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Der Richter und sein Henker

Kapitel 13-15

Zusammenfassung

Im Gespräch mit dem Schriftsteller stellt sich heraus, dass er für die Mordnacht ein Alibi hat. Er verkehrt jedoch des Öfteren mit Gastmann, da er vor allem seine Kochkunst sehr schätzt. Daraufhin entsteht zwischen Bärlach und dem Künstler eine lebhafte Diskussion über Kochrezepte. Tschanz fragt ihn anschließend, ob Gastmann der Mörder gewesen sein könnte.

Obwohl Gastmann nach Aussage des Schriftstellers ein Nihilist und schlechter Mensch gewesen sei, traue er ihm diesen Mord nicht zu. Nach seiner Theorie begehe Gastmann ein Verbrechen nicht, um damit ein Ziel zu erreichen. Es existiere für ihn Gutes und Schlechtes, und für Gastmann sei jedes Mal der Zufall entscheidend, welche Seite er schließlich wähle. Der Künstler bezeichnet dies als die persönliche Freiheit Gastmanns.

Tschanz drängt darauf, zu Gastmann zu fahren, um ihn zu verhören. Bärlach lehnt dies ab und verweist darauf, dass ihr Vorgesetzter Lutz den Fall an den Bundesanwalt übergeben habe. Zudem hält er Gastmann nicht für den Mörder. Tschanz widerspricht ihm, sieht im Fall Gastmann eine Chance für sich, mit ihm endlich einen Täter überführen zu können und damit beruflich weiterzukommen. Er ärgert sich darüber, dass sein Urteil so wenig wertgeschätzt wird und er schon immer den Handlanger seines nun toten Kollegen Schmieds spielen musste.

Bärlach entgegnet ihm, er könne ihm nicht helfen, da er krank sei. Er teilt ihm mit, dass er sich für eine Woche krankschreiben lässt.

Am Abend besucht Bärlach seinen Hausarzt. Dieser rät ihm, sich sofort operieren zu lassen. Auf Nachfrage Bärlachs erzählt ihm sein Arzt, dass bei ihm einmal eingebrochen worden sei. Nun wird dem Kommissar klar, woher Gastmann wusste, dass er nur noch ein Jahr zu leben habe. Offensichtlich hat er sich mit diesem Einbruch Einsicht in die Krankenakte Bärlachs verschaffen können. Bei seinem Arztbesuch beobachtet er durchs Fenster, wie Tschanz mit Schmieds Freundin in ein italienisches Restaurant geht.

Analyse

Das Verhör des Schriftstellers trägt wenig zum Fortgang der Geschichte bei und bringt auch keine neuen Informationen, die zur Aufklärung des Mordfalles dienlich wären. Vielmehr dient es Dürrenmatt dazu, über die Figur des Schriftstellers den Leserinnen und Lesern seine eigene Position in Bezug auf die aufgeworfenen moralisch-ethischen Fragestellungen über das Gute und Böse im Menschen nahezubringen.

Der Schriftsteller fühlt sich von der Lebensphilosophie Gastmanns angezogen, da er »ein Nihilist ist« (S. 82) und er sich der »Freiheit des Nichts« (S. 83) verschrieben hat. Dies bedeutet, dass Gastmann sich weder an eine Rechtsordnung noch an moralische Prinzipien gebunden fühlt. In seinem Handeln sind »bei ihm immer zwei Dinge möglich, das Schlechte und das Gute, und der Zufall entscheidet« (ebd.). So »als wäre es Mathematik« (ebd.), lässt Dürrenmatt den Schriftsteller nun »sein Gegenteil im Bösen konstruieren, wie man eine geometrische Figur als Spiegelbild einer anderen konstruiert« (ebd.). So wie Gastmanns Handeln vom Zufall bestimmt ist, wird sein Pendant als Verbrecher definiert, der aus Prinzip böse handelt, »weil das Böse seine Moral, seine Philosophie darstellt« (S. 82).

Anhand des mathematischen Konstrukts hat sich der Schriftsteller ein Bild von Gastmann gemacht und bewegt sich damit auf der Ebene der Fiktion, die für den künstlerischen Akt des Schreibens zwar hilfreich sein mag und auch eine Art Spurensuche darstellt. Für Bärlachs Ermittlungsarbeiten ist sie jedoch wenig hilfreich, denn »er habe es mit einem wirklichen Gastmann zu tun« (S. 83). So muss er wissen, ob dieses Bild tatsächlich der Realität entspricht, was der Schriftsteller ihm jedoch nicht beantworten kann.

Dass Gastmann für den Schriftsteller »ein interessanter Mensch« (S. 78) ist, hat noch einen weiteren Grund, denn »er kann herrlich kochen« (ebd.). Auch Bärlach teilt diese Leidenschaft für das Kochen, wie sich im Gespräch noch herausstellt, sodass hier wieder eine Grenze zwischen den beiden Kontrahenten aufgehoben wird. Sowohl Bärlach als auch Gastmann sind neben ihrer Vorliebe für das Spiel auch Genussmenschen, die sich im Bereich des Kulinarischen bestens auskennen. In diesem Sinne liegt in dem Gespräch über Kochkünste und -rezepte schon ein Verweis auf die Schlussszene der Henkersmahlzeit.

Durch das veränderte Verhalten von Tschanz – er wird immer ungeduldiger und aggressiver – lässt sich schon erahnen, dass er etwas mit dem Mord an seinem Kollegen zu tun haben könnte. Das Gefühl, ewig zu kurz zu kommen, löst in ihm Aggressionen aus, die ihn gegenüber Bärlach sogar handgreiflich werden lassen: »Nun verlor der andere die Geduld. Er packte den Alten bei den Schultern. […] Immer hat man mich übergangen, mißachtet, als letzten Dreck benutzt, als besseren Briefträger!« (S. 86)

Auch sein verzweifeltes Drängen, endlich Gastmann ins Visier zu nehmen, weist darauf hin, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handeln muss: »Wir müssen Gastmann aufsuchen, es gibt keinen anderen Weg, weiterzukommen, das ist doch logisch.« (S. 84) Dies stößt bei seinem Vorgesetzten auf taube Ohren, denn dieser meint: »Gastmann ist nicht der Mörder.« (S. 84)

Durch die Verschlimmerung von Bärlachs Krankheit erfährt die Handlung nochmals eine Zuspitzung. Da ihm sein Arzt prophezeit, er müsse in drei Tagen unbedingt operiert werden, gerät er in Zeitnot und ist gezwungen, schnell eine Lösung des Falles herbeizuführen.

Veröffentlicht am 3. März 2024. Zuletzt aktualisiert am 3. März 2024.