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Corpus Delicti

Historischer Hintergrund und Epoche

»Corpus Delicti« ist eine Dystopie im Genre der Science-Fiction-Romane und zählt zur Gegenwartsliteratur. Im Werk rücken Gesundheit und die Fokussierung auf die optimale Funktion des Körpers in den Mittelpunkt. Der sogenannte Körperkult lässt sich bereits bis in die Moderne zurückführen. Als sich in dieser Epoche von Idealen der christlichen Religion befreit wurde, vor allem durch den Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900), begann die Suche nach einer sinnhaften Ausrichtung, die das verlorene Ideal ersetzen könnte. Nietzsche fand diese in der Kunst. Doch auch der menschliche Körper wurde zum Orientierungspunkt und Sinngeber. In der heutigen Gesellschaft ist der Fokus auf einen gesunden und leistungsfähigen Körper ebenfalls allgegenwärtig (Leis und Alan, 60ff.).

Anhand der »Zentralen Partnervermittlung« in »Corpus Delicti« lassen sich Parallelen zum Philosophen Platon und seinem Werk »Der Staat« ziehen. In diesem werden die Paare vom Staat bestimmt, um das perfekte Erbmaterial weiterzugeben. Auch während der NS-Zeit folgten die »Nürnberger Rassengesetze« »der perversen Idee, [der] Hervorbringung einer Gesellschaft mit vermeintlich guten Erbanlagen« (Leis und Alan, 68). In einem Interview mit Kathrin Hondl äußerte sich Juli Zeh ebenfalls zum NS-Regime, das die Bevölkerung mit Ausdrücken wie »Volksgesundheit« und »Rassenbegriff« prägte (Hondl, online).

Für die Autorin bildete jedoch der Terroranschlag vom 11.09.2001 den Auslöser, sich mit den Themen Überwachungsstaat und Folter auseinanderzusetzen. Zudem las sie danach den bereits 1949 veröffentlichten Science-Fiction-Roman »1984« von George Orwell. Dieser thematisiert ein staatliches System, in dem eine komplette Überwachung und keine Privatsphäre herrscht. In »1984« scheitert der Protagonist an seinem Vorhaben, sich gegen das System aufzulehnen und wird folglich Folter und einer Gehirnwäsche unterzogen.

Neben den Eindrücken aus literarischen Texten trug auch das politische Zeitgeschehen zu Zehs Motivation bei. Die Gegenwärtigkeit von Folter in Gefangenenlagern wie Guantanamo schockierten sie (Möbius, 25). Zeh beobachtete die deutliche Zunahme von Kontrollen und Digitalisierung. Dazu gehören Videoüberwachung und das Sammeln von Daten bei jeglichen Online-Aktivitäten (ebd., 16).

Basierend auf diesen Hintergründen wurde das Theaterstück »Corpus Delicti« am 15.09.2007 im Rahmen der Ruhrtriennale in Essen uraufgeführt. 2009 erschien ihr darauf basierender Roman mit einer klaren politischen Botschaft: die Warnung vor der schleichenden Entwicklung zu einem Überwachungsstaat und die damit verbundene Aufforderung, immer wieder Distanz zu schaffen und das Geschehene kritisch zu hinterfragen (Möbius, 27).

Veröffentlicht am 7. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 7. April 2023.