Skip to main content

Der zerbrochne Krug

Figuren

Figurenkonstellation

Der zerbrochne Krug – Figurenkonstellation
  • Adam

    Das hebräische Wort »Adam« bedeutet schlicht »Mensch«, insofern verweist der Name der Hauptfigur auf allgemeine menschliche Eigenschaften. Insbesondere zielt die Anspielung freilich, wie schon die Eingangsverse des Stücks unmissverständlich klar machen, auf den laut Bibel erstgeschaffenen Menschen Adam, der wegen des Sündenfalls aus dem Paradies vertrieben wurde. Die allgemeine Menschlichkeit der Hauptfigur ist also eine durch die Sündhaftigkeit spezifisch gewordene Menschlichkeit.

    Der Dorfrichter lebt ohne Ehefrau und ohne Kinder, hält Hühner und hat es sich im Dorf Huisum mit dem Schulmeister und mit dem Prediger wegen einer politischen Angelegenheit – der Abschaffung des sogenannten »Sackzehnde[n]« (V. 385), die er unterstützte – verscherzt.

    Ob er seine Kassen wirklich so ordentlich geführt hat, wie der Gerichtsrat Walter am Ende des Stücks gnädig annimmt (V. 1965), muss sich erst herausstellen, und es ist fraglich, ob er, selbst wenn er nicht in einem Fall zu urteilen gezwungen worden wäre, in dem er selbst der Schuldige war, einen Prozess den Vorstellungen Walters entsprechend hätte führen können.

    Erotische Abenteuer sind bei ihm offenbar keine Seltenheit; ob hierbei auch der Missbrauch seiner amtlichen Autorität die Regel ist, lässt sich aber nicht sagen.

    Literarische Vorbilder für Adam sind König Ödipus aus der gleichnamigen Tragödie Sophokles‘, die Figur des Falstaff aus den Shakespeare-Stücken »The Merry Wives of Windsor« und »Henry IV« und der Typ des Lüsternen Alten aus dem mit der Aufklärung zurückgedrängten Improvisationstheater. Adams Klumpfuß stellt eine Referenz auf Ödipus dar, dient aber zugleich in den Augen der abergläubischen Frau Brigitte zu seiner Identifikation mit dem Teufel. Weitere Anspielungen zielen auf Satyr-Figuren aus dem mythischen Umkreis des Dionysos.

  • Walter

    Der Gerichtsrat Walter ist beauftragt worden, die Dorfjustiz rund um Utrecht zu begutachten. Selbst gibt er an, seine Aufgabe bestünde nur in der Besichtigung der bestehenden Verhältnisse, nicht schon in der Festlegung etwaiger Strafen. Indes hat er den Dorfrichter Pfaul in Holla mitsamt seinem Schreiber nach der Begutachtung der Kassen und Registraturen umgehend suspendiert und auch Adam misst er ein milderes Strafmaß zu – die Suspension nur, nicht die Desertion. Walter ersetzt den Rat Wachholder, der weniger streng verfuhr, nämlich seine Besuche unter der Hand vorab ankündigen ließ.

    Walter zeigt sich angesichts der umständlichen Berichte der Zeugen ungeduldig. Er greift an entscheidenden Stellen in das Verfahren ein und will Adams Unterscheidung einer förmlichen Gerichtsbarkeit und eines Gewohnheitsrechts nicht akzeptieren. Früh schöpft er in dem vorliegenden Fall Verdacht gegen Adam, völlig überzeugt von dessen Schuld wird er indes erst am Schluss. Wichtig ist ihm die Ehre des Gerichts: Um diese zu wahren, deckt er Adam, solange dieser die Verhandlung führt. Er billigt, dass der Dorfrichter ein – angesichts der zutagegetretenen Umstände – absurdes Urteil fällt, nur, damit dieser nicht im laufenden Verfahren abgesetzt und seine Autorität als Richter untergraben wird.

    Die Figur wird in der Forschung unterschiedlich gewertet: als deus ex machina, als quasi-göttliche Instanz also, die gnädig über die irdische Gerichtsbarkeit wacht; oder als pedantischer Repräsentant fantasieloser, moderner Bürokratie.

