Skip to main content

1984

Historischer Hintergrund und Epoche

»1984« erschien am 8. Juni 1949 beim Secker & Warburg Verlag in London (Herforth 2019: 24) und fiel damit in eine erschöpfte Nachkriegsstimmung. Der vergangene Erste und Zweite Weltkrieg hatten das Land und die Bevölkerung ausgezehrt. Man fürchtete sich vor den politischen Folgen, die der Fall des Nationalsozialismus haben könnte, und vor den Zielen und dem Ehrgeiz der Sowjetunion, die als neue Macht aufgestiegen war.

Die Themen des Romans spiegeln die Ängste und Sorgen der Menschen zu dieser Zeit wider: London kannte Luftangriffe, Untergrundbunker, Unruhen in den Straßen und Essensrationierung und auch Orwell integriert diese Erfahrungen in »1984« (vgl. Waddell 2020: 2).  

Er hatte selbst Erfahrungen mit dem Totalitarismus gemacht (siehe Kapitel 14. Über den Autor) und gründet seine Fiktion auf die Realität, die, satirisch überspitzt und übersteigert, sozusagen zu Ende gedacht wird (Herforth 2019: 24). Die Herrschaft und Diktatur Josef Stalins hatte in der Gesellschaft und auch in Orwells Gedankenwelt Spuren hinterlassen – denn England ging mit dieser nicht kritisch um und fühlte sich der Sowjetunion als ihrem Verbündeten gegen Hitler geradezu verpflichtet. Dieses Verhalten, gerade von englischen Intellektuellen, besorgte und bestürzte Orwell (Ellenrieder 2021: 5f.).

Das Ziel seines literarischen Schaffens war es, politische Texte in Kunst zu verwandeln (Mullen 2020: 95). In seinem Essay »Why I Write« von 1949 erklärt er, mithilfe von wahren, historischen Tatsachen auf politische Zusammenhänge hinweisen und bestimmte Meinungen vertreten zu wollen (Herforth 2019: 25).

Die Idee zu »1984« kam Orwell um 1940 herum. Ihn inspirierten unter anderem Aldous Huxleys »Schöne neue Welt« (im engl. Original »Brave New World«), das 1932 erschien, oder die Werke von H. G. Wells – beides sind Beispiele für Romane, die sich mit utopischen Zukunftsentwürfen beschäftigen. Auch Jack Londons Roman »The Iron Heel« (»Die eiserne Ferse«) von 1907 prägte Orwell schon als Kind und beflügelte sein Interesse an der Utopie (Rodden/Rossi 2012: 80).

Der Roman lässt sich in die Epoche der Moderne oder Gegenwartsliteratur einordnen, die sich durch verschiedene Strömungen und Themen kennzeichnen. Es gibt viele Autoren, die zeitkritisch mit aktuellen Ereignissen umgehen. Dazu entsteht das Genre der Utopie beziehungsweise Dystopie: Unter einer Utopie versteht man einen idealen Zukunftsentwurf, der perfekte soziale, politische und wirtschaftliche Zustände abbildet – die Dystopie oder auch Anti-Utopie zieht diese Vorstellungen dann ins Negative. Es werden Gesellschaften dargestellt, die bedrohlich und beunruhigend wirken. »1984« ist ein perfektes Beispiel für den dystopischen Roman, der auch oft eine »Leitbildfunktion« innehat (Schubert/Klein 2020: Utopie).

Die ersten Entwürfe zum Roman entstanden Ende des Jahres 1943 beziehungsweise Anfang des Jahres 1944. Orwell schwankte lange zwischen den Titeln »1984« und »The Last Man in Europe« (»Der letzte Mensch in Europa«) – Orwells Verleger Fred Warburg wählte schließlich den ersten Titel aus (Herforth 2019: 24). Der Titel wurde im Jahr 1948 festgelegt und darin vertauscht Orwell die letzten zwei Ziffern des aktuellen Jahres. Damit wollte er ein nicht zu fernes Datum erschaffen, das die Aktualität der Warnung, die man in »1984« findet, deutlich macht (Rodden/Rossi 2012: 82).

Während der Arbeit an »1984« erkrankte Orwell schwer an Tuberkulose. 1946 entwarf er eine frühe Fassung von Goldsteins Buch als Romanabschnitt, 1948 stellte er das Werk dann auf der Insel Jura an der schottischen Küste vollständig fertig. Im Januar 1950, nur ein Jahr nach Veröffentlichung des Romans, erlag er seinem Tuberkulose-Leiden (vgl. Herforth 2019: 23).

Veröffentlicht am 31. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 31. Juli 2023.