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Draußen vor der Tür

Einführung

Zusammenfassung

Vorbemerkung
Ein Mann kommt nach langer Zeit zurück nach Deutschland. Das Erlebte hat ihn übel zugerichtet, sodass er eher einer Vogelscheuche statt einem Menschen gleicht. Jetzt kommt ihm alles wie in einem Film vor. Doch die anderen Menschen erleben dasselbe wie er. Er landet wieder auf der Straße, hungert und friert. Er hat kein Zuhause mehr. Deutschland vor der Tür ist jetzt sein Zuhause.

Vorspiel
Ein Beerdigungsunternehmer beobachtet eine Person auf dem Ponton an der Elbe. Dass der Mann so nah am Wasser steht, macht ihn misstrauisch. Ein Rülpsen lenkt ihn ab. Als er erneut hinsieht, ist der Mann verschwunden. Der Beerdigungsunternehmer erklärt ihn für tot. Das Ableben eines Menschen verliert an Bedeutung und scheint im Angesichts des Krieges keinen Unterschied zu machen.

Ein alter Mann taucht auf und weint bitterlich. Auf die Nachfrage des Bestattungsunternehmers antwortet der Mann, dass er nicht ändern könne. Er bezeichnet sich als den Gott, an den keiner mehr glaubt. Er weint um seine Kinder, die sich hundertfach das Leben nehmen. Der Bestattungsunternehmer begründet dies mit dem Unglauben der Menschen. Der alte Mann erkennt in ihm den Tod. Er sei der neue Gott, den keiner leugnet. Der Tod ist nicht mehr abgemagert wie früher, sondern dick und rund. Aufgrund der Aneinanderreihung von Kriegen und den unzähligen Toten läuft das Geschäft gut. Er hat sich überfressen und muss darum ständig rülpsen. Gott trauert unablässig um seine Kinder und beklagt, dass er nichts tun könne. Er geht ab. Der Tod hält die Trauer für sinnlos. Der Ertrunkene, den er gerade beobachtet hat, ist nur einer von vielen, die aufgegeben haben.

Der Traum
Beckmann befindet sich in der Elbe, die zu ihm spricht. Er ist in St. Pauli, Hamburg, von den Landungsbrücken ins Wasser gesprungen. Beckmann ist erst 25 Jahre jung. Trotzdem will er sich das Leben nehmen. Er hungert und humpelt. Seine Frau hat einen neuen Mann. Die weise und erfahrene Elbe weist ihn zurecht. Beckmann solle sich nicht so anstellen. Alle machen dieses Schicksal durch. Er sei zu jung, um sein Leben aufzugeben. Darum interessiere sie sich nicht für seinen Selbstmord und lässt ihn im Stadtteil Blankenese an den Strand spülen.

Analyse

Bevor das Drama mit dem klassischen Szenenaufbau beginnt, wird den Leser*innen eine Einleitung vermittelt. Der erste Text nach der Personenaufstellung ähnelt dem abschließenden Monolog Beckmanns am Ende der letzten Szene und ist in Prosa verfasst.

Hier, zu Beginn des Dramas, wird ein Einstieg gestaltet, der in die Sprache und Handlung des Dramas einführt. Mit dem wiederholten Satzanfang durch das Wort »Und« (8) erhält dieser einen erzählenden Charakter. Dabei spricht Borchert von einem Mann, der symbolhaft für Tausende von Soldaten steht, die nach dem Krieg heimkehrten und nicht mehr wussten, wer sie waren. Auf genaue Zeit-, Personen- und Ortsangaben wird verzichtet. Nur Deutschland wird als Orientierung genannt, das als Zuhause beschrieben wird.

Ohne dass der Begriff Vogelscheuche genannt wird, wird die Erscheinung des Mannes mit einer solchen beschrieben und verweist auf die Entmenschlichung und die Qualen, die dieser durchleben musste. Der Hinweis »Innerlich - auch« (8) macht auch auf die psychische Zerrüttung aufmerksam. Mit diesem Erscheinungsbild wird er zum Schrecken für die Menschen, bildet allerdings keinen Einzelfall. Die Heimkehrer aus dem Krieg haben schreckliche Grauen erlebt, Verluste, Hunger und Kälte, die sie als Traumen mit sich tragen. »Ein Mann kommt nach Deutschland« und »draußen vor der Tür« (8) werden zu Beginn als Motive eingeführt, die das Drama durchziehen.
Mit dem Vorspiel wird der szenische Aufbau aufgenommen. Die Figuren des Bestattungsunternehmers und des alten Mannes fungieren allegorisch für den Tod und Gott, als welche sie sich später zu erkennen geben. Damit werden ihre abstrakten Wesen personifiziert und somit greifbarer. In Borcherts »Draußen vor der Tür« kommt es zur Umkehrung dieser Mächte. Der allwissende und allmächtige Gott wird zu einem weinerlichen alten Mann, dem niemand mehr Beachtung schenkt. Der Tod hingegen profitiert von den Opfern des Krieges, ist allgegenwärtig und die einzige Konstante im Leben der Menschen. Diese haben sich von Gott abgewandt, das Vertrauen und den Glauben an ihn verloren.

