Skip to main content

Das Haus in der Dorotheenstraße

Aufbau des Werkes

»Das Haus in der Dorotheenstraße« ist eine Novelle. Diese epische Textsorte zeichnet sich dadurch aus, dass eine zeitgenössische Aktualität thematisiert wird (S. 14, Aust). Sie ist von kurzem Umfang, jedoch länger als eine Kurzgeschichte (Vgl. DWDS).

Langes Werk ist in 6 Kapitel unterteilt. Die Handlung verläuft chronologisch. Es gibt keine Nebenhandlungen, allerdings kommt es zu einigen zeitlichen Lücken. Dies können sowohl Stunden, Tage als auch Wochen sein. Überdies gibt es neben dem Protagonisten Gottfried Klausen nur eine weitere handelnde Figur – Xenia Klausen. Auch ihr Handeln bleibt stark begrenzt, sodass die Geschichte hauptsächlich aus Gottfrieds Perspektive geschildert wird.

Der Erzähler verwendet grundsätzlich eine interne Fokalisierung. Dies bedeutet, er berichtet von inneren und äußerlichen Erlebnissen Gottfrieds. An drei Stellen der Novelle weicht der Erzähler hiervon ab. Zu Beginn illustriert er die Gegend um den Teltowkanal, das Haus in der Dorotheenstraße und stellt das Ehepaar Klausen vor. Dadurch erhält der Handlungsbeginn einen verstärkt narrativen Charakter, wobei die Novelle generell mehr der sachlichen Wiedergabe eines Berichts ähnelt. Als sich Gottfried am Ende des zweiten Kapitels schlafen legt, skizziert der Erzähler die Nacht und die Welt des Schlafenden. Von seiner internen Fokalisierung weicht er auch hier ab: »[...] vielleicht weil er unbequem lag oder schlecht geträumt hatte, [...]« (S. 79). Zuletzt ist eine externe Fokalisierung bei der Schilderung des Gewaltaktes im letzten Kapitel sichtbar, u.a. an folgender Stelle: »Was letztendlich geschah, wir wissen es nicht« (S. 92). Unter einer externen Fokalisierung ist zu verstehen, dass der Erzähler von außen das Geschehene wiedergibt. Er weiß weniger als die Figuren und demzufolge ist für den Leser das Verständnis über das Geschehene limitiert.

Langes Novelle lässt sich überdies als ein fünfaktiges Drama nach dem pyramidalen Dramenmodell von Gustav Freytag deuten. Zwar handelt es sich um sechs Kapitel anstelle von klassischen fünf, jedoch können Kapitel 1 und 2 zur Exposition zusammengefasst werden. Gottfried verlässt Berlin aus beruflichen Gründen und zieht nach London. Seine Frau Xenia lässt er zurück. Die ersten Wochen in London setzen Gottfried zu und schließlich kann er Xenia nicht erreichen.

Das dritte Kapitel bildet das erregende Moment. Xenia soll nach London fliegen, doch sie erscheint nicht. Daraufhin hörte Gottfried das erste Mal die fremde Männerstimme am Telefon. Er plant, nach Berlin zu fliegen. Anschließend folgt die Peripetie im vierten Kapitel. Der Höhepunkt der Handlung wird erreicht, als Gottfried aufgrund des Vulkanausbruchs nicht nach Berlin fliegen kann. Er ruft Xenia an und spricht stattdessen mit dem fremden Mann.

Danach kommt das retardierende Moment, in dem Spannung aufgebaut wird. Im fünften Kapitel gerät der mentale Zustand Gottfrieds aufgrund der Situation mit Xenia immer mehr in Mitleidenschaft. Er besucht das Theaterstück zum zweiten Mal und hinterfragt seine Absicht, den Mord der Frau auf der Bühne sich anzuschauen und hiervon beeinflusst zu werden. Zuletzt folgt die Katastrophe/Lösung im sechsten Kapitel. Als Lösung erscheint die Option, dass Gottfried sich nach Island versetzen lässt. Der Erzähler deutet jedoch im letzten Ausblick auf eine Katastrophe hin, in der Gottfried Xenia im Haus in der Dorotheenstraße angreift. 

Wiederholungen bilden eine weitere Besonderheit der Novelle. Die Handlung ist dual strukturiert. Es gibt die zwei Städte Berlin und London. Gottfried spaziert auf zwei Brücken. Auch ist er zweimal am Flughafen Heathrow und spricht zweimal mit dem fremden Mann am Telefon. Dann besucht er zweimal das Theaterstück »The Tragedy of Othello, the Moor of Venice«. Durch diese Wiederholungen wird ein enger gestalterischer Rahmen gezogen. Gottfrieds Veränderung rückt innerhalb dieses Rahmens in den Fokus. So kann beispielsweise sein Gefühl der Geborgenheit in Berlin dem Gefühl der Einsamkeit und des Unwohlseins in London gegenübergestellt werden. Auch die beiden Theaterbesuche heben seine zunehmende Entfremdung von dem, was er für die eigene Person hielt, hervor.

Veröffentlicht am 13. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2023.