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Der Trafikant

Historischer Hintergrund und Epoche

Robert Seethalers Roman »Der Trafikant« stammt aus dem Jahr 2012 und lässt sich demnach der Epoche der Gegenwartsliteratur zuordnen. Da die Erzählung an wahre historische Ereignisse anknüpft, gehört sie zur Strömung der Erinnerungsliteratur. Seethaler geht nicht im Detail auf die historischen Hintergründe des damaligen Österreichs ein. Dennoch beeinflussen die politischen Ereignisse die Romanfiguren und ihre Handlungen maßgeblich. Deutlich wird der wachsende Einfluss des nationalsozialistischen Nachbars Deutschland.

Zu Beginn des Romans werden einzelne Aussagen über die unheilvollen Zeiten getätigt, mit der Zeit spiegeln sich antisemitische Überzeugungen auch auf der Handlungsebene wider. Ein zu nennendes Beispiel sind die Anschläge auf die Trafik. Diese Zuspitzung findet bereits vor dem deutschen Einmarsch statt, der die Lage weiter verschlimmert. Verdeutlicht wird dies durch den Selbstmord des »Roten Egon« (143), welcher als überzeugter Sozialist keinen anderen Ausweg als den Tod sieht. 

Die BürgerInnen Wiens, welche keinen Widerstand üben, verschließen die Augen vor den nationalsozialistischen Machenschaften (vgl. 238). Die Verfolgung Andersdenkender und Juden wird im Roman nicht konkret benannt, jedoch vermehrt angedeutet. Die Ereignisse im Hotel Metropol, der schwindende Wahrheitsgehalt in den Zeitungen, die Verhaftungen und geheimnisvollen Tode von Otto Trsnjek und Franz Huchel ebenso wie die Flucht Sigmund Freuds stehen stellvertretend für die Entwicklungen im damaligen Wien. 

Ein Blick in die Geschichte Österreichs verrät, dass der Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland sich alles andere als plötzlich ereignete. Nach Psota (2018) bildeten bereits seit den 1920er Jahren »Deutschnationalismus, Antisemitismus sowie die Rassen- und Erbbiologie das politisch-ideologische Fundament für eine radikale politische Machtübernahme« (Psota, S. 119). Am 11. März 1938 trat Österreichs Kanzler Kurt Schuschnigg als Reaktion auf eine Erpressung Hitlers zurück. Schuschnigg wurde vor die Entscheidung gestellt, seinen Rücktritt anzutreten oder eine Besetzung Österreichs zu riskieren. Auch dieses historische Ereignis wird im Roman, aus der Erzählperspektive des Roten Egon, kurz aufgegriffen und mit dessen Selbstmord untermauert (vgl. 143 f.). Bereits am nächsten Tag marschierten deutsche Truppen ein und Adolf Hitlers Wagen überquerte die Grenze. Statt mit Widerstand reagierte das österreichische Volk mit Beifall (Görtz, 2013, S. 1). Aus dem eigenständigen Österreich wurde die Ostmark des Deutschen Reiches. Diese Entscheidung traf jedoch nicht das Parlament, sondern das österreichische Volk selbst. Es ist anzunehmen, dass dieses Ergebnis mit Hilfe von Manipulation und entsprechender Propaganda erreicht werden konnte (ebd.).

Einen wichtigen Aufhänger für den Roman bildete Seethalers Interesse an Sigmund Freud. »Nicht nur, weil er als einer der Ersten die Bedeutung des Unbewussten erkannt und Pionierarbeit in der Erforschung der menschlichen Psyche geleistet hat, sondern auch, weil er in prekären Zeiten lebte« (Skorpil, 2012, S. 1). Seethaler traf in seinem Psychologiestudium auf die Theorie Freuds, die ihn ebenso wie die dahinterstehende Person inspirierte. Vor dem Hintergrund seines Romans wollte er Freud als literarische Figur aufgreifen und »ungewöhnliche Begegnungen zwischen gegensätzlichen Personen« (Otto, 2015, S. 1) erschaffen. 

Veröffentlicht am 13. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2023.