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Frühlings Erwachen

1. Akt, Szene 1-2

Zusammenfassung

Das Drama beginnt mit dem 14. Geburtstag der Figur Wendla Bergmann. Ihre Mutter hat zu diesem Anlass ihr Kleid verlängert. Wendla gefällt das neue Kleid jedoch überhaupt nicht. Frau Bergmann erklärt, dass Wendla immer größer wird und sie daher die Kleider verlängern muss. Wendla ist der Meinung, dass ihr ihr Prinzessinnenkleid besser steht. Sie bettelt, dass sie es noch ein Mal tragen darf und das lange Kleid erst zu ihrem nächsten Geburtstag.

Es entwickelt sich ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter über das Erwachsenwerden der Tochter. Frau Bergmann würde ihre Tochter gerne so behalten, wie sie gerade ist, und fragt sich, wie sie sich entwickeln wird. Wendla deutet an, in Zukunft vielleicht nicht mehr da zu sein. Frau Bergmann reagiert geschockt und küsst ihre Tochter. Wendla versucht, sie zu beruhigen, und erklärt, dass solche Gedanken sie abends im Bett heimsuchen. Ihre Mutter stimmt zu, dass sie das Prinzessinnenkleid tragen darf.

Die zweite Szene spielt an einem Sonntagabend. Die Schulkameraden Melchior, Moritz, Otto, Georg, Ernst und Robert veranstalten einen Spieleabend. Die Jungen beklagen den Umfang ihrer Schulaufgaben.

Wegen der vielen Aufgaben brechen nur die Figuren Melchior Gabor und Moritz Stiefel zu einem Spaziergang auf. Moritz stellt die Gründe in Frage, die Schule zu besuchen. Das Gespräch entwickelt sich über den Aberglauben bis hin zu Fragen der Geschlechtlichkeit. Die Jungen überlegen, wie anders sie die Erziehung eigener Kinder gestalten würden, um ihnen ein angenehmeres Aufwachsen mit weniger Schamgefühlen zu ermöglichen.

Das Gespräch wird zunehmend persönlicher und konzentriert sich schließlich auf die erste Erektion und feuchte Träume. Moritz zeigt sich geschockt von den Veränderungen seines Körpers. Er geht davon aus, seinen Eltern ein schlechter Sohn zu sein.

Die Jungen fragen sich, wie eine Schwangerschaft zustande kommt. Moritz beklagt sich über unangemessene Gedanken, die ihn immer heimsuchen, wenn er mit einem Mädchen spricht. Melchior will sein Wissen aus Büchern, Bildern und Beobachtungen weitergeben. Durch diese wurde er zu einem Atheisten. Moritz bittet ihn, ihm aufgrund seines ausgeprägten Schamgefühls noch nichts zu verraten. Er möchte die Erklärung lieber in schriftlicher Form erhalten.

Zuletzt sprechen die Jungen darüber, ob sie schon ein Mädchen nackt gesehen haben. Beide bejahen. Schließlich verabschiedet sich Moritz, um seine Schularbeiten zu machen.

Analyse

Es lässt sich interpretieren, dass Frau Bergmann einen Beweggrund für die Verlängerung von Wendlas Kleid hat, den sie nicht ausspricht. Ihre wahre Intention ist es, die Tochter und ihren sich entwickelnden Körper vor lustvollen, männlichen Blicken zu schützen. Die Verlängerung des Kleides begründet sie zunächst einzig mit Wendlas Alter: »Du wirst vierzehn Jahr heut!«(1,1).

Wendlas Ausdrucksweise und ihre Grübeleien deuten darauf hin, dass sie sich in der Pubertät befindet und mit hormonellen Veränderungen zu kämpfen hat: »Sie kommen mir des Abends, wenn ich nicht einschlafe« (1,1).

Gedanken an den eigenen Tod sind demnach bereits in der ersten Szene des Stückes zentral: »Wer weiß - vielleicht werde ich nicht mehr sein« (1,1). Diese Aussage Wendlas ermöglicht einen Blick in die Düsternis ihrer Gedanken. Der eigene Tod wird als realistische Option betrachtet, die in naher Zukunft eintreten könnte. Frau Bergmann reagiert schockiert auf die Aussage Wendlas. Sie küsst sie: »Mein einziges Herzblatt« (1,1), wodurch ihre tiefe Zuneigung zu der Tochter deutlich wird.

Das Gespräch zwischen Melchior und Moritz enthält eine versteckte Kritik an der Erziehung ihrer eigenen Eltern: »Glaubst du nicht auch, Melchior, dass das Schamgefühl im Menschen nur ein Produkt seiner Erziehung ist?« (1,2). Sie philosophieren darüber, wie sie es anders bzw. besser machen könnten, um ihren eigenen Kindern ein befreiteres Leben ohne Schamgefühle zu ermöglichen: »Mir ist, sie müssten, wenn sie so heranwachsen, später ruhiger sein, als wir es in der Regel sind« (1,2).

Das Gespräch entwickelt sich zu geschlechtlichen Themen, welche die pubertären Entwicklungen der Protagonisten untermauern. Die beiden Figuren stellen einen deutlichen Kontrast zueinander dar. Melchior zeigt sich offener und informierter, was paradox erscheint, da er jünger als Moritz ist. In Hinblick auf die erste Erektion sagt er: »Ich war seinerzeit mehr oder weniger drauf gefasst gewesen. Ich schämte mich ein wenig. - Das war aber auch alles« (1,2). Moritz hingegen hatte »Todesangst« (1,2).

Melchior bietet an, seinen unwissenden Freund aufzuklären, was Moritz aufgrund seines Schamgefühls und der vielen Schulaufgaben ablehnt. Es lässt sich interpretieren, dass Moritz eine strengere Erziehung genießt, da die Figuren selbst die Erziehung mit einem ausgeprägten Schamgefühl in Verbindung setzen.

Veröffentlicht am 20. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023.