  • Licht

    Der Gerichtsschreiber Licht befindet sich zu seinem Vorgesetzten, dem Dorfrichter Adam, in einem zwiespältigen Verhältnis. Einerseits gibt es zwischen ihnen aufgrund ihrer gründlichen Bekanntschaft miteinander eine Art Komplizenschaft, andererseits hat Licht offenbar den Ehrgeiz, Adam als Dorfrichter einmal zu ersetzen, wovon dieser weiß; er besteht also auch ein Konkurrenzverhältnis.

    Beides wird im Laufe des Stücks ausgespielt. Schon im ersten Auftritt wird angedeutet, dass Licht die Ausflüchte seines Herrn durchschaut, und es ist gut möglich, dass Adam darum weiß. Spätestens die während Ruprechts Zeugenaussage beiseite geführte Unterhaltung über die Waffe, mit der Adam verwundet wurde, macht dieses heimliche Einverständnis über die wahren Ereignisse kenntlich.

    Über lange Zeit erscheint Licht also als stiller Mitwisser Adams – als jemand, der mit ihm zu gut vertraut ist, um überhaupt getäuscht zu werden. Erst gegen Ende, als Licht Frau Brigitte als letzte Zeugin hinzuholt und mit ihr selbst Untersuchungen anstellt, tritt er aus dieser Rolle heraus, zu einem Zeitpunkt also, zu dem für Adam ohnehin kaum mehr Hoffnung besteht, aus der Sache unbeschadet hervorzugehen. Jetzt wirkt er als rationalistisches Korrektiv der abergläubischen Brigitte.

    Von Walter wird er sogleich als möglicher Ersatz Adams angesehen und es ist wahrscheinlich, dass er seinen Herrn nach dessen Absetzung tatsächlich beerben wird.
    Über Alter und Familienstand des Schreibers ist nichts bekannt.

  • Marthe

    Die verwitwete Frau Marthe Rull ist die Klägerin in dem Prozess. Der Gegenstand ihrer Klage ist der am Vorabend zerbrochene Krug, ihr geht es aber auch um die Ehre ihrer Tochter Eve. Denn wer immer den Krug zerbrochen hat, ist derjenige, der unerlaubt mit Eve allein in ihrer Kammer war. Wenn es ihr Verlobter Ruprecht war – ihn klagt sie an – ist es schlimm genug; wenn es eine andere männliche Person war, wie Ruprecht selbst glaubt, will sie Eve verstoßen. So beharrt sie auf ihrer Anklage selbst, als Eve Ruprecht bereits entlastet hat.

    Berühmt ist ihre Schilderung des zerbrochenen Kruges und seiner Herkunftsgeschichte – tatsächlich ist sie die einzige, die Adam mit Blick auf den Sprachgebrauch das Wasser reichen kann. Virtuos setzt sie Veit Tümpel gegenüber auseinander, weshalb der Gerichtsgang ihr ihren Krug nicht wiederbringen können wird.

    Ihr gehört das Schlusswort des Lustspiels. Nachdem die Ereignisse des vorherigen Abends aufgeklärt wurden und der flüchtige Dorfrichter Adam zur Bekanntgabe einer milderen Strafe zurückgeholt werden sollte, gemahnt sie an den eigentlichen Klagegegenstand – den Krug – wegen dem noch immer kein Urteil gefällt worden ist. Sie möchte sich deshalb an die nächsthöhere Instanz in Utrecht wenden.

    Sie arbeitet als Hebamme, ihr verstorbener Mann war Kastellan.

  • Eve

    Ihr Name verweist auf die biblische Eva und ordnet sie dadurch dem Dorfrichter zu, und nicht Ruprecht Tümpel, mit dem sie eigentlich verlobt ist und letztlich Hochzeit feiern soll. Während Eva in der alttestamentlichen Vorlage von der Schlange verführt wird, und dann selbst Adam zur Übertretung des göttlichen Gebots verführt, die Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht zu essen, gibt es von Eve her keine aktive Verführung des Richters; allein ihre jugendliche Schönheit verleitet ihn zu seinem erpresserischen Amtsmissbrauch.

    Ihr Verhältnis zur Sprache kann als Gegenmodell zur Sprachverwendung des Richters gesehen werden. Sie ist beinahe unfähig zur Lüge; ein Schwur ist ihr heilig. Sie ist in der Lage, klug abzuwägen, was sie unter den Verhandlungsbedingungen sagen kann, und was nicht. Wenn sie einen Fehler hat, dann ist es eine übermäßige Erwartung an das Vertrauen, das Ruprecht in sie fassen soll.

