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Frühlings Erwachen

3. Akt Szene 5-7

Zusammenfassung

Die fünfte Szene spielt bei den Bergmanns. Wendla fühlt sich krank und der Arzt ist vor Ort. Er verschreibt ihr Pillen gegen Bleichsucht, eine Eisenmangel-Erkrankung. Nachdem der Arzt gegangen ist, äußert Wendla ihre Befürchtung, an etwas anderem, wie der Wassersucht, zu leiden. Bei dieser sammelt sich Flüssigkeit im Gewebe an.

Frau Bergmann hält zunächst daran fest, dass es sich um Bleichsucht handelt. Schließlich eröffnet sie ihrer Tochter, dass diese schwanger ist. Wendla kann es nicht glauben, da sie doch nicht verheiratet ist. Sie wirft der Mutter vor, ihr nicht alles gesagt zu haben, doch Frau Bergmann hätte niemals mit etwas Derartigem gerechnet. Sie betont, dass noch etwas unternommen werden kann.

Szene 6 schildert ein Gespräch zwischen Hänschen Rilow und Ernst Röbel während der Weinlese. Sie sinnieren über ihre Zukunft. Die beiden Jungen küssen sich und gestehen sich ihre Liebe. Ihre Zuneigung müssen sie jedoch vor der Außenwelt verstecken, denn Homosexualität ist verpönt.

Die letzte Szene der Kindertragödie spielt in einer hellen Novembernacht, in der Melchior über die Kirchhofmauer klettert. Er hofft, auf dem Friedhof nicht gefunden zu werden. Er bereut seine Flucht aus der Korrektionsanstalt. Verzweifelt spielt er mit dem Gedanken an Selbstmord.

Er entdeckt das Grab Wendlas. Auf ihrem Grabstein steht, dass sie an der Bleichsucht gestorben ist. Moritz Stiefel tritt mit seinem Kopf unter dem Arm zu ihm. Er versucht Melchior dazu zu verführen, mit ihm in den Tod zu gehen. Er schildert ein ansprechendes Jenseits.

Bevor Melchior einwilligen kann, tritt ein vermummter Mann auf. Er verrät nicht, wer er ist, und versucht, Moritz zu verscheuchen. Er unterstellt ihm, gelogen zu haben, und führt Melchior wieder in die Welt der Lebenden. Moritz gibt seine Lügen zu und sagt, dass er seinen Freund vermisst. Melchior geht mit dem vermummten Mann und verabschiedet sich von Moritz, der sich für den Versuch entschuldigt, Melchior zum Tod verführt haben zu wollen. Melchior verspricht, immer an ihn zu denken.

Analyse

In der fünften Szene des Aktes erfährt Wendla, dass sie schwanger ist. So werden die Folgen einer fehlenden Aufklärung verdeutlicht, die diese Schwangerschaft hätte verhindern können. Wendla geht aufgrund der fehlerhaften Aussagen ihrer Mutter davon aus, man könnte nur in einer Ehe schwanger werden: »Aber das ja nicht möglich, Mutter. Ich bin ja doch nicht verheiratet …!« (3,5).

Obwohl ihr eine Aufklärung von der Mutter verwehrt wurde, wird nun Wendla als Sündenbock dargestellt: »O warum hast du mir das getan!« (3,5). Die Schuld wird stets bei den Jugendlichen statt bei den Erwachsenen gesucht. Frau Bergmanns Wortwahl deutet darauf hin, dass sie eine Abtreibung plant, um das Ansehen der Familie zu wahren: »Wendla; lass uns auf Barmherzigkeit hoffen und das unsrige tun!« (3,5).

Die sechste Szene dient dazu, ein weiteres gesellschaftliches Tabuthema aufzugreifen, um das Ziel der Polarisierung durch das Theaterstück zu erreichen. Die Nebenfiguren Hänschen Rilow und Ernst Röbel stehen stellvertretend für junge Homosexuelle, die ihre sexuelle Orientierung in einem Gefängnis der Moral verstecken müssen.

In der letzten Szene des Stückes spielt schließlich auch Melchior an dem passenden Ort des Friedhofs mit Selbstmordgedanken. Er geht davon aus, im Tod endlich die ersehnte Freiheit zu finden, die er auch nach der Flucht aus der Korrektionsanstalt nicht erreicht zu haben scheint. Er entdeckt Wendlas Grab. Es lässt sich davon ausgehen, dass Wendla die Abtreibung nicht überlebt hat. Demnach wurde von ihrer Mutter durch das Eingehen dieses Risikos das Ansehen der Familie über das Leben ihrer Tochter gestellt.

Auch Moritz' Geist bestätigt, dass die bürgerliche Moral und damit einhergehend seine Eltern ihn in den Tod getrieben haben: »Meine Moral hat mich in den Tod gejagt. Um meiner lieben Eltern willen griff ich zum Mordgewehr« (3,7). Das Ende, in dem sich die beiden Jungen liebevoll voneinander verabschieden und Melchior sich durch die Hilfe des vermummten Mannes für das Leben entscheidet, kann als Hoffnungsschimmer interpretiert werden.

Der vermummte Mann steht metaphorisch für das Leben, Moritz hingegen für den Tod. Gleichzeitig könnte der vermummte und damit mysteriöse Mann für den Autor selbst stehen (siehe Figuren). Er hinterfragt die Spießbürgermoral der Gesellschaft mit dem Ziel, die Jugendlichen zurück ins Leben zu führen.

Die Gesellschaft könnte zukünftig von Melchior und seinem kritischen Geist profitieren. Es lässt sich deuten, dass Melchior im Gegensatz zu Moritz und Wendla nicht an den gesellschaftlichen Zwängen zu Grunde geht, sondern sich ihnen stellt.

Veröffentlicht am 20. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023.