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Frühlings Erwachen

Rezeption und Kritik

Die Erstveröffentlichung des Werkes »Frühlings Erwachen« war im Jahre 1891. Bekanntheit erlangte das Stück jedoch erst durch die Uraufführung am 20.11.1906. Sie fand im Rahmen der Kammerspiele des Deutschen Theaters in Berlin unter der Regie von Max Reinhardt statt. In den ersten sechs Jahren durfte lediglich eine von den Behörden stark zensierte Form des Werkes gezeigt werden. Sexuelle Ausdrücke wurden herausgeschnitten und besonders anstößige Szenen gekürzt oder abgeändert. Leicht zu entfernen, da sie nicht zum Haupthandlungsstrang gehören und gleichzeitig als sehr anstößig empfunden werden können, waren die Szenen rund um Masturbation und Homosexualität. In diesem Zuge wurden auch diese herausgeschnitten. Das zensierte Exemplar erlangte in der Literaturbranche viel Anerkennung. Alfred Kerr, ein wichtiger Literaturkritiker der damaligen Zeit, kritisierte im Gegensatz zu anderen Kritikern der Branche die vielen Kürzungen, hob aber dennoch das Potenzial des Werkes hervor (vgl. Finck 2014).

Innerhalb der Wiener Erstaufführung im Deutschen Volkstheater 1908 stand Wedekind selbst in der Rolle des vermummten Mannes auf der Bühne. Wolfgang Quinke übernahm die Regie und lockte zahlreiche Besucher an. Einer der Besucher war Adolf Hitler, der das Stück als zu anstößig wahrnahm (vgl. Hamann 1998: 522). 

Abgesehen von Hitlers Kritik wurde die Darbietung von den Österreichern sehr positiv aufgenommen und als nahezu revolutionär eingestuft. Am 10.05.1908 schrieb das »Neue Wiener Journal«: »[...] eine der größten Dichtungen, neben der so vieles, was wir bisher als hochachtenswert, ja bedeutend anerkannt, in Abgrundtiefen niedersinkt« (Hay 1989: 386). Innerhalb des Magazins »Die Fackel« wurde »Frühlings Erwachen« für die gelungene und treffende Darstellung des jugendlichen Leidens gelobt (vgl. Kraus 1908). Es entwickelte sich eine Auffassung, die Wedekind für den Mut bewunderte, Unaussprechliches und doch so Menschliches zu Papier zu bringen und so einen Paradigmenwechsel zu ermöglichen. 

Die Einstufung des Werkes als »skandalös« erhöhte das Interesse und die Verkaufszahlen, wodurch sich immer mehr Menschen für die Themen des Stückes öffneten. Dennoch wurden immer wieder Aufführungen verboten (z. B. in München), bis das Preußische Oberverwaltungsgericht das Verbot 1912 vollständig aufhob. Dies war eine für das wilhelminische Zeitalter sehr fortschrittlich einzuordnende Entscheidung. Als »Frühlings Erwachen« es 1917 sogar auf die Bühnen der USA schaffte, wurde es dort von der Gesellschaft vollständig abgelehnt. Die erste originalgetreue Aufführung des Stückes fand 1924 in Dresden statt (vgl. Finck, 2014).

Noch heute hat »Frühlings Erwachen« ein Skandalpotenzial inne, obwohl es allseits als Klassiker der deutschen Literatur anerkannt ist. Über 100 Jahre später ist die Thematik keineswegs veraltet, sondern schafft es noch immer, die vulnerable Lebensphase des Jugendalters gefühlvoll darzustellen.

Veröffentlicht am 20. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023.