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Draußen vor der Tür

Zitate und Textstellen

  • »Ich habe tausend Gesichter. Ich bin die Stimme, die jeder kennt. Ich bin der Andere, der immer da ist.«
    – der Andere, S. 13

    Mit dieser Beschreibung stellt sich der Andere vor. Mit einer Hyperbel, einer starken Übertreibung, beschreibt er seine unzähligen Gesichter, durch die er sich an jegliche Situationen anpasst. Er ist ein fantastisches Wesen, Beckmanns Gegenwesen, wodurch beide Seiten definiert werden, sich gegenseitig beeinflussen und voneinander abhängig sind.

    Der zweite Satz spielt darauf an, dass der Andere nicht nur ein Begleiter Beckmanns ist, sondern jeder Mensch diese innere Stimme besitzt. In Beckmanns Fall ist der Andere der Optimist und Jasager, was Beckmann zum Pessimisten und Neinsager macht.

  • »Seit gestern heiße ich nur noch Beckmann. Einfach Beckmann. So wie der Tisch Tisch heißt.«
    – Beckmann, S. 13

    Die Reduzierung von Beckmanns Namen wurde von seiner Frau vorgenommen, was er von diesem Zeitpunkt an beibehält. Es ist die Identität, die er als Heimkehrer annimmt und an den Objektcharakter erinnert, mit dem er als Soldat behandelt wurde. Dieser wird durch den Vergleich mit einem Tisch verstärkt. Gleichzeitig ruht darin die Emotionslosigkeit, mit der Beckmanns Frau ihm begegnet sein muss und die ihn neben der Feststellung, dass ein anderer Mann in seinem Bett liegt, erschüttert.

  • »Vorwärts, rückwärts. Oben, unten. Morgen liegen wir vielleicht schon weiß und dick im Wasser. Mausestill und kalt. Aber heute sind wir doch noch warm.«
    – das Mädchen, S. 18

    Mit den Gegensätzen im Parallelismus geht das Mädchen auf Beckmanns Angst ein, rückwärts zu gehen. Sie macht deutlich, dass dies egal ist, denn das Heute zählt. Die Attribute »weiß«, »dick, »mausestill« und »kalt« spielen auf den Zustand einer Wasserleiche an. Morgen könnten sie also schon tot sein oder einen Grund sehen, sich das Leben zu nehmen.

    Im letzten Satz spricht sie die Lebendigkeit an, die Lust das Leben zu nutzen und dieses in Beckmanns Gesellschaft zu verbringen. Ihre Worte haben dabei einen verführenden Charakter.

  • »Ich stehe draußen, wieder draußen. Gestern abend stand ich draußen. Heute steh ich draußen. Immer steh ich draußen. Und die Türen sind zu.«
    – Beckmann, S. 20

    Mit der Epipher »draußen« wird dieser Zustand in den Fokus gerückt. Beckmann steht draußen, das bedeutet außerhalb eines wärmenden Zuhauses und einer Gemeinschaft. Die verschlossenen Türen bedeuten für ihn sowohl eine Ablehnung der Menschen, als auch die Aussichtslosigkeit, dass sich eine dieser Türen öffnen könnte. Er passt nicht mehr in das Leben, das er zurückgelassen hat. Es ist schlichtweg nicht mehr vorhanden.

  • »Werden Sie erstmal wieder ein Mensch!!!«
    – Oberst, S. 27

    Mit diesem Ausruf fordert der Oberst Beckmann nach seiner Darstellung seines Traumes auf, sich seiner Militärskleidung zu entledigen, ein Bad zu nehmen und dadurch die Erfahrungen des Krieges hinter sich zu lassen. Bei Beckmann weckt das Entsetzen: Der Oberst lässt diese Erfahrungen hinter sich, indem er die Schuld von sich weist und damit Unmenschliches normalisiert. Bedeutet das Mensch sein? Für Beckmann ist eindeutig, dass er so ein Mensch nicht werden will.

