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Ruhm

In Gefahr

Zusammenfassung

Dies ist die zweite Erzählung, die »In Gefahr« heißt. Der in-medias-res-Einsatz beginnt mit direkter Rede eines der Protagonisten. Es wird sich herausstellen, dass es sich um Leo Richter handelt. Bei ihm ist Elisabeth. Die beiden sind auf einem Flugplatz gelandet, der sich fernab größerer Agglomerationen zu befinden scheint. Es sind auch Bewaffnete in der Nähe, die mit größter Vorsicht zu behandeln seien.

Elisabeth fällt auf, wie resolut Leo sich benimmt. Er wirkt gar nicht so neurotisch wie noch auf der Vortragsreise. Auch scheint er sich mit den Geräuschen von Kriegsgerät auszukennen, so erkennt er die Artillerie an den Schussgeräuschen. Das verwundert Elisabeth – dann aber tritt ein Soldat auf, der sich als Mitglied der UN-Truppe UNPROFOR vorstellt. Außerdem tritt eine besonders gut aussehende Frau auf, die Elisabeth als die wichtigste Figur erkennt, ohne dass sie sagen könnte, wie sie diesen Eindruck gewonnen hat.

Leo ist mittlerweile so gefasst, dass er genaue Einschätzungen der Kampfhandlungen abgeben kann, und das, obwohl er weder ein Militär ist, noch Zugriff auf militärische Aufklärung hat. Doch Elisabeth ignoriert den Eindruck einstweilen, ignoriert auch den Blick zwischen Leo und der hübschen Frau, der den Anschein einer tiefen Vertrautheit erweckt und stürzt sich in die Arbeit.
Dann aber wird sie doch stutzig. UNPROFOR sei die Einheit in Jugoslawien gewesen, hier befänden sie sich in Afrika, was hätte diese Einheit hier verloren? Ihr Verdacht ist geweckt. Elisabeth geht zu der hübschen Frau, stellt sich ihr vor und erfährt ihren Namen: Lara Gaspard. Die fiktive Ärztin, die Leo sich ausgedacht hat. Elisabeth befindet sich in einer Geschichte von Leo, wurde von ihm zur Figur gemacht.

Sie konfrontiert ihn, woraufhin er sich mehr und mehr tatsächlich zurückzieht und aus der Geschichte verschwindet. Elisabeth aber bleibt gefangen. Am Ende läutet ihr Telefon. Doch es kümmert sie nicht mehr.

Analyse

Diese Erzählung erscheint zunächst als Spiegelung der ersten Erzählung gleichen Namens. Statt dass Elisabeth Leo auf die Arbeit begleitet, fährt nun Leo mit Elisabeth auf ihre Arbeit. In dieser Erzählung geht es in ein afrikanisches Land, in dem es mit der politischen Sicherheit nicht zum Besten bestellt ist.

Recht bald aber stellt sich heraus, dass es nicht die Spiegelung der ersten Erzählung gleichen Namens ist, sondern vielmehr deren Umformung. Diese hier hat Leo Richter selbst verfasst. Womit er im Übrigen sein Versprechen gebrochen hat und Elisabeth durchaus zu einer Figur seiner Literatur hat werden lassen.

Auffällt, in welch scheinbar gutem Licht Leo Richter sich selbst darstellt. Wobei sich hier jedoch die Frage stellen müsste, wer eigentlich, wenn Leo Richter selbst in der Diegese erscheint, Leo Richter schreibt. Es müsste einen Leo Richter in der Diegese und einen Metadiegetischen geben. Das lässt darauf schließen, dass auch hier das Spiel eher auf einer konventionellen Ebene verbleibt. Die Erzählebene wird nicht gebrochen, sondern lediglich verschoben. Es handelt sich um einen heterodiegetischen, nullfokalisierten Erzähler. Leo Richter ist wiederum nur eine der Figuren, selbst wenn diese den Anschein eines Demiurgen erweckt.

Dennoch hat das Kapitel, respektive die Erzählung, hochgradig metafiktionalen Charakter. Es ist Literatur über Literatur. Nicht nur weil Leo Richter als Autor-Gott auftritt, sondern auch, weil es den obligatorisch-kolonialen Hemingway-Verweis gibt.

Dieser Hemingway-Verweis funktioniert aber in zwei Richtungen. Einerseits dient der Verweis der Evokation eines bestimmten Afrika-Bildes zwischen Großwildjagd und Flugzeugabsturz, andererseits trifft das Bild des machohaften Amerikaners Ernest Hemingway auch auf die Art und Weise zu, in der Leo Richter porträtiert wird. Leo Richter erscheint also hier als eine Art Klischee-Hemingway in dessen Klischee-Afrika. Damit wird der Autor Leo Richter wieder mal als Autor gezeigt, der eben nicht Meister besonders vertrackter Kurzgeschichten ist, sondern vielmehr stereotype Epigonen-Literatur produziert.

Veröffentlicht am 19. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 19. September 2023.