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Draußen vor der Tür

Historischer Hintergrund und Epoche

Am 08. Mai 1945 kam es zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, was das Ende des Zweiten Weltkrieges auf europäischem Boden einläutete. Das bedeutete auch ein Ende des Faschismus und eröffnete die Suche nach neuen Strukturen.

Deutschland litt unter den Folgen des Krieges. Die Bevölkerung hatte bereits den Ersten Weltkrieg (1914-1918) sowie die darauffolgende Inflation, Weltwirtschaftskrise und schließlich die Machtergreifung und den Terror der Nationalsozialisten bis zu deren Untergang zu verkraften. (Poppe [2003], 12) Es folgte die Aufteilung in vier Besatzungszonen. Wolfgang Borchert floh auf dem Weg in französische Gefangenschaft und kehrte am 10. Mai 1945 in seine zerstörte Heimatstadt Hamburg zurück, die von britischen Truppen besetzt wurde.

Die Zeit war geprägt von Notstand, Leid, Verlusten, Existenzangst und Orientierungslosigkeit. Doch trotz oder vielleicht sogar aufgrund der Verzweiflung, Arbeitslosigkeit und dem Zusammenbruch von Industrie und Transport wuchs in der zerrütteten Gesellschaft die Sehnsucht nach Kultur und Kunst. (Bernhardt, 16)
In die Lücke, die geflohene oder verstummte Autor*innen hinterlassen hatten, traten neue und jüngere Vertreter. Zu diesen zählte auch Wolfgang Borchert, der, 1921 geboren, sein bewusstes Leben hauptsächlich in Faschismus und Krieg verbracht hatte. Sein Werk ist davon stark beeinflusst.

Daher wurde er auch zur Gruppe 47 eingeladen, welche die Literatur zukünftig bestimmen sollte. Aufgrund seines frühen Todes konnte er allerdings nicht mehr daran teilnehmen. Die Gruppe sprach Männer und Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren an, die zu jung waren, um für die Folgen des Nationalsozialismus zur Verantwortung gezogen zu werden, sich aber von der nachfolgenden Generation durch den Einsatz an der Front abgrenzten. Beckmann in »Draußen vor der Tür« entspricht ebenfalls dieser Generation, was im Werk zur Auseinandersetzung mit dem Oberst führt.

Beckmann weist noch weitere Parallelen zu Borchert auf. Dazu zählen die Ablehnung des Nazi-Regimes, der Einsatz an der Front, Gefangenschaft (aus der Borchert jedoch fliehen konnte), die Heimkehr nach Hamburg und der Kontakt zu Kabarett und Theater.

Borchert schrieb das Drama im Spätherbst 1946 innerhalb einer Woche. Seine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse machen die Hauptquelle aus. Dennoch handelt es sich nicht um eine Autobiografie. Sein gesammeltes künstlerisches und literarisches Wissen floss in die Verarbeitung mit ein.

Borchert rezensierte den Roman »Stalingrad« von Theodor Plievier. Dabei sprach er vor allem von Chaos, das als solches versprachlicht werden müsse. Alles andere wäre eine Lüge. Borchert verlangte die Wiedergabe »nackt, wirr, sinnlos, formlos, wahrhaftig« (ebd., 27), Attribute, die auf Sprache und Stil von »Draußen vor der Tür« zutreffen. Sein hohes literarisches Interesse für zum Beispiel Shakespeare, Rilke und Schiller beeinflusste sein Schaffen. Auch für den Bildhauer und Schriftsteller Ernst Barlach hegte er Faszination, dessen Werk sich zwischen Realismus und Expressionismus einordnen lässt.

Wolfgang Borchert bekannte sich selbst zum Expressionismus. Themen der Einsamkeit und des »beschädigten Menschen« standen für ihn im Fokus. (ebd., 28) Es zeigen sich Ähnlichkeiten mit der Tragödie »Hinkemann« von Ernst Tolle von 1921/22 in der Thematisierung des körperlich und seelisch zugerichteten Kriegsheimkehrers.

Auch zu Georg Büchners »Woyzeck« lassen sich verschiedene Parallelen finden, zum Beispiel in der Fremdbestimmung durch übergeordnete Mächte sowie den formalen Aufbau als Stationendrama. Borchert hatte sich bereits in seiner Schauspielausbildung mit Büchner befasst. Die Parallelen beruhen allerdings nicht auf Abhängigkeit oder Beziehungen, sondern sind vielmehr eine Folge ähnlicher sozialer Strukturen und Erlebnisse.

Borchert hegte ebenfalls ein Interesse für romantische Literatur, von der er sich jedoch 1940 abwandte. Überreste zeigen sich trotzdem im Drama, allerdings mit Verzicht auf Gefühlsregungen, wie die Beschreibung des Liebespaares im Vorspiel. (ebd., 30).

Bedeutender ist die Anlehnung an Goethes »Faust I.« im Aufbau des Dramenanfangs. Der Andere zeigt Ähnlichkeiten mit Mephisto, das Mädchen mit Gretchen. Allerdings ist sie es, die Beckmann verführen will und letztendlich verlässt. »Draußen vor der Tür« wird als kritische Auseinandersetzung und sogar als Gegenentwurf zu Goethes »Faust« betrachtet. (ebd., 8, 57f.)

»Draußen vor der Tür« zählt zur Nachkriegsliteratur, insbesondere der Heimkehrerliteratur, die unmittelbar nach 1945 in deutschen Besatzungszonen erschien. Borchert schrieb das Werk ursprünglich unter dem Titel »Ein Mann kommt nach Deutschland«, was diese Thematik ebenfalls umfasst und als Phrase besonders am Anfang und Ende des Dramas wiederholt auftaucht. Des Weiteren widmete er es dem deutschen Schauspieler Hans Quest, nachdem dieser Beckmann in der Hörspielfassung sprach. Anschließend spielte Quest Beckmann auch in der Uraufführung. Die Rolle brachte seinen Durchbruch und Quest betrachtete sie in Borcherts Sinne »lebenslang als Verpflichtung« (ebd., 96).

Am 13.02.1947 wurde die Hörspielfassung des Werks erstmals gesendet. Einen Tag nach Borcherts Tod erfolgte die Uraufführung am 21.11.1947 in Hamburg, die der Autor intensiv vorbereitete.

Veröffentlicht am 28. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. September 2023.