    Um ihn vor dem lebensgefährlichen Kriegsdienst in Ostindien zu bewahren, ist sie bereit, in den amtlichen Betrug zu willigen, den Adam ihr vorschlägt – aber nicht bereit, dafür ihre Ehre zu opfern.

  • Ruprechrt

    Ruprecht Tümpel – ein ruppiger, tumber Bauerssohn, wie der sprechende Name verspricht – ist der Verlobte Eves und der Angeklagte in dem von Marthe Rull angestrengten Prozess. Er hat den Krug nicht zerbrochen, jedoch durch sein plötzliches Eindringen in Eves Kammer die Flucht Adams und damit auch die Zertrümmerung des Krugs verursacht. Eve möchte ihn als Schuldigen vorschieben, um Adam zu decken und die Rettung ihres Verlobten vor dem vermeintlich drohenden Einsatz in Ostindien nicht zu gefährden. Sie erwartet von ihm und seiner Liebe, dass er dieses Manöver durchschauen, oder wenigstens ihr so weit vertrauen und das Spiel so lange mitspielen solle, bis sie ihn aufklären könne. Diese Probe besteht er nicht. Er verdächtigt sie stattdessen, den heimlichen Besuch seines Rivalen Lebrecht vertuschen zu wollen und ist bereit, vollständig mit ihr zu brechen. So heftig sein Zorn ist, so rasch ist er aber, bei geschehener Aufklärung, bereit, sich mit ihr zu versöhnen.

  • Veit

    Der Bauer Veit Tümpel ist der Vater des Beklagten Ruprechts und befindet sich gleich zu Beginn seines Auftritts mit Marthe wegen einer möglichen Ersetzung des Krugs im Streit. Dabei spricht er beschwichtigend auf sie ein. Er macht keine größere Zeugenaussage, bringt aber an einer Stelle eine mögliche Erklärung für die gestrigen Hergänge ins Spiel: Vielleicht hat sein Sohn mit Eve vor dem Militärdienst fliehen wollen? Für einen solchen Fall droht er damit, seinen Sohn zu verstoßen.

    Der Name ist sprechend und steht für eine tumbe Einfältigkeit.

  • Frau Brigitte

    Die abergläubische Nachbarin fungiert als letzte Zeugin in dem Verfahren, aufgerufen von Marthe. Ihr Zeugnis ist für die Überführung Adams wertvoll, muss aber zunächst von ihren irrigen Interpretationen befreit werden. So glaubt Brigitte an dem Vorabend bei dem Hinweg auf das Vorwerk der einfachen, schnellen Ausflucht Eves, sie sei mit Ruprecht im Garten zusammen – in Wirklichkeit ist sie es mit Adam; und bei dem Rückweg vom Vorwerk meint sie in dem flüchtigen, stinkenden und klumpfüßigen Adam den Teufel zu erkennen. Ohne die Intervention des Schreibers Licht wäre sie als Zeugin deshalb vielleicht verworfen worden.

  • Pfaul

    Pfaul ist der von Gerichtsrat Walter mitsamt seinem Schreiber abgesetzte Dorfrichter des Nachbardorfes Holla, der sich, in seinem Haus unter Arrest gesetzt, aufzuknüpfen versucht hat, jedoch wieder ins Leben geholt werden konnte.

    Der Name ist sprechend: Bei ihm ist etwas faul.

  • Wachholder

    Wachholder heißt der korrupte Vorgänger Walters auf dem Posten des Gerichtsrats: Er warnte Adam stets vor einer bevorstehenden Überprüfung.

  • Schwarzgewand

    Schwarzgewand ist der sprechende Name des Küsters, von dem Adam sich eine Perücke leihen möchte.

  • Holzgebein

    Ein vermutlich im Krieg verwundeter Korporal, den Marthe für einen geeigneten Heiratskandidaten ihrer Tochter hält.

  • Lebrecht

    Ihn sieht Ruprecht als Rivale und verdächtigt ihn deshalb, bei Eve heimlich eingesprochen zu haben.

  • Mehl

    Der Meister Mehl pudert Perücken (V. 1638).

  • Liese, Grete

    Adams Mägde.

  • Hanfriede

    Hanfriede ist der Gerichtsbüttel.

  • Ralf, Hinz, Sus, Liese

    So heißen Nachbarn (V. 1037 f.).

Veröffentlicht am 2. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 2. Juli 2023.