Das ständige Rülpsen des Bestattungsunternehmers wird durch Onomatopoesie, der Lautmalerei, verdeutlicht und unterstreicht dessen dekadenten Charakter. Mit seinem sich wiederholenden Ausspruch »Wie die Fliegen!« (9) wird ein Menschenleben mit dem einer Fliege verglichen, was dessen Vergänglichkeit herausstellt, vor allem aber den sinnlosen Tod im Angesicht des Krieges.

Mit der Metapher »der großen grauen Zahl, die keine Lust mehr haben« (9) wird die tragisch hohe Zahl der Selbstmörder beschrieben. Gott und der Tod stehen diesem gegensätzlich gegenüber. Während Gott seine Kinder beweint und sich im Selbstmitleid verliert, steht der Tod diesen emotionslos gegenüber. Das Weinen lohne sich nicht. Das Leben ginge weiter, wie er anhand der Aufzählung vom alltäglichen Treiben schildert: »Ein Mensch stirbt. Und? Nichts weiter. Der Wind weht weiter. Die Elbe quasselt weiter. Die Straßenbahn klingelt weiter. [...] Und keine - keine Uhr bleibt stehen.« (9)

Mit dieser Emotionslosigkeit beschreibt der Tod als Bestattungsunternehmer auch die Beobachtung eines Mannes, der in die Elbe springt, um sich das Leben zu nehmen. In der darauffolgenden Szene Der Traum wird diese aus der Perspektive des Selbstmörders Beckmann und der Elbe beschrieben. Die Elbe wird personifiziert und erhält den Charakter einer alten, lebenserfahrenen Frau, die Beckmann unverblümt die Meinung sagt. Sie kann daher auch als zurecht weisende Mutter interpretiert werden. Aussagen wie »Die Hosen sollte man dir stramm ziehen, Kleiner, jawohl!« (12) geben Annahme dazu.

Außerdem stellt die Elbe als Gewässer, in der Beckmann Schutz und Erlösung sucht, einen Bezug zum Mutterleib her und damit die Sehnsucht nach Geborgenheit. Von mütterlicher Fürsorge ist allerdings wenig zu spüren. Die Elbe ist nicht bereit, Beckmanns Wunsch zu erfüllen. Darin zeigt sich allerdings ihre Hoffnung, dass Beckmann in seinem Leben auch etwas anderes als Tod und Unglück erfahren wird. Sie spült ihn zurück an Land, aus dem (Frucht-)Wasser ins Leben, gleich wie bei einer Geburt. (Berthold, 89f.)

Mit der Einführung erhalten die Leser*innen einen ersten Einblick in die Figur Beckmanns. Der Bestattungsunternehmer hat nur sein Äußeres anhand seiner kurz geschnittenen Haare und seinem Soldatenmantel beschrieben. Daraus, sowie aus dem Gesamtkontext des Werks, lässt sich schließen, dass Beckmann im Krieg gedient hat. Mit Ellipsen beschreibt er seine Qual und seinen Wunsch, endlich zu schlafen, für immer Ruhe zu finden: »Pennen will ich. Tot sein. Mein ganzes Leben lang tot sein. Und pennen. Endlich in Ruhe pennen.« (11)

Die Gründe für seine Todessehnsucht werden nur angerissen. Hunger, Humpeln und ein besetztes Bett werden genannt. Diese geben den Lesenden einen Einblick in die Lage, in der sich der Heimkehrer befindet, und begründen dessen Konflikt. Er ist auf der Suche nach Heimat, doch er findet diese nicht mehr. Sein Wunsch nach Schlaf deutet ruhelose Nächte an, die später ausführlich beschrieben werden.

In dieser Szene werden genauere Ortsangaben gemacht. Mit den signifikanten Orten wie den Landungsbrücken in St. Pauli und Blankenese wird Hamburg als Spielstätte aufgezeigt. Damit wird die Großstadt als expressionistisches Merkmal genutzt.

Die Sprache zeichnet sich durch zahlreiche Wiederholungen, Metaphern, Allegorien sowie Paradoxen aus. Ein Beispiel für letzteres ist der Scheinwiderspruch der Kniescheibe als Eintrittskarte (vgl. 8). Während eine Eintrittskarte mit dem Besuch einer Freizeitveranstaltung und damit etwas Positivem verknüpft ist, ist der Verlust der Kniescheibe dies keineswegs. Beckmann ist unfreiwillig als Soldat Teil des Krieges, was er mit seiner Kniescheibe eben so unfreiwillig bezahlt. Dahinter verbirgt sich ein Vorwurf, dass die Heimkehrer nicht nur zum Kämpfen verpflichtet wurden, sondern zusätzlich Verluste auf unterschiedlichen Ebenen erdulden mussten. Vorherrschend ist die Umgangssprache, die an Begrifflichkeiten wie »rülpsen« (10) und »pennen« (11) deutlich wird. Weiterhin werden auch vulgäre Ausdrücke wie in »ich scheiß auf deinen Selbstmord!« (12) verwendet.

Einführung, Vorspiel und der Traum fungieren gemeinsam als Exposition, also als Einleitung. Tod, Gott und Elbe verleihen dem realistischen Werk einen Einschub des Surrealen.

Veröffentlicht am 28. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. September 2023.