Wolfgang Borcherts Drama »Draußen vor der Tür« handelt von der existenziellen Not des jungen Kriegsheimkehrers Beckmann. Aufgewachsen im nationalsozialistischen Deutschland und nach Jahren an der Front hat der fünfundzwanzigjährige Protagonist nichts, an das er nach dem Krieg anknüpfen könnte. Er leidet unter seiner Schuld und fühlt sich von der Gesellschaft, die nichts mehr vom Krieg wissen will, ausgeschlossen. Das Stück spielt in Hamburg nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Uraufführung fand am 21. November 1947 statt, einen Tag nach dem Tod des Autors.
Vorspiel
Ein Beerdigungsunternehmer steht abends an der Elbe und beobachtet einen Soldaten, der dabei ist in den Fluss zu springen. Ein alter Mann erscheint und weint um diesen und die vielen anderen Selbstmörder. Er gibt sich als Gott zu erkennen, an den leider niemand mehr glaube. Es sei der Tod in Gestalt des Beerdigungsunternehmer, an den die Menschen glauben, den sie lieben und fürchten. Der Tod bestätigt, dass die Zeiten für ihn günstig seien.
Der Traum
Es ist der aus dem Krieg heimgekehrte Unteroffizier Beckmann, der bei den Landungsbrücken in die Elbe gesprungen ist. Im Traum spricht die Elbe als alte Frau zu ihm. Beckmann erklärt ihr, er könne das Hungern, seine Kriegsverletzung und die Untreue seiner Frau nicht länger ertragen. Die Elbe aber will ihn nicht aufnehmen. Seine Gründe für den Selbstmord lässt sie nicht gelten. Sie fordert ihn auf, sich seinen Platz im Leben zu erkämpfen und wirft ihn in Blankenese an den Strand.
1. Szene
Am Strand in Blankenese begegnet der durchnässte Beckmann einem Fremden, der von sich behauptet »der Andere« zu sein. Er beschreibt sich als Wesen mit tausend Gesichtern, als Gegengestalt zu Beckmann, die dieser nie loswerden könne. Er sei der Optimist, der an den Bösen das Gute entdecke, der Jasager, wenn Beckmann nein sage. Beckmann stellt sich dem Anderen mit seinem Nachnamen vor. Sein Vorname sei ihm am Abend zuvor abhanden gekommen, als seine Frau ihn nach drei Jahren der Trennung mit Beckmann angesprochen habe. Ein Mädchen erscheint und hat Mitleid mit Beckmann. Sie nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Der Andere bleibt zurück und philosophiert über das seltsame Verhalten der Menschen: Eben noch lebensmüde reiche die Aussicht auf das Zusammensein mit einer Frau, um Beckmann neuen Lebenswillen einzuhauchen.
2. Szene
Bei sich zu Hause amüsiert sich das Mädchen über Beckmanns Gasmaskenbrille, die er dringend braucht, um sehen zu können. Das Mädchen nimmt ihm die Brille weg und nötigt ihm die Kleidung ihres in Stalingrad vermissten Mannes auf. Beckmann will die zu weiten Kleider des fremden Mannes nicht und verlangt seine nassen Sachen und seine Brille zurück. Unterdessen hat sich ein riesenhafter einbeiniger Mann genähert. Beckmann erschrickt. Als der Einbeinige Beckmann sieht, wiederholt er leise und mit großem Vorwurf immer wieder dessen Namen.
Beckmann flüchtet aus dem Haus. Er hat in dem Einbeinigen den Obergefreiten Bauer erkannt, der ein Bein verloren hatte, als er einen Befehl von Beckmanns ausführte. Auf der Straße wird Beckmann von dem Anderen angehalten. Beckmann spricht mehr zu sich selbst als zu ihm und fragt, wie er mit seiner Schuld weiterleben solle. In Beckmanns Hoffnungslosigkeit hinein macht der Andere den Vorschlag, einen Mann zu besuchen, an den Beckmann die Verantwortung für seine Taten weitergeben kann. Eifrig stimmt Beckmann zu.
3. Szene
Beckmann kommt zu seinem früheren Oberst und stört ihn und seine Familie beim Abendessen. Mit seiner Gasmaskenbrille, dem Bürstenhaarschnitt und in Uniform wirkt Beckmann befremdlich; seine Reden verstören die Familie. Voller Sarkasmus beschreibt Beckmann, wie die Menschen sich nach dem Krieg in ihrem bescheidenen Wohlstand und ihrer eigenen Wahrheit einrichten. Freundlich und väterlich überlegen hört der Oberst zu, als Beckmann den Traum schildert, der ihn jede Nacht hochfahren und nicht wieder einschlafen lässt.
Darin spielt ein fetter und blutüberströmter General auf einem Xylophon verschiedene Märsche. Seine amputierten Arme sind durch Prothesen ersetzt, die wie Stiele von Handgranaten aussehen; das riesige Xylophon besteht aus Menschenknochen. Dann erheben sich Millionen toter Soldaten aus ihren Massengräbern. Der General übergibt Beckmann die Verantwortung für sie. Die Skelette gehorchen jedoch nicht, sondern bilden Sprechchöre, die den Namen des Unteroffiziers Beckmann brüllen.
