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Ruhm

Osten

Zusammenfassung

Weil Leo Richter nicht an der Reise teilnehmen wollte und sie vorschlug, ist nun Maria Rubinstein statt seiner in Zentralasien unterwegs. Dort angekommen, zeigen sich schon im Taxi erste Kommunikationsprobleme. Der Taxifahrer und sie reden aneinander vorbei. Im Hotel angekommen, wird es nicht einfacher, auch hier spricht niemand verständliches Englisch.

Im Hotel sind die anderen Teilnehmer der Delegation versammelt. Als Vertreterin des Landes ist eine uniformierte Frau anwesend, die moniert, dass Maria nicht auf der Liste stehe. Schließlich gibt die Frau aber nach. Die anderen Teilnehmer sind ebenfalls nicht ganz die Menschen, für die sie seitens der Veranstalter gehalten werden. Durch die mangelhafte Kommunikation fällt das aber niemandem auf. Schließlich gibt es Essen: Schweinefleisch mit Mayonnaise, anscheinend das Nationalgericht.

Maria hat ihr Handy mit, allerdings vergaß sie ihr Ladekabel. Der Empfang lässt ebenfalls zu Wünschen übrig, dennoch kommuniziert sie mit ihrem Mann, der daheim in Europa geblieben ist.

Der Delegation geht es zunehmend schlechter: Klima und anscheinend verdorbene Mayonnaise lassen Erschöpfung aufkommen. Am letzten Abend erweist es sich, dass das Hotel plötzlich überfüllt ist. Maria bekommt deswegen ein Zimmer in einem anderen – offensichtlich eigentlich geschlossenen – Hotel zugewiesen. Ihr wird gesagt, dass der Flughafen-Shuttle sie am nächsten Morgen einsammeln würde. Dies aber geschieht nicht. Sie wird vergessen. Ihr Handy hat sie inzwischen ausgeschaltet, um im Notfall noch ein wenig Akkulaufzeit zu haben.

Das Hotel steht vollkommen leer; um an etwas zu essen zu kommen, muss sie das Gebäude verlassen. Sie bekommt zwar überteuertes Schweinefleisch zu essen, kommt allerdings dem Ziel nicht näher, zurückzufliegen. Als sie einen Polizisten anspricht, nimmt dieser sie wegen ihres abgelaufenen Visums fest. Die Beamten scheinen aber schließlich Mitleid mit ihr zu haben und lassen sie gehen – allerdings bekommt sie ihr Portemonnaie nicht wieder. Ein Anruf bei ihrem Mann schlägt fehl; der Akku ist nun leer.

Maria gerät in eine zunehmend schlechte Verfassung. Hitze und Dehydrierung verschlimmern die Situation noch. Schließlich fragt sie eine Frau auf einem Markt nach Wasser. Sie bekommt Wasser, soll dafür aber arbeiten. Das tut Maria. Schließlich kann sie bei der Frau auch schlafen. Vor dem Einschlafen plant Maria dann, wenn sie die Sprache gelernt hat, einen ernsthaften Versuch zu unternehmen, nach Europa zurückzukommen.

Analyse

Schon der Titel dieser Erzählung macht klar, dass es sich hierbei um eine Satire handelt. Dargestellt werden soll ein Land des Ostens, das keiner näheren Beschäftigung wert zu sein scheint – so jedenfalls lässt es Leo Richter durchblicken, wenn er sagt: »Turkmenistan, glaube ich. Oder Usbekistan. Wer kann sich das schon merken!« (40). Das Land wird dementsprechend stereotyp geschildert. Gleichzeitig ist sich die Geschichte dessen vollauf bewusst, schließlich wird bereits zu Anfang gezeigt, dass Maria ebenfalls stereotype Vorstellungen von dem Land hat. Sie habe sich eine endlose Steppe vorgestellt, eine nomadische Lebensform und Yaks. Die Realität besteht aus Schweinefleisch mit Mayonnaise, Baustellen, dem kyrillischen Alphabet und einer korrupten Polizei.

Auch dass die Veranstalterin erstens uniformiert ist und zweitens gerade zwanghaft darauf hinweist, dass das Land hervorragende Hotels hätte, klingt nach einem Klischee. Dieses geht davon aus, dass die östlichen Länder gegenüber den westlichen Besuchern von einem tiefgreifenden Minderwertigkeitskomplex ergriffen wären und deswegen bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen müssten, dass ihre Länder auch etwas zu bieten hätten.

Auch das Non-Sense-Englisch des Chauffeurs zeigt die aus westlicher Sicht mangelhafte Bildung des Chauffeurs. Anstatt, dass er gar kein Englisch spräche, wie es seinem Kenntnisstand entspräche, versucht er sich an einem Englisch ohne Inhalt. Ob dies im Einzelnen auf mangelnden Bildungsstand oder überbordenden Stolz schließen lassen soll, lässt sich nicht klar entscheiden.

Schließlich findet sich im Kapitel auch ein Hinweis auf eine grobe Unstimmigkeit, die vielleicht als eine Art Hinweis auf einen Fehler in der Matrix, der offenbart, dass das ganze System krankt, gelesen werden könnte. Maria wird von dem Fahrer am Flughafen mit einem Schild abgeholt, auf dem ihr Name vermerkt ist (98).

Die Veranstalterin im Hotel aber geht immer noch davon aus, dass Leo Richter und nicht Maria ankäme. Woher weiß ausgerechnet der Fahrer den korrekten Namen, die über ihm stehenden Veranstalter aber nicht? Hier stimmt etwas nicht, ohne dass genau bezeichnet werden könnte, was. Vielleicht handelt es sich auch schlichtweg um einen Logikfehler, der Kehlmann unterlaufen ist.

Veröffentlicht am 18. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. September 2023.