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Der große Gatsby

Sprache und Stil

Der Schreibstil von Fitzgeralds »Der Große Gatsby« ist zeitweise ironisch, hat im Großen und Ganzen jedoch eine schwermütige Note, die aus vielen Symbolen und Handlungen resultiert. Fitzgerald verwendet in seinem Werk wiederkehrende Metaphern, bildliche Darstellungen und eine oft ziemlich poetische Sprache, um ein Gefühl von Wehmut zu erzeugen, aber auch, um den im Buch dargestellten Elitismus widerzuspiegeln. Das gesamte Buch kann als eine Art poetisches Klagelied für Jay Gatsby gelesen werden, schließlich arbeitet er jahrelang so hart dafür, sein großes Lebensziel zu erreichen, verfehlt dieses aber dennoch am Schluss.

Zum einen gehört dazu das grüne Licht, das sich am Ende von Daisys Dock befindet und auf welches Gatsby oft blickt. Es steht für Gatsbys Hoffnungen und Träume für die Zukunft, für seinen Reichtum und auch seine große Liebe Daisy. Im ersten Kapitel greift er in der Dunkelheit nach dem grünen Licht, das ihn zu seinem Ziel führen soll. Gatsbys Suche nach Daisy, sein Streben nach Reichtum, sowie das Erhalten ihrer Liebe wird mit dem amerikanischen Traum assoziiert, was das grüne Licht eben auch symbolisiert. Im letzten Kapitel vergleicht der Erzähler Nick das grüne Licht auch damit, wie das einst noch grüne und unberührte Amerika für die ersten Siedler ausgesehen haben muss. Da Gatsbys große Träume für ihn tragisch enden, bekommt das grüne Licht im Laufe der Handlung eine schwermütige Note.

Das Tal der Asche zwischen Long Island und New York City, das im zweiten Kapitel zum ersten Mal erwähnt wird, kann ebenfalls als ein solches Symbol gelesen werden. Das Tal der Asche besteht aus einer langen Strecke trostlosen Landes, das durch die Ablagerung von Industrieasche entstanden ist. Metaphorisch gesehen steht es für den moralischen und sozialen Verfall, der sich in dem ungehemmten Leben der New Yorker High Society zeigt, wenn die Reichen sich ohne Rücksicht auf Verluste ihrem eigenen Vergnügen hingeben, aber auch in dem Streben nach Reichtum, das überall zu sehen ist. Das Tal der Asche symbolisiert an sich aber auch die Not der Armen, die wie George Wilson unter der schmutzigen Asche leben und denen dadurch ihre Lebenskraft entzogen wird. Gleichzeitig zeigt der Ort die große Diskrepanz zwischen Arm und Reich, da die einzig wirklich armen (oder, genauer gesagt, nicht reichen) Charaktere dort wohnen.

Nick beschreibt Gatsby als eine außergewöhnlich stilvolle, elegante und anmutige Figur, was durch die vielen Metaphern und wohlklingenden musikalischen Sätze unterstrichen wird. Wenn er jedoch über andere Figuren spricht, steht die gehobene, metaphorische Sprache oft in ironischem Kontrast zu dem von Nick benutzen Unterton von Spott und Ironie, wobei die wohlklingendsten Zeilen für die Figur des Gatsby reserviert sind.

Ein immer wiederkehrender Begriff im Roman ist »alter Knabe« (»old sport« im Englischen, das so viel bedeutet wie Sportsfreund, oder eben auch alter Knabe) – so nennt Gatsby Nick immer wieder. Der Begriff wurde im Englischen häufig von Menschen der Upper Class – die Klasse der Menschen des East Egg, die seit Generationen im Wohlstand leben – verwendet. Da Gatsby dieser Oberschicht unbedingt angehören will, ahmt er deren Redeweise nach, was sich in der Wiederholung des Begriffs spiegelt. Trotz all seiner Anstrengung gelingt es Gatsby jedoch nicht, bei seiner Redeweise natürlich zu klingen, was Nick bei ihrem ersten Aufeinandertreffen bemerkt: »ich schaute in das Gesicht eines eleganten jungen Raubeins […], dessen formvollendete Redeweise ans Absurde grenzte. Schon einige Zeit ehe er sich vorstellte, hatte ich den starken Eindruck, dass er seine Worte mit Bedacht wählte« (62).

