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1984

Rezeption und Kritik

Orwell sandte sein Manuskript 1948 an seinen Verleger Frederic Warburg, der das Buch als eines der »most terrifying books I have ever read« (»eines der erschreckendsten Bücher, die ich je gelesen habe«) bezeichnete (Waddel 2020: 1). Obwohl Warburg so bestürzt darüber war, hielt er es für ein großartiges Buch und setzte sich trotz einer Papierkrise zu dieser Zeit dafür ein, dass es veröffentlicht wurde (ebd.).

Diese Reaktion lässt sich über die Jahre immer wieder bei Lesern beobachten. Obwohl es sie erschreckt, rüttelt es sie auf und konfrontiert sie mit beklemmend genauen und zeitlosen Beobachtungen über die reale Welt. Die erste Kritik erschien im Juni 1949 im »Guardian«, der »1984« als eine Quelle von Weisheit und Warnung wahrnahm. Es sei ausgesprochen lehrreich und brillant geschrieben (vgl. The Guardian 1949).  

1959 verfilmte der Regisseur Michael Anderson das Buch zum ersten Mal. Im Jahr 1984, dem »Orwell-Jahr«, lebte das Interesse an Orwells Geschichte erneut auf. In den Vereinigten Staaten bekam sie den Titel »Buch des Jahres« verliehen. Außerdem erschien eine zweite Verfilmung von Michael Radford mit John Hurt in der Hauptrolle, die Weltbekanntheit erreichte. Diese Verfilmung war deswegen so beliebt, weil sie sich weitgehend an die Buchvorlage hielt und auch an den Originalschauplätzen in London gedreht wurde (vgl. Ellenrieder 2021: 60).

Neben der Filmindustrie inspirierte »1984« auch zahlreiche andere Autoren und Künstler, wie beispielsweise Anthony Burgess (1962 »Clockwork Orange« – »Uhrwerk Orange«) oder Margaret Atwood (1985 »The Handmaid’s Tale« – »Der Report der Magd«). Auch Alan Moores Graphic Novel »V for Vendetta« (»V wie Vendetta«) aus den 1980er-Jahren zeigt mit der Herrschaft einer faschistischen Partei über England große Ähnlichkeiten zur Vorlage Orwells (vgl. Hanowell 2021: 436).

»1984« will auf die Gefahren von Gewaltherrschaft in jeder Form hinweisen und vor allem mit dem totalitären Machtsystem abrechnen. Obwohl Orwell das Buch nicht als Angriff auf den Sozialismus verstand und sogar selbst überzeugter Sozialist war, wurde es häufig als solcher verstanden (vgl. ebd.: 433f.). In der DDR war es schlichtweg verboten, »1984« zu lesen – wer das tat, konnte mit Gefängnisstrafen rechnen, denn man hielt es für antisowjetische und antisozialistische Propaganda (vgl. Hoffmann/Barth 2019).

Im heutigen Sprachgebrauch ist »Big Brother« noch immer präsent – man fühlt sich sofort an Orwells Werk erinnert, wenn man Themen wie staatlicher Überwachung, Falschnachrichten (»fake news«) oder der Sammlung privater Daten gegenübersteht. Sowohl Politiker als auch Intellektuelle ziehen »1984« immer wieder als Vergleich heran (vgl. Ellenrieder 2021: 61). Im englischsprachigen Raum gibt es sogar das Adjektiv »Orwellian«, was für Gefahren für die freie und offene Gesellschaft gebraucht wird (vgl. Hanowell 2021: 435).

Seit 2000 gibt es in Bielefeld sogar die »Big Brother Awards« – dabei handelt es sich um Negativpreise, die für besonders scharfe Verletzungen der Privatsphäre und des Datenschutzes verliehen werden. 2018 ging der »Big Brother Award« in der Kategorie Verbraucherschutz an die Firma Amazon mit ihrem Sprachassistenten Alexa (vgl. Hoffmann/Barth 2019). 

Veröffentlicht am 31. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 31. Juli 2023.