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Draußen vor der Tür

Sprache und Stil

Wolfgang Borcherts Sprache ist individuell und einzigartig. Sie steckt voller Gegensätze und ist trotz ihres Kontrastreichtums in sich geschlossen. Er wechselt dabei von stark reduzierter Einfachheit und Alltagssprache zu expressiven und ausladend bildhaften Beschreibungen. Sachliche Feststellungen stehen neben vielschichtiger Bedeutungsvielfalt.

Reiner Poppe behauptet: »Der Krieg hatte Borchert zum Dichter gemacht.« (Poppe [2003], 47) Seine unverwechselbare Sprache macht ihn zu einem bedeutenden Vertreter der Nachkriegsliteratur. Er setzte auf das zu vermittelnde Gefühl anstatt Grammatikregeln. In »Draußen vor der Tür« ringt Borchert mit der Wahrheit, die er zwar verstehen und historisch einordnen konnte, deren Ausdruck ihm mit der von Faschismus und Ideologie belasteten Sprache beschränkt schien. Beckmann charakterisiert diese Suche, doch findet keine Antwort. Am Ende bleibt die offene Frage. (Bernhardt, 77)

Mit zahlreichen Stilmitteln bringt er Gefühle zum Ausdruck. Ellipsen verkörpern gedankliche Bruchstücke. Das Borchert die deutsche Sprache als dickes und stinkendes Wörterbuch beschreibt (vgl. ebd., 79), erklärt die von Kriegsalltag und Düsternis dominierten Alliterationen, zum Beispiel: »Mud und Mörtel und Matsch« (14) oder »Gehungert. Gefroren. Geschossen« (31). Diese spiegeln wie zahlreiche Hyperbeln, Steigerungen sowie Metaphern und Symbole Beckmanns Wahrnehmung wider: »Bis an den Mond, den weißen Mond, stinkt dann das blutige Gestöhn, Herr Oberst, wenn die Toten kommen, die limonadefleckigen Toten.« (24)

Fragen unterstreichen Beckmanns Suche nach der Heimat und Borcherts Suche nach der korrekten Sprache. Lautmalerei, oder auch Onomatopoesie, unterstreicht den expressionistischen Charakter des Stücks. Diese ermöglicht es, eine bestimmte Situation oder Wahrnehmung ohne umfangreiche Beschreibung zu verdeutlichen.

Vordergründig lebt das Werk von Wiederholungen, die Borchert kunstvoll und geschickt einsetzt. Teilweise wirken diese störend oder irritierend, bezwecken allerdings einen beschwörenden Tonfall, welcher auf die Verbrechen aufmerksam machen soll. (Bernhardt, 81) Durch parodierende Umkehr wird die Bedeutung noch gesteigert: »DIREKTOR: Ich habe schließlich keinen nach Sibirien geschickt. Ich nicht. BECKMANN: Nein, keiner hat uns geschickt. Wir sind ganz von alleine gegangen. Alle ganz von alleine. Und einige, die sind ganz von alleine dageblieben.« (31)

Manche Wiederholungen erfolgen trocken, andere steigern sich bis zu einem Aufschrei, welcher unter anderem mit einer Ansammlung von Satzzeichen verdeutlicht wird: »Gibt denn keiner eine Antwort? Gibt keiner Antwort??? Gibt denn keiner, keiner Antwort???« (54), dann aber in einem Verstummen endet.

Des Weiteren erfolgt der Einsatz von Umgangssprache beziehungsweise einem auf Stand und Beruf beruhenden Wortschatz wie »pennen« (11ff.), was damit zu begründen ist, dass Beckmann als »einer von denen« (7) beschrieben wird, einer von Millionen Soldaten. Doch auch die Elbe, der Tod und sogar Gott verwenden derartige Begriffe wie »scheiß« (11), »rülpsen« (10) und »überfressen« (10). 

Einen Gegensatz bildet der Andere, der als reflektiertes Wesen, vor allem aber auch als Beckmanns Gegenstück, eine hochwertige Sprache verwendet. Der Oberst verdeutlicht seine gehobene militärische Position ebenfalls in seiner Ausdrucksweise. Seine Sprache ist knapp und verzichtet auf die Nennung des individuellen Subjekts: »Was ausgefressen, wie?« (21), womit Beckmanns Objektcharakter unterstützt wird.

Bei der Vorbemerkung handelt es sich um einen Prosatext. Auch die Figuren werden kurz beschrieben. Mit dem Vorspiel beginnt der szenische Aufbau und die Darbietung in Dialogen und Monologen. Der prosaische Charakter wird beibehalten. Allerdings lehnt sich der Sprachrhythmus an manchen Stellen an die Versform an, wie in Beckmanns Monolog am Ende der 3. Szene, der durch die wiederkehrende Unterbrechung »Prost« (28) gegliedert wird. (Bernhardt, 80)

Bei der Darbietung des Kriegsschlagers »Tapfere, kleine Soldatenfrau« verleiht Beckmann diesem einen neuen Text. Bruchstückhafte Reime entstehen. Aus »sauber« wird »sau-« (32) was sich später in »Der Schnaps war alle | und die Welt war grau | wie das Fell, wie das Fell | einer alten Sau!« (33) wiederfindet und Beckmanns Eindrücke und mentale Verfassung einfängt. (ebd., 81)

Die Tür wird zu einem sprachlichen Motiv, das sich durch das gesamte Drama zieht, gekoppelt mit dem Zustand, dass sich Beckmann draußen befindet. Dieser Umstand wird bereits im Titel festgehalten und im Laufe der Handlung immer wieder bestätigt.

Abgesehen von der Vorbemerkung und dem Vorspiel findet das Drama aus der Sicht Beckmanns statt. Er wählt die Stationen, welcher er besucht. Der Andere bringt ihn zwar auf die Ideen, ist aber letztendlich ein Teil Beckmanns. Auch die im Traum spielenden Szenen sind von ihm subjektiv geprägt.

Veröffentlicht am 28. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. September 2023.