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Der zerbrochne Krug

Aufbau des Werkes

Das Lustspiel »Der zerbrochne Krug« weist Unterteilungen nur in Auftritte, nicht in Akte auf.

Die Unterteilung in Auftritte spiegelt wichtige Veränderungen des auf der Bühne vorhandenen Personals wider. Es sind keine Bemühungen erkennbar, die Auftritte darüber hinaus in ein wohl proportioniertes Verhältnis zu bringen. Die Spannweite ihres möglichen Umfangs ist also sehr groß. Der siebte Auftritt kommt nah an die 600 Verse, der achte Auftritt umfasst lediglich zwei.

Insgesamt umfasst das Stück in der Fassung des Erstdrucks 1974 Verse. Die mitabgedruckte längere Fassung des zwölften Auftritts würde dem noch einmal gut 400 Verse hinzufügen.

Der Verzicht auf eine Unterteilung in Akte ergibt sich unmittelbar aus dem Verzicht auf Schauplatzwechsel und Zeitsprünge. Auf der Bühne ist nichts als die Gerichtsstube des Dorfrichters Adam dargestellt und die Dauer der Aufführung deckt sich exakt mit der Dauer des dargestellten Geschehens. Es gibt keinen Moment, in dem der Abgang des vollständigen Personals einen Aktwechsel oder eine Pause plausibilisieren würde. Soll die Aufführung dennoch unterbrochen werden, um dem gastronomischen Betrieb der Aufführungsstätte und dem Hunger und Durst des Publikums genügezutun, müsste die Bühne hinter dem zufallenden Vorhang gleichsam eingefroren werden.

Es ist vor allem die analytische Form des Stückes, die den Verzicht auf Zeitsprünge ermöglicht: Da Ereignisse, die bereits zurückliegen, im Mittelpunkt des Interesses stehen, erhalten Berichte und Erzählungen einen besonderen Stellenwert. In ihnen wird freilich Zeit übersprungen, werden Schauplätze jenseits der Gerichtsstube evoziert.

Dass eine Gerichtsverhandlung dargestellt wird, garantiert dem Stück eine allseits wohlbekannte, die Erwartungen prägende Struktur. Die Verhandlung beginnt mit Vers 574 (»Klägere trete vor.«) und endet mit Vers 1884 (»Geschlossen ist die Session.«). Das sind, für die innere Proportionalität des Stückes, die wichtigsten Daten: Es gibt eine Vorbereitungsphase von 573 Versen, dann die Verhandlung über 1311 Verse und (in der Fassung des Erstdrucks) eine Art Nachspiel über 90 Verse.

Der erste Teil des Stücks lässt sich leicht nach dem vorhandenen Personal gliedern, also entlang der Unterteilung in Auftritte. Es gibt eher ruhige, von Zwiegesprächen dominierte Auftritte (Adam und Licht in Auftritt 1 und 3, Adam und Walter in Auftritt 4) und eher tumultuarische, chaotische Auftritte, wenn der Bediente Walters und wenn die Mägde Adams hinzukommen (Auftritte 2 und 5). Der sechste Auftritt ist (mit dem zwölften) der einzige, in dem Adam fehlt. Obgleich Walter und Licht sich noch im Hintergrund befinden – das redende Personal wechselt hier vom fünften zum sechsten Auftritt das einzige Mal vollständig. Den vorbereitenden Reden der die Gerichtsführung leitenden Personen werden so die vorbereitenden Reden der Streitparteien gegenübergestellt.

Die Verhandlung selbst kann anhand der Auftritte nicht mehr sinnvoll gegliedert werden. Entscheidend ist vielmehr die Abfolge der je zum Reden aufgerufenen Personen. Nach einem gescheiterten Versuch Adams, das Verfahren im Schnelldurchlauf durchzubringen (bis V. 639), beginnt die Klägerin Frau Marthe Rull (bis V. 870), darauf folgt der Beklagte Ruprecht (V. 1045). Marthe reagiert auf seine Aussage, indem sie ihre Tochter als Zeugin aufruft (bis V. 1279), und sie reagiert auf Eves Aussage, indem sie Frau Brigitte als Zeugin aufruft (der Zeugenaufruf und die dabei geführten Reden bis V. 1410). Da Brigitte erst geholt werden muss, kommt es zu einer kurzen Verhandlungspause (bis V. 1606), die Walter zu einer informellen Vernehmung Adams nutzt. Die Aussagen Brigittes und Lichts führen unmittelbar zur Überführung Adams und zur von Walter vorangetriebenen, eiligen Schließung der Verhandlung (bis V. 1886).

Danach bricht kurz die Gewalt aus und Adam ergreift die Flucht (bis V. 1908). Die Aussprache und Versöhnung der Verlobten und die völlige Aufdeckung des von Adam zur Verführung Eves angezettelten Betrugs füllen in der Fassung des Erstdrucks die letzten knapp siebzig Verse; im Variant gibt es noch die ausführliche Erzählung Eves.

Veröffentlicht am 2. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 2. Juli 2023.