  • »Nein, keiner hat uns nach Sibirien geschickt. Wir sind ganz von alleine gegangen. Alle ganz von alleine. Und einige, die sind ganz von alleine dageblieben. Unterm Schnee, unterm Sand. Die hatten eine Chance, die Gebliebenen, die Toten. Aber wir, wir können nun nirgendwo anfangen. Nirgendwo anfangen.«
    – Beckmann, S. 31

    Mit dieser Antwort reagiert Beckmann sarkastisch auf die Aussage des Kabarettdirektors, dass dieser ihn nicht nach Sibirien geschickt habe. Dabei wird das Wort »alleine« mehrfach wiederholt und dessen Bedeutung umgekehrt. Die Soldaten sind eben nicht alleine gegangen, sondern wurden durch ein faschistisches System in diesen Krieg getrieben. Die Verantwortung dafür tragen die Nazis, aber auch eine ganze Generation an Mitläufer*innen.

    Beckmann selbst war zu jung, um für diese Geschehnisse zur Rechenschaft gezogen zu werden, allerdings bestimmen sie sein Schicksal ausnahmslos. In den letzten beiden Sätzen spricht er daher die Perspektivlosigkeit an, der er entgegenblickt, die mit einer weiteren Wiederholung als Ellipse verstärkt wird.

  • »Ja, Wahrheit! Mit der Wahrheit hat die Kunst doch nichts zu tun! [...] Mit der Wahrheit kommen Sie nicht weit.«
    – Direktor, S. 33

    Diese Aussage des Kabarettdirektors beinhaltet einen wichtigen Inhalt für seine Charakterisierung: Er verschließt sich vor der Wahrheit. Das bedeutet, er verschließt sich vor der Auseinandersetzung mit der Schuld. Beckmann hingegen ist auf der Suche nach der Wahrheit. Doch eine Gesellschaft, die sich noch an alten Normen orientiert, hält keine Antworten für ihn bereit.

  • »Sie bedeuten: Tote, Halbtote, Granatentote, Splittertote, Hungertote, Bombentote, Eissturmtote, Ozeantote, Verzweiflungstote, Verlorene, Verlaufene, Verschollene. Und diese Zahlen haben mehr Nullen, als wir Finger an der Hand haben!«
    – Beckmann, S. 39

    Diese umfangreiche Akkumulation kreiert ein Bild des Schreckens angesichts der unzähligen Toten, die unter verschiedenen Umständen ums Leben gekommen sind. All diese sind jedoch auf den Krieg zurückzuführen. Mit der Periphrase im zweiten Satz beschreibt Beckmann, dass es sich um Millionen Tote handelt, eine Tatsache, die ihn nicht loslässt.

  • »Für das Leben! Deine Straße wartet. Und hin und wieder kommen Laternen. Bist du so feige, daß du Angst hast vor der Finsternis zwischen zwei Laternen? Willst du nur Laternen haben? Komm Beckmann, weiter, bis zur nächsten Laterne.«
    – der Andere, S. 39

    Der Andere beschreibt in diesem Zitat das Leben, das durchzogen ist von leichten und schweren Stunden. Die Laternen sind hier eine Metapher für die guten Momente, die einen weiterleben lassen. Allerdings wirft er Beckmann auch vor, dass dieser sich zu sehr von den düsteren Zeiten mitreißen lässt, die Hoffnung verliert und lieber den Tod wählt, als sich der Finsternis, den schweren, dunklen Momenten, zu stellen. Hier sei jedoch vermerkt, dass sich unsere heutige Generation die Finsternis, die Beckmann durch den Krieg erlebt hat, kaum vorstellen kann.

  • »Wir werden jeden Tag ermordet, und jeden Tag begehn wir einen Mord! Wir gehen jeden Tag an einem Mord vorbei!«
    – Beckmann, S. 53

    Beckmann wiederholt hier die Aussage des Einbeinigen, der ihn für seinen Mord verantwortlich gemacht hat. Dahinter verbirgt sich das Schicksal der Kriegsgeneration, die, sei es unter Befehlen an der Front oder im Überlebenskampf, zu Mördern werden.

    Doch nicht nur das tatsächliche Töten wird hier beschrieben, sondern auch das Aufgeben von sich und anderen. Das verbirgt sich besonders im letzten Satz. Beckmann muss das erfahren, indem er immer wieder vor verschlossenen Türen steht, was sich für ihn jedes Mal wie ein Mord anfühlt.

Veröffentlicht am 28. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. September 2023.