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Der Trafikant

Abschnitt 10 (S. 237-250)

Zusammenfassung

Die Perspektive wechselt zu einer scheinbar weiblichen Person und ihrer Gedankenwelt. Sie erzählt von einer Beobachtung der letzten Nacht, in welcher ein Mann eine der Hakenkreuzfahnen vor dem Hotel Metropol entfernt und durch ein Stück Stoff ersetzt hat. Das Stück Stoff soll eine braune, einbeinige Herrenhose gewesen sein. Am Morgen ist ein Tumult ausgebrochen und die flatternde Hose ist für einen Moment scheinbar in der Luft stehen geblieben, dabei habe sie ausgesehen wie ein Zeigefinger.

Der nächste Perspektivwechsel beleuchtet Franz' Mutter, die keinen Schlaf findet und sehr besorgt ist. Sie hat ihren Job verloren und nichts mehr von ihrem Sohn gehört, den sie sehr vermisst.

Noch einmal richtet sich die Erzählperspektive auf Franz, der nach einer kurzen Nacht lachend aufwacht. Er schreibt seinen Traum nieder und klebt ihn wie gewohnt an die Schaufensterscheibe. In diesem Moment hält ein Wagen vor der Trafik, drei Männer steigen aus und wollen ihn festnehmen. Franz bringt den Zettel ruhig an, schließt die Trafik ab und steigt in den Wagen.

Ein Zeitsprung schildert eine Momentaufnahme fast sieben Jahre später. Es ist der 12. März 1945 und die Bewohner Wiens fürchten neuerliche Bombenangriffe. Anezka geht in einer übergroßen Herrenjacke die Währingerstraße entlang. Sie erreicht die ausgestorbene Trafik und versucht durch das Fenster zu schauen. Als sie schon gehen möchte, sieht sie die letzte Traumnotiz von Franz. Die untere Hälfte fehlt zwar, doch den Rest löst Anezka vorsichtig ab und nimmt die Traumnotiz mit. Der Roman endet mit dem Beginn der Bombenangriffe.

Analyse

Die Riskanz von Franz' nächtlicher Aktion wird in der Erzählung der namenlosen Frau deutlich: »Ein verwegener Bursch. Aber auch ein bisschen deppert, wenn Sie mich fragen« (239). Offensichtlich ist, dass es sich bei der angebrachten Hose um die Hose von Otto Trsnjek handelt, da sie lediglich ein Hosenbein aufweist. Die Hakenkreuzfahne musste der Hose weichen: »Die Leine hat er gekappt, das Adolfkreuz hat er in den Dreck geschmissen« (241). In dieser Szene leistet Franz aktiven Widerstand. Er zeigt auf, dass Franz dem Nazi-Regime die Schuld an Trsnjeks Tod gibt. Seine Missachtung gegenüber dem Regime verleiht er dadurch Ausdruck, dass er das Hakenkreuzbanner in den »Dreck« (ebd.) wirft. Als die Hose im Wind stehen bleibt, erscheint sie wie ein »Zeigefinger« (242), welcher im übertragenen Sinne auf die Anhänger des Nationalsozialismus gerichtet sein soll.

Der Perspektivwechsel zu Franz' Mutter verdeutlicht die Gefahr, in welche sich Franz nun begeben hat. Ihre Sorgen sind berechtigt und es lässt sich von einer Verhaftung ausgehen, da sie von ihrem Sohn nichts mehr gehört hat: »Wo ist mein Bub?« (244).

In der letzten Szene, in der Franz persönlich auftritt, bringt er eine Traumnotiz an das Schaufenster an, wodurch dieser eine besondere Bedeutung für den gesamten Roman verliehen wird. Daraus, dass Franz sich während seiner Verhaftung so ruhig und gefasst verhält, lässt sich schließen, dass er mit dieser bereits gerechnet hat. Er stellt sein Verantwortungsbewusstsein unter Beweis, da er sicher geht, die Trafik noch abzuschließen, bevor ihn die Männer mitnehmen. Ebenfalls zeigt er sich, entsprechend seiner neuen Persönlichkeit, mutig und selbstsicher.

Der dann folgende Zeitsprung legt nahe, dass sich die politische Lage weiter zugespitzt hat und Franz nicht in die Trafik zurückgekehrt ist. Dies wird ebenfalls am Zustand der Trafik deutlich: »Vom Rahmen der Eingangstür blätterte die Farbe, und die Auslagenscheibe war mit einer feinen Staubschicht bedeckt« (249). Der Hocker, welcher »wie ein totes Tier« (ebd.) in der Mitte des Raumes liegt, könnte auf die Tode von Trsnjek und Franz hinweisen. Anezka wirkt erschöpft und traurig. Ihr Gemütszustand und die Tatsache, dass sie die Trafik nach so vielen Jahren aufsucht, deuten darauf hin, dass Franz ihr etwas bedeutet hat: »Anezka legte ihre Hände und die Wange gegen die Scheibe und schloss die Augen« (ebd.). Sie bemerkt die Traumnotiz, von der die »untere Hälfte fehlte« (ebd.). Der abgerissene Zettel könnte für das abrupte Ableben von Franz Huchel stehen. Der Roman endet mit dem Bombenangriff auf Wien und demnach im übertragenen Sinne mit einem Knall.

Veröffentlicht am 13. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.