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Der Trafikant

Abschnitt 4 (S. 80-95)

Zusammenfassung

Franz' Verliebtsein verbleibt hartnäckig. Die Weihnachtsfeiertage verbringt er krank und die Kekse verspeisend, die ihm seine Mutter geschickt hat. Im neuen Jahr 1938 ist Franz endlich wieder gesund und setzt seine Suche nach dem Mädchen fort. Auf dem Wiener Prater beschreibt er einem Kellner ihr Erscheinungsbild und versucht, ihre Adresse herauszufinden. Als dieser beleidigende Worte in Bezug auf das Mädchen äußert, verliert Franz die Kontrolle und greift ihn an. Er wird jedoch niedergeschlagen und verliert kurz das Bewusstsein. Während Franz am Boden liegt, gibt der Kellner ihm schließlich doch den Tipp, in dem gelben Haus in der Rotensterngasse nachzuschauen.

Franz findet das Haus, welches kurz vor dem Zerfall zu sein scheint. Er nimmt einen unerträglichen Gestank wahr. In einem Raum mit etwa 30 Frauen fragt er nach der Böhmin. Das Mädchen erkennt ihn und erinnert sich an seinen schönen Hintern. Sie erklärt, dass er sie zum Essen ausführen dürfe.

Auf dem Weg erfährt Franz endlich mehr von ihr. Er weiß nun, dass sie Anezka heißt, drei Jahre älter ist als er und als Kindermädchen, Köchin oder Haushaltshilfe arbeitet. Franz erzählt ihr von seinem bisherigen Leben und seiner Heimat. In einem Wirtshaus verspeisen sie schließlich Gulasch und trinken Wein. Nach dem Essen äußert Anezka, ihn nun zu wollen.

In der Trafik kommt es sehr schnell zum Liebesakt, den Franz sichtlich genießt. Anschließend gehen die beiden in die Nacht hinaus und vergnügen sich im Schnee. Franz fragt Anezka, warum sie damals auf dem Wiener Prater einfach verschwunden sei. Sie antwortet ausweichend, zieht den Liebesakt einem Gespräch vor.

Obwohl sich Franz nach der gemeinsamen Nacht in sexueller Hinsicht erleichtert fühlt, bessert sich seine Gesamtstimmung nicht. Als er Anezka am nächsten Abend erneut in dem gelben Haus aufsuchen möchte, ist sie verschwunden. Franz geht es zunehmend schlechter, was sich in Schlafstörungen und wirren Träumen niederschlägt. Dem Rat Freuds entsprechend, schreibt er die Inhalte seiner Träume auf.

Analyse

Die Beschreibungen der Weihnachtsfeiertage zeigen Franz' Einsamkeit und die negativen Folgen seines Verliebtseins auf. Er vermisst seine Heimat, in der er keine Probleme hatte: »Eine einzelne Träne tropfte jetzt auf die Fotografie [...]« (81).

Passend zum Jahreswechsel schöpft auch Franz neue Energie und setzt seine Suche nach Anezka fort. Durch den Streit mit dem Kellner und dadurch, wie er sie verteidigt, wird deutlich, was Franz bereit ist, für seine Gefühle für Anezka in Kauf zu nehmen: »Mit einem unterdrückten Schrei warf er sich auf den Kellner und begann auf ihn einzuschlagen« (85). Dieses Verhalten passt nicht zu dem sonst so sensiblen und verträumten Franz. Seine Verliebtheit verändert ihn und weckt unbekannte Gefühlsregungen in ihm.

Die Beschreibung des Hauses, in dem Anezka lebt, deutet auf ihre Lebensweise und ihren illegalen Aufenthalt in Österreich hin: »Das gelbe Haus in der Rotensterngasse war eine abrissreife Ruine« (87). Anezka reagiert äußerst schlagfertig und wenig überrascht auf sein unerwartetes Erscheinen: »Ah, der Burschi mit dem scheenen Popscherl« (89). Sie scheint keinen Scham dafür zu empfinden, dass Franz ihre Lebensumstände entdeckt hat.

Während Anezka ihm lediglich Fakten über die eigene Person mitteilt, schweifen Franz' Erzählungen über seine Heimat und seine Kindheit aus. Während er sich wie ein offenes Buch gibt, bleibt Anezka hinter ihrer schlagfertigen Fassade weiterhin verschlossen. Deutlich direkter, als Franz es sich je trauen würde, fordert sie im Anschluss an das gemeinsame Essen den Geschlechtsakt ein: »Und jetzt will ich dich, Burschi« (91).

Durch ihr gefasstes Verhalten wirkt Anezka um einiges älter als Franz, auch wenn es nur drei Jahre sind. Die Vergangenheit und die gegenwärtigen Lebensumstände der beiden Figuren unterscheiden sich maßgeblich. Das Verlassen Tschechiens und das Leben ohne behördliche Genehmigung von Anezka stehen dem behüteten Aufwachsen von Franz gegenüber. Während sie sich näher kommen, werden seine Nervosität und Unerfahrenheit deutlich: »Sofort begann sein Herz wie verrückt zu klopfen und eine brennende Hitze stieg in ihm hoch« (92). Der gemeinsame Ausflug in den Schnee ermöglicht beiden Figuren einen Moment der Freiheit und Lebensfreude. Anezka möchte nichts über sich preisgeben, sondern lieber Ablenkung von eventuell bestehenden Problemen erfahren: »Nicht so viel reden […], lieber noch einmal vögeln« (94).

Die geschilderte »sexuelle Erlösung« (ebd.) zeigt auf, wie sehr sich Franz zuvor nach Anezka verzehrt hat. Dennoch hat er nach wie vor keine Klarheit in Hinblick auf ihre Beziehung, wodurch sich sein Gesamtzustand nicht bessert. Das plötzliche Verschwinden Anezkas zeigt sich erneut. Franz reagiert auf die fehlende Klarheit und seinen fortbestehenden Liebeskummer mit wirren Träumen.

Veröffentlicht am 13. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.