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Traumnovelle

3. Kapitel

Zusammenfassung

Fridolin ist irritiert. Seine offensichtlich unglückliche Ehefrau, die Ereignisse in Dänemark, der Tod des Hofrats und das Geständnis von Marianne lassen ihn nicht mehr los. Er streift durch das nächtliche Wien, wird von einem Studenten belästigt und schließlich von einer Prostituierten angesprochen, die sich als Mizzi vorstellt. Beide begeben sich in Mizzis Zimmer und Fridolin ist auch bereit, das Mädchen zu bezahlen – allerdings nicht für ihre Liebesdienste, sondern weil er sein Herz ausschütten will. Das junge Mädchen zeigt sich enttäuscht, was den Arzt dazu veranlasst, seine Entscheidung bezüglich der Liebesdienste zu überdenken. Nun aber ist es Mizzi, die das Angebot ablehnt. Fridolin beschließt zu gehen und verabschiedet sich von Mizzi wie ein Gentleman, was diese von ihren bisherigen Freiern nicht kennt.

Analyse

Wie bereits im zweiten Kapitel, versteckt sich Fridolin auch im dritten Kapitel hinter seiner Maske als Doktor, aber darüber hinaus aus hinter der des Ehemannes, als der Couleurstudent ihn anrempelt und beschimpft. Bei dem Zusammenstoß fürchtet Fridolin sich davor, körperlich verletzt zu werden – beispielsweise ein Auge zu verlieren. Das veranlasst ihn dazu, auch darüber nachzudenken, dass er sich in seiner Tätigkeit leicht mit tödlichen Krankheiten anstecken könnte. Auf diese Weise wird dem Leser vor Augen geführt, wie wenig ihn die Maske des Arztes, hinter der er sich versteckt, tatsächlich schützen kann. Der Student demütigt Fridolin mit der Belästigung, Fridolin weiß sich nicht zur Wehr zu setzen, daher erstarrt er in seiner Scham im Angesicht seines Doppelgängers. Dass es sich bei dem Studenten um den Doppelgänger Fridolins handelt, wird zum Beispiel dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Furcht des Arztes, ein Auge verlieren zu können, der Augenbinde des Studenten entspricht.

Eine weitere Doppelgänger-Figur wird wenig später mit der siebzehnjährigen Mizzi eingeführt, die ebenso wie Albertine die Furcht des Arztes wahrnimmt und dies auch ausspricht (»Du fürchtest dich halt – schad«). Mizzis Blick löst in Fridolin ein Gefühl der Scham aus, woraufhin ihm warm wird: »Dieses letzte Wort jagte eine heiße Welle durch sein Blut.« Es handelt sich dabei um eine Reaktion, die mit dem Erröten korrespondiert und typisch für Schamgefühle ist. Diesem Gefühl versucht er zu entfliehen, indem er sich als Verführer inszeniert. Nachdem Fridolin zunächst Mizzi abgewiesen hat und sie nun selbst verführen will, ist dieses Mal Mizzi diejenige, die ablehnt, was die Scham des Protagonisten weiter verstärkt: »[...] er schämte sich.«

Veröffentlicht am 6. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 7. Oktober 2022.