Um endlich wieder ruhig schlafen zu können, bittet Beckmann den Oberst, die Verantwortung für zwanzig Mann zurückzunehmen. Die hatte der Oberst ihm einst in Russland übertragen; elf Soldaten waren bei dem Einsatz gefallen. Die anfängliche Verunsicherung des Obersts weicht gutmütigem Lachen. Er versteht Beckmanns Traum als Witz und rät ihm, auf einer Bühne aufzutreten. Zuvor solle Beckmann sich waschen, umziehen und wieder Mensch werden. Laut schreiend bezweifelt dieser, dass der Oberst und seine Familie Menschen seien. Er greift sich ein halbes Brot und eine Flasche Rum und eilt hinaus auf die Straße.
4. Szene
Leicht angetrunken spricht Beckmann beim Direktor eines Kabaretts vor. Er will in Uniform und mit der Gasmaskenbrille das Publikum mit seiner Geschichte unterhalten. Der Direktor findet das zu wenig erbaulich. Überhaupt brauche er keinen Anfänger von fünfundzwanzig Jahren, der nichts als Soldat war. Beckmann solle erst einmal die Welt und das Leben kennenlernen. Trotzdem gibt er dem verzweifelten Beckmann eine Chance. Leise und monoton trägt dieser den Kriegsschlager »Tapfere kleine Soldatenfrau« vor. Der Direktor bemängelt, dies sei keine Kunst. Beckmann kontert, es sei die Wahrheit. Die wolle aber niemand hören, erklärt der Direktor. Wieder vor die Tür wendet sich der verzweifelte Beckmann Richtung Elbe. Der Andere spricht ihn an und versucht ihm Mut machen. Da alle Türen verschlossen sind, will Beckmann in den Fluss springen. Der Andere behauptet, dass irgendwo immer eine Tür offen stehe. Er bringt Beckmann auf den Weg nach Hause zu seiner Mutter.
5. Szene
In der Wohnung von Beckmanns Eltern wohnt jetzt Frau Kramer. Von ihr erfährt Beckmann, sein Vater sei ein lautstarker Antisemit und Nationalsozialist gewesen. Nach dem Krieg habe man ihm die Pension gestrichen und die Wohnung gekündigt. Daraufhin hätten sich seine Eltern das Leben genommen. Schade sei es nur um das viele Gas, das sie dafür verschwendet hätten. Entsetzt geht Beckmann zurück auf die Straße, wo er dem Anderen begegnet. Beckmann sieht sich außerstande, in dieser entmenschlichten Welt weiterzuleben. Vergeblich bemüht der Andere sich, den (lebens-)müden Beckmann wachzuhalten. Er schläft auf der Straße ein.
Noch im Schlaf redet der Andere auf Beckmann ein und will ihn zum Weiterleben überreden. Gott tritt hinzu und Beckmann spricht ihm ab, ein »lieber« Gott zu sein. Er fragt ihn, wo er gewesen sei, als sein einjähriger Sohn von einer Bombe zerfetzt wurde oder andere Kriegsgreuel geschahen. Gott verteidigt sich damit, dass nicht er sich von den Menschen, sondern die Menschen sich von ihm abgewandt hätten.
Während der Andere Beckmann zum Aufstehen und Weiterleben ermutigen will, erscheint der Tod in Gestalt des Straßenfegers. Er bestätigt Beckmanns Vermutung, dass seine Tür immer offen stehe. Der Andere versucht Beckmann aus seinem tödlichen Traum zu wecken, indem er die Güte der Menschen beschwört.
Doch Beckmann begegnet im Traum noch einmal dem Oberst, dessen Lachen ihn in den Tod getrieben hat, und dem Direktor, der mitschuldig wurde, indem er dem Anfänger keine Chance gab. Beckmann fühlt sich verraten von den Autoritäten und ihrer todbringenden Kriegsbegeisterung. Frau Kramers Herzlosigkeit war ebenso verantwortlich für sein Sterben wie die Treulosigkeit seiner Frau. Der Einbeinige hat sich unterdessen in der Elbe ertränkt und erklärt seinerseits Beckmann für schuldig, weil der ihm die Frau weggenommen habe.
Beckmann wacht auf und klagt, dass er noch am Leben ist. Ohne Hoffnung fragt er, wozu und wie er weiterleben soll. Weder der Andere noch Gott antworten ihm. Verzweifelt ruft Beckmann immer wieder, warum ihm niemand Antwort gebe.
Das Heimkehrerdrama »Draußen vor der Tür« entstand im Spätherbst 1946 und wurde im Februar 1947 zunächst als Hörspiel im Nordwestdeutschen Rundfunk gesendet. Nach seiner Uraufführung in den Hamburger Kammerspielen im November 1947 wurde es von fast allen bedeutenden deutschen Theatern inszeniert. Der Klassiker gehört zur sogenannten Trümmerliteratur, die sich mit der Situation in Deutschland zur »Stunde Null« befassen, der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Themen dieser Literaturepoche sind die Kriegsschäden, der Alltag in den zerstörten Städten, die Armut und der Hunger sowie die Probleme der Kriegsheimkehrer.