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Ruhm

Rezeption und Kritik

»Ruhm« wurde nicht nur gefeiert. Rainald Goetz, ein um ein vielfaches innovativerer – gleichzeitig aber auch sehr viel weniger erfolgreicher – deutschsprachiger Autor, schrieb in einem Blog, Kehlmanns Bücher seien »gehobene Angestelltenkultur«: »Daniel Kehlmann besteht zu 99 Prozent aus Bildung, Klugheit und Literatur. Daraus kann man flüssig und lässig gut lesbare Bücher machen, viele werden es noch werden.« Nur: »Für die Welt der Erkenntnis, der Kunst, für das wirkliche Leben also ist diese Art von Literatur komplett belanglos.« (Goetz 2007, S. 256).

Der Kritiker und Literaturwissenschaftler Lothar Müller sagt über den Roman: »Er ist auf bemerkenswerte Weise misslungen« (Müller 2010). Der große formulierte Anspruch werde nicht eingelöst: 

    [Das Buch] offenbart, erstens, eine Schwäche des Autors, seine Grenze: Er kann keine Figuren erfinden, die ihrem Autor ernsthaften Widerstand entgegensetzen, die ihm gegenüber Geheimnisse bewahren, die er nicht auflösen könnte. Und es gründet, zweitens, seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationstechnologien, allzu einfach macht. (Müller 2010).

Das Urteil fällt so klar wie hart aus: 

    Nein, dies ist kein bedeutendes Buch, kein großer Wurf, bei dem aus neun Geschichten das Ganze eines Romans entsteht. Denn es gelingt ihm nicht, ein Äquivalent für die Ortsbindung und atmosphärische Dichte zu finden, die die disparaten Erzählungen und Figuren zusammenschließt. Es bleibt bei der logischen Verknüpfung der Geschichten: was der Figur in einer Geschichte widerfährt, erhält in einer späteren seinen Ort in der Kausalkette der Ereignisse oder umgekehrt.
    Der Verstand des Lesers mag seinen Spaß dabei haben, die Rätsel aufzulösen, die ihm dieses Buch aufgibt. Verlässlich arbeitet darin die leichte Hand eines Erzählers, der nie um einen Einfall und eine überraschende Wendung verlegen ist. Die Dämonen aber, die Abgründe und Alpträume, die es zu enthalten behauptet, enthält dieses Buch nicht. Ihm misslingt, was derzeit im deutschen Kino Christian Petzold gelingt, von ›Wolfsburg‹ über ›Yella‹ bis ›Jerichow‹: Gespenstergeschichten zu erzählen, die auf dem technologischen Niveau der Gegenwart angesiedelt und Figuren des deutschen Alltags in Schrecksekunden bannen. (Müller 2010)

Allerdings geben wenigstens die Verkaufszahlen Daniel Kehlmann Recht. Das Buch hat sich bis 2011 bereits über 700.000 mal verkauft (Brendel 2011). 2012 kam die Verfilmung in die Kinos. Regie führte Isabell Kleefeld – der Film allerdings wurde kein großer Erfolg. Er blieb der erste und bislang einzige Kinofilm der Düsseldorfer Regisseurin und das obwohl namhafte Schauspieler wie Senta Berger und Heino Ferch mitspielten.

Der österreichische Schriftsteller Clemens Setz sagte über Kehlmann, dieser sei ein großartiger Autor, von dem ihm fast alles gefalle – nur in »Ruhm« habe er »nicht so hereingefunden« (Weiser 2019). Was bemerkenswert ist, da »Ruhm« der Text von Kehlmann ist, der den Texten Clemens Setz’ am ehesten entspricht.

Veröffentlicht am 19. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 19. September 2023.