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Corpus Delicti

Sprache und Stil

In »Corpus Delicti« überwiegt die Alltagssprache. Dialoge stehen dabei im Vordergrund, was auf die ursprüngliche Dramenfassung zurückzuführen ist. Sogar Mias innerer Prozess findet im verbalen Austausch mit der »idealen Geliebten« statt. Bei der Betrachtung der Syntax lässt sich ein vorwiegend parataktischer Satzbau erkennen. Darunter versteht man die Aneinanderreihung von Hauptsätzen, beziehungsweise von gleichrangigen Sätzen. Dieser kreiert einen einfachen, aber konkreten Stil. Unvollständige Sätze, Umgangssprache und fäkalsprachliche Wendungen dienen dem Ausdruck von Emotionen und veranschaulichen die Charaktere der Figuren. Dies lässt sich insbesondere im Kapitel »Keine Güteverhandlung« finden, zum Beispiel mit der Aussage der Richterin Sophie: »Wollen Sie mich eigentlich verarschen?« (66), die zeigt, dass ihre Geduld am Ende ist.

Auffallend sind die zahlreichen juristischen und medizinischen Fachbegriffe, die der Thematik geschuldet sind. Schon der Titel »Corpus Delicti« beschreibt als Fachterminus ein Beweisstück vor Gericht, das der Überführung eines Täters dient und lässt sich mit »Körper des Verbrechens« übersetzen. Der Untertitel »Ein Prozess« weist ebenfalls auf den juristisch geprägten Inhalt hin. Fiktive Ideologeme machen das System der METHODE zu einer greifbaren Konstruktion. Die Wortwahl von »WAS ALLE DENKEN« als Titel einer Fernsehshow oder »Methodenschutz« als Name für den Geheimdienst lassen diese alltäglich werden und unterstützen den ideologischen Charakter.

Trotz weniger Stilmittel lehnt sich die Sprache im Werk an Kunstsprache an. Ein vorwiegendes rhetorisches Mittel ist die Anapher (Wiederholung von einem oder mehreren Wörtern am Satzanfang), die besonders in Mias Pamphlet mit der Redewendung: »Ich entziehe [...] das Vertrauen« (186f.) eine einprägsame Wirkung hervorruft. Weiterhin dienen Metaphern wie »Das Menschliche ist ein nachtschwarzer Raum« (40) und Vergleiche wie Mias Beispiel mit einer Bohnendose (vgl. 49) zur Verbildlichung von Gefühlen und Überzeugungen.

Auch die Namen der Figuren sind bewusst gewählt und lehnen an historische Vorbilder an. Dazu diente der Dominikaner Mönch Heinrich Kramer, ein Verfechter der Hexenverfolgung. Ihm gegenüber steht Maria Holl, die als Hexe gefoltert und schließlich freigesprochen wurde und somit Mia als Namensvetterin dient (Leis und Alan, 23). Die Alliteration in den Namen der Geschwister Mia und Moritz ist ein Ausdruck ihrer Verbundenheit.

Der Erzähler ist nicht Teil der erzählten Welt und damit heterodiegetisch. Außerdem kann er als extradiegetisch angesehen werden, indem er die äußere Rahmenhandlung erzählt und kein weiterer Erzähler eingeführt wird. Die Erzählperspektive ist nicht einheitlich. Da der Erzähler auffallend nah bei Mia ist, kann man in diesen Passagen von einem personalen Erzähler sprechen. Die Wiedergabe von fiktiven Texten kreieren allerdings eine neutrale Perspektive und damit eine neutrale Fokalisierung. Am Beispiel der Richterin Sophie, deren beruflicher Untergang bei dem Zugeständnis zu Rosentreters Recherchen vorausgesagt wird (vgl. 162), tritt ein auktorialer, also allwissender Erzähler auf. Auch direkte Hinweise auf die Vergangenheit unterstützen diese Erzählform: »Wählen wir für ein paar Minuten die Vergangenheitsform« (60). Teilweise ist der Erzähler allerdings unzuverlässig und stellt selbst Vermutungen an: »Mia [...] denkt an - was? Gehen wir der Einfachheit halber davon aus, dass sie an Moritz denkt« (79). Die Autorin hat sich bewusst dazu entschieden, da die Wahrnehmung der Welt auf subjektiver statt allgemeingültigen Perspektiven beruht (Möbius, 83).

Mit Hilfe der Montagetechnik werden andere Textgattungen in Form von fiktiven Zeitungskommentaren oder Urteilsverkündungen in die Handlung eingebettet und ermöglichen somit verschiedene Perspektiven auf das Handlungsgeschehen. Die narrative Struktur entspricht dem Episodenstil. Den Hauptteil des Romans bildet der Rückblick als Hinführung zum vorweggenommenen Urteil. Analepsen zu Mias und Moritz’ Vergangenheit werden als Einschübe dazwischen geschoben.

Veröffentlicht am 7. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 7. April 2023.