen es Dürrenmatt gelingt, gewisse Stimmungsbilder bei seiner Leserschaft zu erzeugen, die ebenso immer von einer Doppeldeutigkeit geprägt sind. So wird der Morgen, an dem die Leiche, eben noch von Sonne beschienen, gefunden wird, plötzlich »finster wie der letzte Tag« (S. 6). Die Beerdigung findet an einem Tag mit einem »unaufhörlichen Regen« (S. 59) statt, der »immer mehr, immer unendlicher« (ebd.) vom Himmel fällt. Danach breitet sich die Sonne, das Licht, wieder aus, sodass Bärlach zu dem Schluss kommt: »die Erde war schön« (S. 63). An vielen Stellen der Geschichte arbeitet Dürrenmatt mit dieser Lichtmetaphorik, insbesondere in der Szene beim Verhör des Schriftstellers, wobei hier das Licht von Bärlach allerdings als »heimtückisch« (S. 76 f.) empfunden wird, da es als »Gegenlicht« ihn davon abhält, seinem Gegenüber direkt ins Gesicht zu sehen. Im wahrsten Sinne des Wortes scheint Dürrenmatt durch die ganze Geschichte hindurch die Begebenheiten für seine Leserschaft immer »ins richtige Licht« setzen zu wollen, damit ihnen zum Ende deutlich wird, dass die Dinge nie so sind, wie sie auf den ersten Blick in der Realität erscheinen.

Veröffentlicht am 3. März 2024. Zuletzt aktualisiert am 3. März 2024.