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1984

Sprache und Stil

Der Roman wird aus der Sicht des personalen Erzählers Winston Smith geschildert. Somit folgt die Handlung einer einzelnen Figur und gibt lediglich Winstons Gedanken und Erlebnisse wieder: Die Perspektiven der anderen Figuren fehlen. Winston ist eine individuelle Figur, die sich der Staatsideologie nicht anpasst und somit die Harmonie des Systems stört: Damit ist »auch nur aus seiner Sicht Kritik möglich« (Herforth 2019: 93). Der Leser folgt seiner Entwicklung und schließlich auch den Konsequenzen seines Irrtums. Zu Beginn ist es noch leichter für den Leser, sich mit Winston zu identifizieren, denn seine Gedanken und Gefühle werden zum Beispiel mithilfe von indirekter Rede oder dem inneren Monolog genau offengelegt.

Nach Winstons Zeit im Ministerium für Liebe jedoch drängt sich eine gewisse Distanz des Lesers zur Hauptfigur auf (vgl. Ellenrieder 2021: 38): Diese hat sich komplett gewandelt und dient jetzt dem Regime, dem sie zuvor noch kritisch gegenübergestanden hat. Dadurch hält Orwell den Leser zur Kritik an und legt offen, welche Folgen Rebellion in dem bestehenden System hat.

Die Sprache Orwells ist nüchtern, klar und direkt. Dabei beschreibt er die Welt von »1984« in beängstigendem Detail. Es gibt keine Verzierungen oder komplizierten Satzkonstruktionen, allerdings verwendet Orwell viele Adjektive, um die Situationen so anschaulich wie möglich zu gestalten. Dies wird zum Beispiel bei der Beschreibung des Ministeriums für Wahrheit deutlich: »Es handelte sich um ein riesiges, pyramidenartiges Bauwerk aus leuchtendweißem Beton, das sich, Terrasse um Terrasse, dreihundert Meter hoch in die Luft schraubte.« (8)

Stellenweise bedient er sich der Bildsprache, wie z. B. im zweiten Teil: »Winston folgte dem Verlauf des Wegs durch Licht- und Schattensprenkel und trat in Lachen goldenen Lichts, wann immer sich die Zweige teilten. […] Die Luft schien die Haut zu liebkosen« (159).

Im Zuge dessen ist der Roman gespickt von Symbolen und Leitmotiven, die eine wichtige Rolle bei der Interpretation und Auslegung spielen (vgl. hierzu auch die Analysen in Kapitel 3). Die Staatsmacht Ozeanien wird beispielsweise von der symbolischen Figur des Großen Bruders angeführt, die sowohl für Macht und Kontrolle als auch für den Schutz steht, den der Staat für die Bürger leistet (vgl. Kapitel 4. Figuren).

Ein weiteres Symbol ist Winstons Krampfaderngeschwür, das »ein körperliches Symptom für seine unter dem Regime leidende Psyche« (Herforth 2019: 98) ist. Hanowell nennt außerdem noch Staub und Wind, die vor allem zu Beginn des Romans herausgehoben werden: der Wind als Kraft der Natur, die sich dem Staat nicht beugt, und der Staub als allgegenwärtiger Bestandteil des Nachkriegslondons (vgl. Hanowell 2021: 424f.).

Als weitere wichtige Leitmotive sind der Briefbeschwerer, das Goldene Land sowie die immer wiederkehrenden Kinderreime zu nennen. Sowohl der Briefbeschwerer als auch die Kinderreime repräsentieren die Vergangenheit, die Winston verzweifelt versucht zu rekonstruieren. Dabei steckt auch in beiden eine Warnung, die sich zum Schluss bewährt: Das Glas des Briefbeschwerers ist zerbrechlich und der Kinderreim enthält zum Schluss die Zeile: »Here comes a chopper to chop off your head« (135) (»Hier kommt ein Henker, um dir den Kopf abzuschlagen«).

Immer wieder tauchen Paradoxa und Widersprüche auf. Dies ist dem Prinzip des Doppeldenk geschuldet, dem grundlegenden Prinzip der Sprache in Ozeanien. Ein Beispiel dafür sind die Ministeriennamen: das Ministerium für Liebe, das für Folter zuständig ist, das Ministerium für Frieden, das sich mit Krieg beschäftigt, das Ministerium für Wahrheit, das an der Vertuschung dieser arbeitet und das Ministerium für Fülle, das Hunger verursacht. Hieran erkennt man auch einen satirischen oder ironischen Unterton des Romans. 

Veröffentlicht am 31. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 31. Juli 2023.