Skip to main content

Das Haus in der Dorotheenstraße

Kapitel 3

Zusammenfassung

Am nächsten Morgen telefonieren Gottfried und Xenia. Gottfried möchte die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung in London beschleunigen. Er erzählt Xenia von einer geeigneten Dreizimmerwohnung, die hell und modern sei. Der Mietvertrag müsse jedoch in Kürze unterschrieben werden. Xenia gibt sich zögerlich. Überdies entschuldigt sie sich wegen ihrer gestrigen Unerreichbarkeit, ohne einen Grund dafür zu nennen. Gottfried erzählt ihr, wie schwierig es für ihn sei, alleine in London zu sein, woraufhin Xenia Verständnis zeigt. Die beiden vereinbaren, dass Xenia am kommenden Sonntag nach London fliegen soll, um mit Gottfried die Wohnung zu besichtigen.

Am Sonntag ist Gottfried am Flughafen Heathrow in London. Der Flughafen ist voll und unübersichtlich. Er ist überpünktlich, damit er Xenia nicht verpasst, die vermutlich nicht auf Gepäck warten muss und somit schneller am Gate sein dürfte. Aufgeregt wartet er und hört den Lautsprecherdurchsagen zu. Das Flugzeug aus Berlin landet. Die Passagiere steigen aus und gehen durch die Zollkontrolle. Gottfried wartet mit Blumen auf seine Frau. Einige Minuten später sucht Gottfried Erklärungen dafür, dass Xenia noch nicht da ist. Zuletzt sind alle Passagiere herausgekommen und die Zollkontrolle schließt. Xenia ist nicht gekommen.

Gottfried bleibt ruhig und spekuliert, was mit seiner Frau passiert sein könnte. Er ruft sie an, um nachzufragen. Als er die Stimme eines Mannes statt der Stimme seiner Frau hört, legt er rasch auf. Gottfried kehrt allein zurück in seine Wohnung. Sein Handy klingelt öfter, doch er ignoriert es. Er sucht Erklärungen für das Geschehene, wie etwa, er sei beim Telefonat am Flughafen mit einem Mann falsch verbunden gewesen und sucht sich selbst aufzumuntern.

Mittlerweile sieht er seine Bitte an Xenia, nach London zu fliegen, als zu viel verlangt und egoistisch an. Sie bliebe nämlich lieber im Haus in der Dorotheenstraße. Auch eine teure Dreizimmerwohnung sieht er nicht mehr als lohnend an, da er bald wieder versetzt werden könnte. Aus diesem Grund beschließt er, selbst zu ihr zu fliegen. Als sie schließlich telefonieren, entschuldigt sie sich, doch dies kümmert Gottfried nun nicht mehr. Er sieht in den Schuldigen für die momentane Situation. Dann erzählt er ihr von seiner Absicht, bald nach Berlin zu fliegen und wie damals auf der Nathanbrücke zu stehen.

Analyse

Die negative Stimmung der letzten Wochen fand in der letzten Nacht bei Gottfried einen Höhepunkt. Dies wird ersichtlich an dem Telefonat mit Xenia am nächsten Morgen. Er möchte schleunigst mit ihr zusammenziehen. Dafür hat er schon eine entsprechende Wohnung gefunden und gibt Xenia nun Informationen rund um die Wohnung. Nach ihrer Meinung fragt er jedoch nicht. Dass Xenia nicht begeistert ist von Gottfrieds Vorstellungen, zeigt sich an folgender Stelle: »Xenia verhielt sich zögerlich.« (S. 80) Es lässt sich annehmen, dass Xenia nach wie vor in Berlin bleiben möchte.

Xenia entschuldigt sich, am gestrigen Abend telefonisch nicht erreichbar gewesen zu sein. Sie »nannte aber keine Gründe« (S. 80). Möglich ist, dass Xenia etwas zu verheimlichen hat und deshalb keinen Grund nennt. Andererseits könnte es auch etwas Belangloses gewesen sein, wie etwa, dass sie früher eingeschlafen ist. Gottfried versucht, Xenia vom Umzug zu überzeugen, indem er ihr erzählt, wie schwer es für ihn sei, alleine zu sein.

Daraufhin stimmt Xenia ihm zu. Auch hier lässt sich argumentieren, dass Xenia nicht dieselbe Sichtweise auf die Situation hat wie Gottfried und vermutlich nur zugestimmt hat, um eine Konfrontation zu vermeiden. Dies lässt sich dadurch belegen, dass Xenia die Verabredung, nach London zu fliegen, nicht einhält. Während Gottfried aufgeregt am Flughafen auf sie wartet, versucht er nach seiner Art für ihr Wegbleiben eine rationale Erklärung zu finden. Doch als er sie anruft und stattdessen eine fremde Männerstimme vernimmt, handelt er gegen seine Vernunft und legt auf, ohne auf den Mann einzugehen.

Gottfried versucht das Geschehene zu verdrängen, denn er ignoriert im Anschluss das mehrfache Klingeln seines Handys. Es ist, als suche er zunächst eigenständig plausible Erklärungen für die Wirklichkeit, bevor er sich mit ihr konfrontieren will. Obwohl naheliegt, dass ein fremder Mann bei Xenia gewesen ist, erscheint es für ihn möglich, dass er falsch verbunden wurde. Als ein Mechanismus der Verdrängung muss auch gelten, wenn er für das Fernbleiben Xenias die Schuld bei sich sucht.

In diesem Moment distanziert sich Gottfried auch von seiner subjektiven Sichtweise. Er erkennt, dass er Xenia anscheinend zu viel zugemutet hat und findet es »recht und billig, auch einmal auf Xenias Wünsche einzugehen.« (S. 83). Als er mit Xenia schließlich telefoniert, »[ist] ihm die Entschuldigung, die sie vorbrachte, um ihr Verhalten zu erklären, schon unerheblich.« (S. 83).

Dem Leser wird an dieser Stelle nicht mitgeteilt, was Xenia gesagt hat, um den Vorfall zu erklären. Xenias Perspektive wird größtenteils in der Novelle ausgeblendet: Der Leser bleibt zur Bewertung ihres Verhaltens auf die wenigen Informationen verwiesen, die sich aus der Perspektive Gottfrieds ergeben. Auch bleibt ungewiss, ob Gottfried überhaupt Xenias Grund registriert hat oder aufgrund seiner eigenen Erklärung des Geschehenen ihre Schilderung verdrängte. Gottfried sehnt sich zu diesem Zeitpunkt nach Geborgenheit und Vertrautheit. Er möchte nach Berlin und »endlich wieder einmal auf der Nathanbrücke [...] stehen.« (S. 83)

Veröffentlicht am 13. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2023.