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Der Trafikant

Abschnitt 1 (bis S. 22)

Zusammenfassung

Der Roman beginnt mit einer kurzen Schilderung des bisherigen Lebens des Protagonisten Franz Huchel. Er lebt mit seiner Mutter in einem kleinen Fischerhaus, in dem Ort Nußdorf am Attersee. Sein Leben ist bislang weitestgehend ereignislos gewesen. Beschrieben wird ein starkes Gewitter an einem Sonntag im Spätsommer des Jahres 1937. Franz flüchtet in das kleine Fischerhaus.

Nach dem Abklingen des Gewitters schaut Franz sich um und stellt fest, dass die Hütte es unbeschadet überstanden hat. Während er auf dem Herd Kaffee aufkocht, betritt seine Mutter die Fischerhütte und wird kurz vorgestellt. Sie keucht, ihre Kleidung ist durchnässt und ihre Haare wirr. Als sie den Kopf hebt, sieht Franz ihre Tränen. Seine Frage, was passiert sei, beantwortet sie nicht. Stattdessen sinkt sie hilflos auf die Knie.

Schließlich bringt seine Mutter heraus, dass der Preininger ertrunken sei. Alois Preininger war im Ort als besonders stur bekannt. Ebenfalls als sehr reich, wenn auch nicht so reich, wie er sich selbst gerne darstellte. Trotz seiner sechzig Jahre war er noch sehr fit und genoss sein Leben in vollen Zügen. Er liebte alle schönen Frauen und fand alle Frauen schön. Weiterhin wird beschrieben, wie Preininger Franz' Mutter vor vielen Jahren auf einem großen Seefest kennenlernte. Sie aßen, tranken und tanzten. Die beiden verbrachten eine schöne gemeinsame Nacht, die sie anschließend häufiger, ganz ohne Erwartungen und Bedingungen, wiederholten. In Form eines angenehmen Nebeneffekts stellte Preininger Franz' Mutter stets zum Monatsende einen Scheck aus, der ihr das Beziehen des Fischerhauses sowie weitere kleine Annehmlichkeiten ermöglichte. Auch Franz musste, im Gegensatz zu den anderen Jungen in seinem Alter, nicht hart arbeiten, sondern konnte Spaziergänge im Wald oder ruhige Tage Zuhause genießen.

Wie jeden Sonntagvormittag verbrachte Preininger seine Zeit im Wirtshaus, welches er anschließend angetrunken und mit vollem Magen verließ. Als er beschloss, eine kleine Runde im See zu schwimmen, zog besagtes Gewitter auf. Während Preininger sich über seine Lebendigkeit freute und vor Freude juchzte, schlug ein Blitz in seinen Kopf ein.

Zu der Beerdigung Preiningers finden sich viele Menschen zusammen. Als auffällig werden die vielen schwarz verschleierten Frauen hervorgehoben, welche an seinem Grab stehen. Es wird viel getrauert. Auf dem Rückweg hebt Franz' Mutter ihren Schleier und teilt mit ihrem Sohn ihre Sorge vor kommenden, schlechteren Zeiten. Franz ist siebzehn Jahre alt, doch aufgrund seiner zarten Hände sieht sie ihn nicht als Arbeiter. Sie bleibt stehen und erzählt von einem alten Freund, der ihr beim Nachdenken in den Sinn gekommen ist. Otto Trsnjek habe mitten in Wien eine Trafik und schulde ihr einen Gefallen. Auf Nachfrage nach Arbeit für ihren Sohn ordert Trsnjek Franz nach Wien, doch solle er nicht zu viel erwarten. Als Franz auf die Aussage der Mutter, bereits am nächsten Tag die Reise antreten zu sollen, geschockt reagiert, bekommt er von ihr eine Ohrfeige.

Am darauffolgenden Tag sitzt Franz, entsprechend der mütterlichen Anordnung, im Zug nach Wien. Er verlässt erst zum dritten Mal in seinem Leben das Salzkammergut. Zuvor sind es jedoch lediglich Ausflüge gewesen. Dennoch fühlt Franz sich leicht. Aufgrund einer toten Kuh auf den Gleisen kommt es zu einer Unterbrechung der Fahrt. Der Schaffner denkt zunächst, der Gegenstand auf den Gleisen wäre ein Verschulden der Sozialdemokraten oder Nationalsozialisten. Franz beobachtet, wie der Kadaver mit Hilfe einiger Passagiere entfernt wird.

Als er mit zwei Stunden Verspätung in Wien eintrifft, ist die Leichtigkeit verflogen und eine Übelkeit überkommt ihn. Er ist überwältigt von der bewegten Stadt mit ihren akustischen und visuellen Eindrücken. Eine alte Dame spricht Franz an und erkundigt sich besorgt nach seinem Befinden. Sie spricht abwertend über die aktuelle Zeit und rät Franz, direkt wieder nach Hause zu fahren. Dieser ist jedoch überzeugt davon, sich an die Stadt zu gewöhnen und begibt sich auf den Weg zu besagter Trafik.

Analyse

Bereits zu Beginn des Werkes wird in Form einer Vorausdeutung die »folgenschwere Wendung« (7), welche sich in Franz Huchels Leben ereignen wird, angekündigt. Das starke Gewitter steht stellvertretend für die kommenden Zeiten. Mit Hilfe von Personifikationen der »geköpften Geranien«, die in ihren Kübeln »ersoffen« (ebd.), werden nahende Tode angekündigt. Auch der Tod Alois Preiningers untermauert diese These. Nichtsahnend und in tiefer Lebensfreude wird er vom Tod überrascht.

