Skip to main content

Der Trafikant

Abschnitt 5 (S. 96-115)

Zusammenfassung

Eines Nachts, mehrere Wochen später, hört Franz ein Klopfen und Anezka steht überraschend vor der Tür. Ohne etwas zu sagen, legt sie sich zu ihm ins Bett und schläft mit ihm. Franz malt sich aus, ihr am nächsten Morgen einen Heiratsantrag zu machen, doch als er aufwacht, ist sie verschwunden.

Franz beschließt nun, den zweiten Vorschlag des Professors umzusetzen und Anezka zu vergessen. Dieser Plan gelingt ihm jedoch nicht. Unter einem Vorwand erklärt er Trsnjek, sofort zu einem Arzt zu müssen. Er hält die ständigen Gedanken an Anezka nicht mehr aus. Statt zu einem Arzt läuft Franz zu dem gelben Haus in der Rotensterngasse. Er wartet, bis der Abend hereinbricht und schließlich tritt Anezka ins Freie. Franz folgt ihr heimlich und sieht, wie sie in einem Hinterhof verschwindet. Über dem verhangenen Eingang steht »Zur Grotte«. Franz betritt den kleinen Raum, das grüne Licht erinnert ihn an seine Jugend.

Nach dem Erwerb einer Eintrittskarte darf Franz einen rot erleuchteten Raum mit einer kleinen Bühne betreten. Er verfolgt die dargebotene Parodie Adolf Hitlers. Als sich der kleine Mann in Rage redet, betritt ein Mädchen die Bühne und führt ihn herunter. Nach einer großen Ankündigung betritt ein als Indianerin verkleidetes Mädchen die Bühne. Franz erkennt in ihr Anezka. Sie tanzt und präsentiert sich den anwesenden Männern. Franz ergreift die Flucht.

Im Anschluss an die Darbietung verlässt auch Anezka in Begleitung des Conferenciers, welchen sie Heinzi nennt, die Grotte. Als Franz sich plötzlich auf sie zubewegt, zieht Heinzi ein Messer, Anezka kann ihn jedoch beruhigen. Franz drückt seine Enttäuschung aus und richtet beleidigende Worte an Anezka, außerdem unterstellt er ihr eine Beziehung zu Heinzi. Er entschuldigt sich jedoch im Anschluss. Anezka reagiert gefasst, gibt ihm einen Kuss auf die Stirn und geht. Franz hebt einen toten Falter vom Boden auf und legt ihn in ein Taschentuch.

In der Postkarte, welche Franz anschließend an seine Mutter verfasst, erzählt er, dass er geplant habe, mit dem Zug nach Hause zu fahren. Seine Gedanken an die Trafik, Otto Trsnjek und Sigmund Freud haben ihn jedoch davon abgehalten. Seine Mutter behauptet in ihrer Antwort die Gründe für seine Verfassung zu kennen und verspricht ein schnelles Verfliegen dieser. Sie bestätigt, dass ihr Sohn inzwischen Verantwortung hat.

Analyse

Die gemeinsame Nacht von Franz und Anezka spiegelt erneut wider, welche Bedeutung er ihr beimisst. Seine Verliebtheit und seine Wertschätzung ihr gegenüber werden in dem langsamen Ausziehen ihrer Kleidung und seinen zitternden Händen deutlich. Metaphorisch wird beschrieben, wie Franz im Anschluss des Liebesaktes »wie ein Häuflein Glück neben ihr lag« (96). Auch diese Aussage untermauert die pure Glückseligkeit, die Franz in Anezkas Gegenwart empfindet. Zentral ist die Diskrepanz zwischen der Bedeutung, die Franz ihrer Verbindung beimisst und der Realität, wodurch seine Naivität deutlich wird. Gegenübergestellt werden seine Gedanken an einen möglichen Heiratsantrag am Morgen und die Realität, in welcher Anezka am Morgen verschwunden ist.

Während Franz Anezka heimlich folgt, denkt er an die Kriminalfilme, die er mit seiner Mutter geschaut hat. Ebenso wie die Charaktere in den Filmen ist er gleichzeitig »gnadenlos-grimmig« (98), weil Anezka ihn wiederholt enttäuscht und ohne ein Wort verschwindet als auch »sehnsuchtsvoll-träumerisch« (ebd.), weil er sich nach ihr verzehrt und von einer gemeinsamen Zukunft träumt. Die Beschreibung des Standorts der Grotte verdeutlicht die Verwegenheit, für die sie steht: »An einem nackten Draht baumelte eine Glühbirne und verstreute ihr schmutziges Licht« (99). Es lässt sich davon ausgehen, dass es sich bei der Grotte um ein Varieté handelt. Das grüne Licht im Eingang erinnert Franz an den Attersee, wodurch seine behütete Kindheit und Jugend dem verwegenen Ort gegenübergestellt werden, an dem er sich nun befindet.

In der Ankündigung von Anezkas Auftritt wird bereits deutlich, dass dieser den anwesenden Männern Vergnügen bereiten soll: »Meine Damen und Herren, oder vielmehr: meine damenlosen Herren [...]« (105). Auch das Verhalten der Männer wird lüstern dargestellt (106). Franz erkennt Anezka und denkt an die vergangene Zweisamkeit, deren Romantik nicht zu der Darbietung passt. Während sie in diesen Momenten ihm allein gehörte, scheint sie nun allen anwesenden Männern zu gehören: »Noch vor Kurzen hatte er mit dem Gesicht zwischen ihnen gelegen […] und sich auf merkwürdige Art zuhause gefühlt. Jetzt prangte ihr Busen in aller Öffentlichkeit herum« (109). Besonders die Tatsache, dass Anezka Genuss zu empfinden scheint, ist für Franz schwer zu verkraften. Mit Hilfe einer Metapher wird sein Herzschmerz verdeutlicht: »Franz fühlte, wie sein Herz sich zu einem Knoten zusammenzog« (ebd.).

Heinzis Alarmbereitschaft und anschließendes Verhalten stehen für das gefährliche und kriminelle Milieu, in welchem sie sich befinden. Anezka reagiert erstaunlich ruhig und lässt sich auch von Franz' Beleidigungen nicht aus der Fassung bringen. Ihr schlagfertiger Charakter wird deutlich: »Wer bleed fragt, kriegt bleede Antwort, Burschi« (112). Franz' verbale Angriffe erscheinen unbeholfen, wodurch der Eindruck entsteht, dass er durch seine Unerfahrenheit nicht weiß, wie er mit seiner Enttäuschung und seinem Liebeskummer umgehen soll. Durch seine anschließende Entschuldigung wird deutlich, dass er noch immer von Anezka angetan ist. Der Kuss, den sie ihm auf die Stirn gibt, erscheint liebevoll und ohne sexuellen Hintergedanken, was für Anezka untypisch ist. Er fungiert als Abschiedskuss.

Franz' anschließender Wunsch, nach Hause zu fahren, verdeutlichen seine Überforderung und seinen Wunsch nach Gewohnheit und Trost. Die nun neue Verantwortung, welche sowohl von ihm selbst als auch von der Mutter erwähnt wird, stellt einen Hinweis auf die Persönlichkeitsentwicklung des Protagonisten dar.

Veröffentlicht am 13. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.