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Der Trafikant

Zitate und Textstellen

  • »An der Wand über der Altkleiderkiste wackelte der eiserne Jesus, als könnte er sich jeden Augenblick von seinen Nägel losreißen und vom Kreuz springen […].«
    – (Franz Huchel, 7)

    Hier findet bereits auf der ersten Seite des Romans eine äußerst bildhafte Sprache Anwendung, welche durch das Werk hindurch präsent bleibt und so dem Text eine besondere Lebendigkeit und Authentizität verleiht. Das hier geschilderte Gewitter dient als Vorausdeutung für die unheilvollen Wendungen, die sich später im Roman ereignen werden.

  • »›Das ist nicht der Kanal, der da stinkt‹, sagte sie. ›Das sind die Zeiten. Faulige Zeiten sind das nämlich. Faulig, verdorben und verkommen!‹«
    – (Kleine Dame am Bahnhof, 21)

    Es wird wiederholt auf die nahenden folgenschweren Entwicklungen durch die Herrschaft Hitlers hingewiesen. Dieses Zitat gewinnt an besonderer Relevanz, da Franz mit diesen Worten bei seiner Ankunft am Wiener Bahnhof von einer kleinen Dame begrüßt wird. So wird angedeutet, dass Franz eine schwere Zeit in Wien erwartet.

  • »Von der Politik werde alles und jedes verhunzt, verpatzt, versaut, verdummt und überhaupt irgendwie zugrunde gerichtet.«
    – (Otto Trsnjek, 27)

    Durch Trsnjeks Worte wird erstmals eine Verknüpfung zur Politik hergestellt, mit welcher die nahenden negativen Wendungen explizit in Verbindung gebracht werden. So wird bereits bei dem ersten Auftritt von Trsnjek seine politische Einstellung deutlich. Er tritt als belesener und selbstsicherer Mann auf. Sein später geleisteter Widerstand erscheint auf dieser Grundlage wenig überraschend.

  • »›Das war der Pestvogel‹, murmelte Freud. ›Es heißt, dass er immer nur vor dem Ausbruch von Seuchen, Kriegen und anderen Katastrophen auftaucht.‹«
    – (Sigmund Freud, 137)

    Sigmund Freud, als weitere zentrale Romanfigur, äußert wiederholt Aussagen, in denen sein hoffnungsloser Blick auf die Zukunft deutlich wird. Diese Szene unterstreicht darüber hinaus die bildhafte Sprache, der sich bedient wird. Der Pestvogel dient als Symbol für nahendes Unheil.

  • »›Riesenrad nicht, aber schießen möcht ich, bitteschön!‹ Genau genommen sagte sie nicht ›möcht ich bitteschön‹, sondern ›mecht ich, bittascheen.‹«
    – (52)

    Ein herausstechendes sprachliches Merkmal des Romans sind die Dialekte und Akzente der Figuren. Seethaler verleiht ihnen auf diese Weise Einzigartigkeit und Nahbarkeit. Besonders Anezkas erster Satz und Franz' Augenmerk auf ihren Akzent bleiben im Gedächtnis.

  • »Als schließlich das letzte Palatschinkenfleckchen mit dem letzten Schluck Wein hinuntergespült war, lehnte sich Anezka mit einem langgedehnten Seufzer zurück, verschränkte die Hände vor ihrem Bauch und sah Franz mit trägem Blick an. ›Und jetzt will ich dich, Burschi!‹, sagte sie.«
    – (91)

    Anezka sticht unter anderem durch ihre Schlagfertigkeit hervor, welche der Zögerlichkeit Franz' gegenübersteht und der Sprache des Romans einen humorvollen Beiklang verleiht.

  • »›Entschuldigung‹, sagte Franz zaghaft, ›wohnt hier zufällig eine junge Frau, eine Böhmin?‹«
    – (Franz, 89)

    Franz, der sich generell durch die bodenständige Sprache seiner Heimat auszeichnet, wirkt zu Beginn des Romans naiv und schüchtern, wie unter anderem in diesem Zitat deutlich wird.

  • »Eine aromatische Habano, die leicht im Geschmack ist, jedoch durch große Eleganz und Komplexität überzeugt.«
    – (Franz, 72)

    Im Verlauf des Romans wird sowohl die Figur des Franz Huchel als auch seine Sprache vielschichtiger. Um Sigmund Freud zu beeindrucken, lernt er in Fachsprache die Eigenschaften ausgewählter Zigarren auswendig.

  • »Die Wahrheit der Morgenausgabe ist praktisch die Lüge der Abendausgabe.«
    – (Franz, 149)

    Franz entwickelt sich zu einer reflektierten Persönlichkeit und zeigt sich zunehmend belesen. Er ist ausreichend sensibilisiert, um den Wahrheitsgehalt der Printmedien zu hinterfragen.

  • »Wobei: Heutzutage ist es vielleicht sowieso besser, nicht allzuviel Ahnung zu haben. Die Ahnungslosigkeit ist ja praktisch das Gebot der Stunde, das Nichtwissen das Leitmotiv der Zeit.«
    – (Unbekannte Dame, 238)

    Der wache Geist und der gewonnene Mut des Protagonisten werden ihm letztlich zum Verhängnis. Dieses Zitat zeigt auf, dass die Menschen einzig durch vorgespielte oder tatsächliche Ahnungslosigkeit das Nazi-Regime überleben können. Gleichzeitig wird mit diesem Zitat Kritik an der breiten Masse geübt, welche die Augen verschließt und so den Tod zahlreicher Menschen in Kauf nimmt. Franz setzt mit seinem Widerstand ein deutliches Zeichen und findet so das Ende, welches fortlaufend angedeutet wurde.

Veröffentlicht am 13. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.