Der erste Auftritt von Franz' Mutter spiegelt ihr aktuelles Innenleben wider. Sie ist durchnässt und sieht durcheinander aus, und »über ihre Stirn liefen die Haare in wirren Strähnen« (8), ebenso ist sie tief traurig und weint. Franz' Unbeholfenheit wird deutlich, er weiß nicht, wie er seine Mutter trösten soll »[...] und begann ungeschickt über ihr Haar zu streicheln« (9). Ihn befremdet der stattfindende Rollentausch, da er es so kennt, dass die Mutter das Kind tröstet. Dass Franz in seinem bisherigen Leben keine Aufgaben dieser Art übernehmen musste, verdeutlicht sein behütetes Aufwachsen. Aufgrund des finanziellen Zuschusses von Alois Preininger musste er bisher nicht arbeiten oder sich dem Ernst des Lebens stellen. So konnte er auch »einfach im Bett liegen bleiben und seinen Gedanken und Träumen nachhängen« (12).#

Trotz ihrer Trauer ist Franz' Mutter bemüht, stark zu bleiben und handelt lösungsorientiert. Nach ihrem kurzen Zusammenbruch kritisiert sie bereits Franz' Versuch des Kaffeekochens, welcher ebenfalls für seine Unerfahrenheit steht. Auch nach der Beerdigung, bei der sie offenbar viele Tränen vergossen hat: »[...] sie blinzelte mit roten Augen ins Sonnenlicht« (15), zeigt sich ein ähnliches Bild. Ebenso wie das Gewitter, bilden ihre Worte eine Vorausdeutung für kommende schlechte Zeiten; es läge etwas »in der Luft« (ebd.). Franz nimmt die Aussage der Mutter wörtlich und richtet seinen Blick nach oben. Dies stellt einen weiteren Hinweis für seine zugrunde liegende Unerfahrenheit dar.

Seine Mutter ist an seiner Stelle ins Handeln gekommen und hat ihm mit Hilfe ihrer Kontakte eine Arbeit beschafft. Es scheint, als habe sie bisher versucht, ihren Sohn vor dem wahren Leben zu bewahren, erkennt jedoch nun, aufgrund seines Alters und des Todes Preiningers, dass auch er arbeiten muss. Hingewiesen wird vor diesem Hintergrund auf Franz' untypische Sensibilität, welche sie an seinen Händen erkennt: »Zart und weich und weiß, wie von einem Mädchen« (15). Dass Franz' Mutter grober gestrickt ist als ihr Sohn, zeigt ebenfalls die Ohrfeige, mit welcher sie versucht, ihm den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Für die Kämpfernatur der Mutter steht weiterhin die fehlende Präsenz von Franz' Vater. In der damaligen Zeit musste sie sich scheinbar als Alleinerziehende durchbeißen und Haltung bewahren.

Franz folgt den Anweisungen seiner Mutter, trotz anfänglichen Trotzes. Während der Abfahrt verschwimmt die Gestalt der Mutter, was dafür steht, dass er sein altes Leben hinter sich lässt und es bald nicht mehr greifbar sein wird. Franz fühlt sich, als wäre »auch ein großer Teil seines Körpergewichts zurückgeblieben« (17). Diese Empfindung kündigt den anstehenden Wandel der Persönlichkeit des Protagonisten an.

Während der Zugfahrt wird erstmals ein politischer Bezug hergestellt. Der Schaffner verknüpft den verdächtigen Gegenstand auf den Gleisen, durch welchen der Zug anhalten muss, mit den Sozialdemokraten oder den Nationalsozialisten. Abwertend äußert er: »Wär aber sowieso egal: Ist eh alles das gleiche Gsindel!« (18). Durch den Leichnam der Kuh, welcher sich auf den Gleisen befindet, wird erneut das Motiv des Todes aufgegriffen. Weiterhin wird die fehlende Handlungskompetenz des Protagonisten deutlich. Während andere Fahrgäste bei der Beseitigung helfen, verschränkt er seine »weichen Mädchenhände« (19) hinter dem Rücken. Auch diese Körperhaltung zeugt von Passivität. Fraglich bleibt, ob Franz sich auf der Äußerung der Mutter ausruht und diese adaptiert, ohne sie zu hinterfragen, oder ob auch er sich keine körperlichen Tätigkeiten zutraut.

Beim Eintreffen im Wiener Bahnhof schlägt sich die Unerfahrenheit des Protagonisten auch in körperlichen Reaktionen nieder. Er erscheint überfordert und erkennt die deutliche Diskrepanz zu seiner Heimat. Das städtische Treiben vergleicht er mit dem Brodeln des »Gemüsetopf[s] auf Mutters Herd« (20). Die detaillierten Beschreibungen zeugen von Franz' äußerster Sensibilität. Er nimmt jeden Sinneseindruck differenziert wahr und zählt sie alle auf. Die alte Dame, von welcher Franz angesprochen wird, verwendet die Metapher: »Faulige Zeiten« (21), wodurch sie zu verdeutlichen versucht, was sie von der gegenwärtigen Zeit hält. Auch ihr Rat, dass Franz den Heimweg antreten solle, kann als Vorausdeutung verstanden werden, dass ihm in Wien niederschmetternde Zeiten drohen.

Veröffentlicht am 12. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.