Gatsbys Besessenheit, von allen als wohlhabend angesehen zu werden, was für ihn die Erfüllung seines Traums bedeutet, wird sprachlich in einer Mischung aus Schwermut und Witz dargestellt. Nick beobachtet das rege Treiben in seinem Nachbarhaus mit einer ironischen Leichtigkeit, die im starken Kontrast zu den zwanghaften Anstrengungen Gatsbys steht, seine vielen Gäste von sich und seinem Reichtum zu überzeugen: 

    An den Wochenenden wurde [Gatsbys] Rolls-Royce zum Pendelbus, der von neun Uhr morgens bis weit nach Mitternacht Leute in die Stadt beförderte und von dort abholte, während sein Kombiwagen wie ein munterer Käfer hin und her hetzte, um alle Züge zu erreichen […]. Jeden Freitag trafen fünf Kisten mit Orangen und Zitronen ein von einem Obsthändler in New York – jeden Montag wanderten ebendieselben Orangen und Zitronen in einer Pyramide aus fleischlosen Hälften zur Hintertür wieder hinaus. (51)

Obwohl Gatsby all diese Anstrengungen betreibt, der perfekte Gastgeber zu sein und es keinem Menschen, der bei ihm zu Besuch ist, an etwas fehlen zu lassen, so ist er auch bemüht, bescheiden zu klingen, was sich in seinen Worten widerspiegelt. So steht auf Nicks erster Einladung zu einer von Gatsbys berüchtigten Feiern, dass er sich über sein Kommen zu seiner »kleinen Party« (54) freuen würde, die natürlich alles andere als klein ist. Jordan Baker bestätigt, dass Gatsby für seine »großen Partys« (63) berühmt ist.

Das Werk ist durchzogen von poetischen und ausschmückenden Worten, die darauf hinweisen, wie hoch der Bildungsstand der Charaktere ist – fast alle genannten Figuren haben an Eliteuniversitäten studiert. Der Elitismus und gehobene Stand, der Nick allein schon durch seine Familie, seinen Wohnort und die Menschen, mit denen er sich umgibt, charakterisiert, zeigt sich noch einmal deutlich, als Tom ihn mit zu seiner Freundin in der Stadt mitnimmt. Der sonst so poetische, gehobene Schreibstil passt sich an die Örtlichkeiten an, als sie die Autowerkstatt betreten: »Der Innenraum wirkte dürftig und kahl; nur ein einziges Auto war zu sehen, das staubbedeckte Wrack eines Ford, das sich in eine düstere Ecke duckte« (35). Dass Nick nicht glauben kann, wo sie sich gerade befinden, spiegelt sich auch in seinen Gedanken wider: »Mir schoss bereits durch den Kopf, dass dieser Schatten von einer Werkstatt eine Attrappe sein müsse und dass sich im Obergeschoss wohl romantische Luxus-Apartments verbargen, als in einer Bürotür der Besitzer erschien und sich die Hände an einem alten Lappen abwischte« (35).

Der Text arbeitet oft auch mit Gegensätzen, um den stetigen Wunsch der Unterschicht nach Wandel und gesellschaftlichem Aufstieg zu kennzeichnen. Als Nick mit Mrs. Wilson und Tom durch die Stadt fährt, fällt ihm die gegensätzliche Situation besonders auf: »Oben an der pomphaften, hallenden Zufahrt ließ sie vier Taxis davonfahren, ehe sie sich für einen neuen, lavendelfarbenen Wagen mit grauen Polstern entschied, und in diesem glitten wir schließlich aus dem Bahnhofsgetümmel hinaus in den strahlenden Sonnenschein« (37). Die Aufzählung der Gegensätze (»pomphaft«, »hallend«, »Bahnhofsgetümmel« steht gegenüber von dem »neuen, lavendelfarbenen Wagen«, der »hinaus in den strahlenden Sonnenschein« fährt) verdeutlicht allerdings auch Nicks Faszination mit allem, für das die Stadt steht. Auch sonst ist die Sprache im Roman oftmals satirisch und mit einer ironischen Leichtigkeit versehen, die oft durch den Gebrauch von Gegensätzen unterstrichen wird. Jordan Baker erklärt zum Beispiel den Reiz von großen Partys mit dem Umstand, dass sie »so intim« (63) seien.

Einige sprachliche Mittel verwendet Fitzgerald konstant über das ganze Werk hinweg, z. B. Wiederholungen:

    Daisy hatte ein trauriges, hübsches Gesicht mit leuchtenden Stellen darin, leuchtenden Augen und einem leuchtenden, sinnlichen Mund, doch in ihrer Stimme lag eine Erregung, die Männer, denen sie etwas bedeutet hatte, nur schwer vergessen konnten: ein singendes Drängen, ein raunendes ›Hör doch‹, eine Verheißung, sie habe eben erst köstliche, aufregende Dinge erlebt und schon die nächste Stunde halte weitere köstliche, aufregende Dinge für sie bereit (19).

Die wiederholten Wörter haben eine verstärkende Wirkung, die die angesprochenen Punkte noch unterstreichen.

Auch Hyperbeln, also Übertreibungen, die nicht wörtlich zu verstehen sind, sind im gesamten Buch zu finden, wie zum Beispiel, als Nick die Buchanans zum ersten Mal besucht und Daisy sagt: »Ich bin wie g-gelähmt vor Freude« (18). Ihre Übertreibung soll ihre Freude untermalen, die sie empfindet, als sie Nick sieht – gelähmt ist sie natürlich nicht im wörtlichen Sinne. Alles in allem zeigen die rhetorischen Mittel in diesem Text allesamt eine verstärkende, unterstreichende Wirkung.  

Veröffentlicht am 10. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 10. August 2023.