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Das Haus in der Dorotheenstraße

Kapitel 5

Zusammenfassung

Der Vulkanausbruch in Island hat weiterhin Konsequenzen. Noch immer ist die Aschewolke nicht verflogen. Dies ist in England jedoch nur am Ausbleiben des Flugverkehrs zu bemerken. Gottfried schaut bei der Arbeit aus dem Fenster. Seit dem Vorfall am Telefon fühlt er sich wie gelähmt. Er kann sich das Geschehene, vor allem den fremden Mann, nicht erklären. Seine Gedanken sind durcheinander. Er durchläuft Szenarien, wie ein Mann an das Handy von Xenia herankam. Ihm schleicht sich der Gedanke ein, seine Frau sei untreu. Er fragt sich, wie lange er dies nicht bemerkt haben könnte.

Einige Tage später besucht Gottfried zum zweiten Mal das Stück »The Tragedy of Othello, the Moor of Venice«. Der Erzähler bringt ein Zitat aus der Ermordungsszene im fünften Akt ins Spiel, das Gottfried möglicherweise behalten hat, und in dem vom Löschen des Lichts die Rede ist. Gottfried hinterfragt seine Intention, dieses Stück in seiner momentanen Lage mit Xenia anzuschauen. Die Ermordung der wehrlosen Frau im Stück sieht er als wahnsinnig an. Er verlässt das Stück nach dem vierten Akt und geht zum Nachdenken in einen Pub.

Analyse

Das fünfte Kapitel beginnt mit den Worten: »Der Ausbruch des Grimsvötn fiel gewaltiger aus als erwartet.« (S. 87) Im Zusammenhang mit Gottfrieds Einschätzung im vierten Kapitel: »Es war, wie ihm schien, nichts Gefährliches« (S. 84), kann hier interpretiert werden, dass Gottfried den Zustand seiner Ehe meint. Er hat ihn falsch bewertet. All die Ausreden, die er zuvor gesucht hat und das Verdrängen der naheliegenden Tatsachen stehen ihm nun vor Augen. Die Situation betäubt ihn. Um sich selbst zu schützen, versucht er der Konfrontation zu entgehen, »weil er fürchtete, der Vorgang könnte sich wiederholen.« (S. 87)

Wieder sucht Gottfried eigenständig Erklärungen. Er findet diesmal keine Ausrede, mit welcher er sich beschwichtigen kann. Er hält sich vor Augen, ein Mann sei bei seiner Frau in ihrem vertrauten Haus in der Dorotheenstraße und verdächtigt Xenia der Untreue. Dann vergehen Tage, in denen unklar ist, was mit Gottfried geschieht.

Die Handlung setzt schließlich ein, als Gottfried abermals im Theaterstück »The Tragedy of Othello, the Moor of Venice« sitzt. Das Othello-Zitat mit der wiederholten Aufforderung: »Put out the light«, das der Erzähler ins Spiel bringt, und das noch einmal sich anzuhören Gottfried sich schließlich weigert, ist in Shakespeares Tragödie doppeldeutig. Einerseits ist das Löschen des Lichts gemeint, andererseits, das Leben Desdemonas zu beenden. Gottfrieds Beweggründe, das Theater in seiner komplizierten Situation mit Xenia zu besuchen, erscheinen fragwürdig. Auch Gottfried bewertet seine Intention kritisch. Bei seinem ersten Besuch des Stücks erschien ihm die Handlung unglaubwürdig und Othellos Entscheidung, seine Frau zu töten, nicht nachvollziehbar. Jetzt wirkt es, als wehrte Gottfried seine Identifizierung mit Othello ab, die er also unbewusst schon vollzöge: »Wollte er, nur weil er ein Problem mit seiner Frau hatte, der Ermordung einer Wehrlosen zusehen« (S. 88).

Dass Gottfried nicht aus bloßer Unterhaltung das Stück besuchte, wird deutlich, als er die Vorführung frühzeitig verlässt »an jener Stelle, an der klar wurde, wie geschmacklos es gewesen wäre, sitzen zu bleiben.« (S. 88). Es legt die Interpretation nahe, dass Gottfried befürchtet, durch die Handlung beeinflusst zu werden. Die unterbewusst vielleicht erhoffte Befriedigung, die darin bestünde, der Ermordnung einer wehrlosen Frau zuzusehen, um sich selbst aufzuheitern, ist schließlich nicht eingetreten. Demzufolge offenbart sich die Instabilität seines psychischen Zustandes. Doch Gottfried versucht, sich selbst Vernunft einzureden: »Nein« (S. 88) flüsterte er sich zu und ging schließlich in einen Pub, um »nochmals zu überdenken«. Es bleibt auch an dieser Stelle ungeklärt, was Gottfried genau überdenken möchte und ob es eventuell die Entscheidung ist, Xenia etwas anzutun.

Veröffentlicht am 13. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2023.