Skip to main content

Frühlings Erwachen

2. Akt, Szene 3-5

Zusammenfassung

Die dritte Szene fokussiert einen Schulfreund von Melchior und Moritz. Hänschen Rilow schließt sich auf der Toilette ein, um sich selbst zu befriedigen.

Währenddessen betrachtete er eine Reproduktion der »Venus« von Palma Vecchio und führt einen Monolog über die Erregung, die ihm das Bild verschafft. Auffällig ist, dass Hänschen sich selbst während der Masturbation nicht von seinem Bildungsvokabular lösen kann. Am Ende lässt er das Bild in die Toilette fallen.

In der vierten Szene liegt Melchior auf einem Heuboden und Wendla tritt zu ihm. Melchior wird gesucht, da seine Hilfe benötigt wird. Auf Wendla reagiert er abweisend und will sie verscheuchen. Die beiden kommen sich näher. Wendla möchte einen Kuss abwehren, da ein Kuss Liebe bedeutet. Melchior wiederum leugnet die Existenz von Liebe. Gegen Wendlas Willen kommt Melchior ihr immer näher, bis es zum Geschlechtsverkehr kommt.

Die fünfte Szene gibt einen Brief von Melchiors Mutter wieder. Es handelt sich um einen Antwortbrief an Moritz. Es lässt sich entnehmen, dass Moritz sie in seinem Brief um finanzielle Unterstützung gebeten hat, um aus Verzweiflung nach Amerika flüchten zu können.

Frau Gabor erwidert, ihn nicht finanziell unterstützen zu können. Sie bietet an, bei Moritz' Eltern ein gutes Wort für ihn einzulegen. Gleichzeitig zeigt sie sich befremdet, weil Moritz versucht, sie mit einer Selbstmordankündigung zu erpressen. Sie hofft, dass seine Worte unbedacht waren und er inzwischen wieder stabil ist. Krisen dieser Art gehören ihrer Ansicht nach zum Leben dazu.

Analyse

Die dritte Szene wirkt aus dem Kontext gerissen. Einzig die Nebenfigur Hänschen Rilow steht im Fokus, vertritt jedoch stellvertretend seine Altersgenossen. Die Szene verdeutlicht stattfindende pubertäre Veränderungen und die Entwicklung eines Geschlechtstriebs.

Darüber hinaus wird erneut ein Hinterfragen der Moral des Christentums angedeutet. »Hast du heute Nacht gebetet, Desdemona? Das Herz krampft sich zusammen - - Unsinn! - Auch die heilige Agnes starb um ihrer Zurückhaltung willen und war nicht halb so nackt wie du!« (2,3).

Obwohl es nicht konkret erwähnt wird, lässt sich auch in Hinblick auf die Szenen des dritten Aktes interpretieren, dass es in der vierten Szene zu einem Geschlechtsakt zwischen Melchior und Wendla kommt. Wendla ist aufgrund der lückenhaften Aufklärung durch ihre Mutter verwirrt. Sie denkt, dass eine Schwangerschaft durch Liebe zustande kommt, weshalb sie sagt: »Nicht küssen, Melchior! […] Man liebt sich – wenn man sich küsst - - - - - Nicht, nicht!« (2,4).

Eine weitere mögliche Interpretation ist, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt, da Wendla Melchior wiederholt dazu auffordert, nicht weiter zu gehen. Darüber hinaus wird erneut Melchiors pessimistische Weltsicht und seine Abkehr vom Glauben thematisiert: »O glaub' mir, es gibt keine Liebe! - Alles Eigennutz, Alles Egoismus! - Ich liebe dich so wenig, wie du mich liebst« (2,4).

Szene 5 bietet einen Einblick in das Ausmaß der Verzweiflung von Moritz Stiefel. Innerhalb des Briefes von Frau Gabor wird deutlich, dass Moritz zum zweiten Mal den eigenen Suizid angekündigt hat. Weiterhin ist sein Leidensdruck so hoch, dass er es in seinem eigenen Leben nicht mehr aushält und nach Amerika flüchten möchte. Dieser Plan untermauert die Ausweglosigkeit, der sich der Protagonist gegenübersieht. Er fühlt sich von den Erwartungen von Eltern und Schule eingesperrt, weshalb er fliehen möchte: entweder in ein anderes Land oder bei fehlender finanzieller Unterstützung vollständig aus dem Leben.

Der Brief von Frau Gabor zeigt eine ambivalente Beziehung und Einstellung zu Moritz. Auf der einen Seite ist sie ihm zugetan und befürwortet die Freundschaft mit ihrem Sohn: »Es wird mir stets zur Freude gereichen meinen Sohn mit einem jungen Manne umgeh'n zu sehen, der sich, mag ihn die Welt beurteilen wie sie will, auch meine vollste Sympathie zu gewinnen vermochte« (2,5). Auf der anderen Seite fühlt sie sich erpresst und heißt Moritz' Verhalten nicht gut: »Dass Sie mir andeutungsweise drohen, im Fall Ihnen die Flucht nicht ermöglicht wird, sich das Leben nehmen zu wollen, hat mich offen gesagt, Herr Stiefel, etwas befremdet« (2,5).

Veröffentlicht am 20. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023.