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Der Trafikant

Sprache und Stil

»Der Trafikant« zeichnet sich durch eine bildhafte und lebendige Sprache aus. Sowohl eine Vielzahl von Metaphern, als auch Personifikationen und bildhafte Vergleiche finden Raum. Bsp: »Aus dem Spiegel starrte ihm blass und hohlwangig die Erinnerung an den gestrigen Abend entgegen« (60). Und: »Die Stadt brodelte wie der Gemüsetopf auf Mutters Herd.« (20) oder: »Im Prater geht die Pest um.« (206)

Ein weiterer Fokus liegt auf den Sinneseindrücken, die der Protagonist stets detailliert beschreibt, wie zum Beispiel: »Er roch nach modrigen Stegplanken und trockenem Sommerschilf, nach verkohlten Rindenstückchen, zerlassenem Butterschmalz und der mehlbestäubten Küchenschürze seiner Mutter« (172). Die verwendete Sprache und die Bilder sind mitunter sehr poetisch wie »Ein warmer Frühlingssprühregen, unter dem das Pflaster zu duften begann« (158).

Weiterhin lässt sich die verwendete Sprache als einfach und leicht verständlich einordnen. Dennoch greift Seethaler vermehrt auf österreichische Begriffe wie »Hendl« (61) zurück und lässt Dialekte sowie Akzente einfließen. Dies verleiht den Figuren ihre eigene Persönlichkeit und dem Roman mehr Lebendigkeit. Auffällig ist der häufige Gebrauch der direkten Rede, was die Charakterisierung der handelnden Personen vereinfacht.

Anekza, welche aufgrund ihrer böhmischen Herkunft unfähig ist »Umlaute auszusprechen« (52), spricht so stets mit einem Akzent. Bei ihrem ersten Auftritt wird ihre Aussage zunächst auf Hochdeutsch wiedergegeben, anschließend jedoch mit ihrem Akzent, so wie sie tatsächlich getätigt wird: »Genau genommen sagte sie nicht ›möcht ich, bitteschön‹, sondern ›mecht ich bittascheen.‹ Es war die leicht erkennbare Unfähigkeit der vielen in Wien ansässigen Böhmen, Umlaute auzusprechen« (52). Aufgrund dessen entsteht der Eindruck, dass auf ihrem Akzent ein besonderer Fokus liegen soll. Er formt ihre Persönlichkeit. Auch von Dialekt geprägte Umgangssprache und unvollständige Sätze fließen ein und verleihen den Dialogen besagte Lebendigkeit: »So, und jetzt sind S’ so lieb und geben S’ mir noch ein Taferl Schokolad’. Mit Nüssen. Und zahlen möcht ich dann gerne beim nächsten Mal, wenn’s Ihnen nicht pressiert« (242 f.).

Der Protagonist verwendet eine bodenständige Sprache, in welcher zu Beginn des Romans insbesondere seine Naivität deutlich wird. Mit der Zeit reifen er und seine Sprache heran und sie wird lebhafter. Sein gewonnenes Wissen beweist er z. B. Sigmund Freud bei der Übergabe einer Zigarre: »Eine aromatische Habano, die leicht im Geschmack ist, jedoch durch große Eleganz und Komplexität überzeugt« (72). Seethaler verwendet Sprache demnach als Instrument, um den Figuren seines Romans eine besondere Persönlichkeit und entsprechende Authentizität zu verleihen. Gleichzeitig ist der Text an vielen Stellen von Ironie und Humor geprägt: 

    Noch nie hatte Franz einen Menschen mit solcher Hingabe essen sehen. [...] Er bestellte eine zweite Portion und dann eine dritte. [...] Als schließlich das letzte Palatschinkenfleckchen mit dem letzten Schluck Wein hinuntergespült war, lehnte sich Anezka mit einem langgedehnten Seufzer zurück, verschränkte die Hände vor ihrem Bauch und sah Franz mit trägem Blick an. ›Und jetzt will ich dich, Burschi!‹, sagte sie (91).

Durch die Wahl eines personalen Erzählers wird es dem Leser ermöglicht, eine besondere Bindung zu dem Protagonisten Franz Huchel aufzubauen. Seine Gedanken- und Gefühlswelt wird differenziert und äußerst nachvollziehbar geschildert. Sowohl der Protagonist als auch die weiteren Figuren des Romans erscheinen, durch die Sprache des Autors, sehr nahbar und authentisch. 

Die Erzählperspektive erfolgt größtenteils in der dritten Person. Durch die Aufhebung von Franz' Erzählperspektive am Ende des Werkes entsteht der Anschein seines Ablebens, welches kein weiteres Erzählen im Jahr 1945 ermöglicht. Ein vorangehender, mehrfacher Perspektivenwechsel verdeutlicht das langsame Dahinscheiden des jungen Lebens des Protagonisten.

Der Roman wird darüber hinaus von unterschiedlichen Symbolen und Motiven durchzogen. Unter anderem wird den Verkaufswaren der Trafik eine besondere Bedeutung beigemessen. Die Zeitungen, welche Franz der Anleitung Otto Trsnjeks nachkommend, täglich liest, repräsentieren sein inneres Wachstum. Er bildet sich stets weiter und setzt sich mit der Politik auseinander. Anfangs versteht er die Sprache in den Zeitungen nur schlecht, seine Naivität schwindet jedoch mit der Zeit und an ihre Stelle tritt ein kritischer Geist. 

Weiterhin kennzeichnen die Zigarren die tiefer werdende Beziehung zu Sigmund Freud maßgeblich. Der Briefwechsel mit Franz' Mutter verdeutlicht darüber hinaus ihre enge Bindung ebenso wie die Distanz zu Franz' Heimat. Die unterschiedlichen Bilder auf den Postkarten repräsentieren die Andersartigkeit des Salzkammerguts und Wiens. 

Häufig greift Seethaler auf eine Blumenmotivik zurück. Eine besondere Rolle bekommen die Geranien, welche zu Beginn des Romans, im Rahmen einer Vorausdeutung, geköpft in ihren Kübeln »ersoffen« (7). Beim Eintreten der Verhaftung von Franz wird einer Geranie der Blütenkopf abgeschnitten (vgl. 246), die »folgenschwere Wendung« (7) ist nun eingetreten. Ebenfalls treten in der letzten Traumnotiz des Protagonisten Geranien auf, sie »leuchten« (250), jedoch nur aufgrund eines Feuers, welches für das tragische Ende steht. Dennoch stellen sie gleichzeitig einen »zartrote[n] Hoffnungsschimmer« (8) dar, welcher in Franz bis zuletzt nicht erloschen ist.

Veröffentlicht am 13. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.