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Draußen vor der Tür

Rezeption und Kritik

Obwohl »Draußen vor der Tür« für die Bühne geschrieben wurde, kam es zunächst zur Ausstrahlung einer Hörspielfassung. Deren erste Übertragung im Februar 1947 verpasste Borchert wegen eines Stromausfalls. Allerdings hörte er von der sowohl positiven als auch breitgefächerten Kritik, die ihn zu einem bekannten Schriftsteller machte.

Der Rundfunk war aufgrund der Papierknappheit zu dieser Zeit ein wichtiges Medium, um Literatur an die Menschen heranzutragen. Die Theater nahmen nur langsam ihre Produktionen wieder auf. (Bernhardt, 95)

Im Spiegel hieß es 1947: »Hier ist der tastende Versuch, ein ungeheures Erleben in dichterische Form zu kleiden.« (Poppe [2003], 68) Allerdings gab es auch ablehnende Kritik wie von Friedrich Luft: »Von einer vorrückenden, gedanklich fördernden Handlung ist hier keine Rede.« (ebd., 69)

Nachdem das Stück vom Hamburger Rowohlt Verlag herausgebracht wurde, erhielt Borchert Anfragen von weiteren Verlagen. Er befasste sich währenddessen intensiv und detailreich mit der Bühneninszenierung. Die Uraufführung in den Hamburger Kammerspielen erlebte Borchert nicht mehr.

Hans Quest spielte die Hauptrolle, nachdem er Beckmann bereits in der Hörspielfassung gesprochen hatte, woraufhin Borchert ihm das Stück widmete. Mit der Inszenierung wiederholte sich der Erfolg der Hörspielfassung. Viele Dramen der Nachkriegszeit hatten nur eine kurze Wirkung. »Draußen vor der Tür« machte eine Ausnahme und wurde mit 36 Inszenierungen in der Zeit von 1947 bis 1949 zum bedeutendsten Theaterereignis in Westdeutschland. (Bernhardt, 94f.) Dennoch gab es gespaltene Meinungen. Sowohl Wolfgang Borcherts Mutter als auch der Rundfunk erhielten zahlreiche Briefe, die halb Zustimmung, halb Ablehnung bekundeten.

Im geteilten Deutschland kam es zu einer Spielpause. Allerdings wurde das Drama durch die Kriegsdienstverweigerer ab 1960 wieder präsent und auch 1970 verstärkt thematisiert. Grund war die Infragestellung der ausreichenden Aufarbeitung des Naziregimes. (ebd., 98)

Die marxistische Literaturkritik bemängelte fehlende soziale Einsichten. Allerdings gab es darunter auch andere Stimmen, wie die des kommunistischen Dramatikers Friedrich Wolf, welcher die Qualität des Dramas schätzte. (Bernhardt, 100)

Karl S. Guthke rückte das Werk von einer tragischen in eine tragikomische Handlung, wodurch es in seinen Augen eine neue Dimension gewinnt. Auf diese wird in der Lektürehilfe bereits unter dem Abschnitt Aufbau des Werkes eingegangen. Guthke bleibt in seiner These jedoch sehr allgemein und bezieht sich nicht auf Beckmanns direkte Schuldfrage. Andere Stimmen sehen in einer ironischen Betrachtungsweise die Gefahr, die Ernsthaftigkeit und Absicht des Autors zu missachten. (ebd., 99f.)

Im Laufe der Jahrzehnte rückte der Zeitbezug zum Zweiten Weltkrieg in den Hintergrund. Andere Probleme beschäftigten die Gesellschaft und auch Beckmann wurde neu interpretiert. Dennoch trifft »Draußen vor der Tür« die Aufmerksamkeit insbesondere junger Leute und bleibt weiterhin aktuell. Das liegt einerseits an den nicht endenden Kriegsszenarien weltweit, andererseits an der Fragestellung Beckmanns zum Leben in einer menschenwürdigen Gesellschaft. Diese kann aus dem zeitlichen Kontext herausgelöst und in einzelnen Aspekten betrachtet werden: Welche Rolle spielen Gott, Liebe, Moral und gewisse Werte in der Gesellschaft? Auch die Fragen nach Schuld, Vergebung und Verantwortungen können diskutiert werden. Daher ist es nachvollziehbar, dass junge Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft suchen und sich diese Fragen stellen, von dem Werk angesprochen werden. (Poppe [2003], 67) Winfried Freund beschreibt das Drama als »ein Stück Gegenwartsliteratur, die an die Stelle spekulativer Ideale die Erfahrung des Mangels setzt.« (ebd., 68)

Nach seinem Erscheinen feierte »Draußen vor der Tür« auch raschen Erfolg im Ausland, so zum Beispiel in Dänemark, Schweden, Frankreich und England, aber auch außerhalb Europas wie in den USA und Japan. Insgesamt wurde das Werk in 40 Sprachen übersetzt.

Bis zum Anfang der 1970er Jahre wurden bereits 1 Million Taschenbücher verkauft, eine Zahl, die sich bis 1990 nochmals verdoppelte. 1948 kam es zu einer Verfilmung unter dem Titel »Liebe 47«, wofür Wolfgang Liebeneiner das Drehbuch schrieb und Regie führte. Die Umsetzung mit einer weiblichen Gegenfigur als Anderer erntete gespaltene Rezensionen. 

1974 folgte eine Oper von Geza Fedor und 1995/96 eine Musikkomposition für ein Ballett von Ulrich Schultheiss.

Außerdem widmete man sich der Thematik in Sonderveranstaltungen wie zum Beispiel der Borchert-Woche 1987 in Hamburg. Dabei wurden Lesungen und Gesprächsrunden gehalten sowie Filme und die Hörspielfassung des Stücks vorgeführt. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde 2021 eine ähnliche Festwoche geplant. Zwischen 2000 und 2010 wurde das Theaterstück insgesamt 35 Mal inszeniert. Beckmanns Suche und Frage bleibt in einer Welt, in der nach wie vor Kriege toben, aktuell und tragisch.

Veröffentlicht am 28. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. September 2023.