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Der große Gatsby

Kapitel 1

Zusammenfassung

Der Erzähler des Romans, Nick Carraway, beginnt die Geschichte mit einer Erinnerung an die Worte seines Vaters: Nick solle andere nicht kritisieren, denn schließlich habe niemand auf der Welt so viele Vorzüge genossen wie er. Diesen Worten folgend, hält sich Nick seither mit Urteilen über andere zurück. Doch obwohl Nick sich selbst als sehr tolerant erachtet, gibt er zu, den dem Buch seinen Namen gebenden Gatsby für all das, wofür er steht, zu verachten – und trotzdem verurteile er ihn nicht. Nick beschreibt Gatsby als optimistische, schillernde Persönlichkeit, die empfänglich ist für die Verheißungen des Lebens; und doch zehre etwas an ihm.

Nick, der gerade aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist und die Yale Universität besucht hat, fühlt sich in seiner Heimatstadt Minnesota, in welcher seine Familie seit drei Generationen lebt, rastlos, und beschließt, nach New York zu ziehen. Da viele seiner Bekannten im Aktienhandel erfolgreich sind, plant auch er, diesem Weg zu folgen. Zunächst hatte er vorgehabt, mit einem Kollegen zusammenzuziehen, doch dieser wird geschäftlich an einen anderen Ort gerufen, und so zieht Nick allein nach West Egg, einem Vorort von Long Island, nahe New York. Sein Haus, das er selbst als »Schandfleck« (14) zwischen all den teuren Villen betrachtet, steht gegenüber der Bucht des East Egg.

Die eigentliche Geschichte beginnt, so Nick, als er eines Abends Daisy Buchanan, die Tochter einer Cousine zweiten Grades, und ihren Ehemann Tom, den er noch vom College kennt, in ihrer prachtvollen Villa im East Egg besucht. Tom trägt bei seiner Ankunft Reitkleidung und unterhält sich überheblich und auf eine abwertende Art und Weise mit ihm. Toms Verhalten erinnert Nick daran, dass ihn bereits in Yale viele Menschen nicht mochten, und er findet, dass sich sein Verhalten seit ihrer Collegezeit nicht sehr stark verändert hat. An diesem Abend lernt Nick eine junge Frau namens Jordan Baker kennen, ein weiterer Gast der Buchanans, die bei seiner Ankunft scheinbar gelangweilt auf einer Couch liegt.

Nick unterhält sich für eine Weile mit seiner Cousine Daisy, bis Tom ihr Gespräch unterbricht. Tom erklärt, die Zivilisation breche zusammen, was er im Buch „Der Aufstieg der farbigen Völker“ von Goddard gelesen habe – ein Buch, welches er auch Tom empfiehlt. Während des gemeinsamen Abendessens wird Tom vom Butler für ein Telefongespräch vom Tisch weggeholt, und kurz darauf hören Jordan und Nick Daisy und Tom aufgeregt miteinander diskutieren. Auf Nicks Nachfrage hin erklärt Jordan, Tom hätte eine Affäre mit einer Frau in New York, und alle Welt wisse davon.

Der Rest des Abends vergeht in einer angespannten Atmosphäre, bis Jordan sich zurückzieht und Nick nach Hause fährt. Bei seinem Abschied empfehlen Tom und Daisy ihm, eine Beziehung mit Jordan einzugehen. Bei seiner Rückkehr sieht Nick seinen Nachbarn, Mr Gatsby, im Dunkel vor seiner Villa stehen und auf das Wasser hinausblicken. Nick möchte ihn eigentlich ansprechen, doch dann sieht er Gatsby seine Hände Richtung Meer ausstrecken. Dort draußen, auf der anderen Uferseite, erkennt Nick ein einzelnes grünes Licht am Ende eines Piers leuchten.

Analyse

Besonders stark in den Vordergrund rückt in diesem ersten Kapitel die Spaltung der Gesellschaft, und insbesondere der Menschen auf der Insel nahe New York, auf welcher Nick lebt. Nick erklärt, dass sein Wohnort, das »weniger mondäne« (14) West Egg, zu den neureichen Gegenden zählt, in denen Selfmade-Millionäre wie Mr. Gatsby leben, oder jene, die es werden wollen. Auf der anderen Seite, »[j]enseits der geschwungenen Bucht«, wo die »weißen Paläste des mondänen East Egg am Ufer« (14) glänzen, und wo auch Tom und Daisy Buchanan leben, hält sich die Elite auf, die seit Generationen mit viel Geld aufgewachsen ist. Nick hebt außerdem den Unterschied zwischen seinem, wie er es nennt, »Schandfleck« (14) von einem Haus, und den großen Villen, zwischen denen es steht, hervor. Bei seinem Besuch bei den Buchanans wird Nick sich des Standesunterschiedes zwischen den beiden Ortsteilen, aber auch zwischen den dort lebenden Menschen, überdeutlich bewusst. Obwohl in keinem der beiden Inselteile Armut herrscht, wird der Elitismus, der im Buch konstant beschrieben wird, besonders im East Village deutlich. Jordan Baker und Daisy Buchanan verkörpern diese Art von unbekümmerter Sorgenfreiheit der reichen Menschen. Wie reich und verwöhnt sie sind, zeigt sich u. a. in der Art und Weise, wie sie bei Nicks Ankunft auf einer Couch liegen. Im Kontrast dazu steht Daisys nur halb im Spaß versteckter Zynismus über die dunkle Seite dieses unbesorgten Reichtums – wenn man haben kann, was immer man will, wann immer man es will, verliert das Leben irgendwann an Wert.

Ein weiteres großes Thema sind Beziehungen und Liebe. Nick fällt bereits bei seiner Ankunft auf, dass Daisy und Tom scheinbar aneinander vorbeireden. Nachdem Nick durch Jordan Baker von Toms Affäre erfahren hat, bemerkt er zudem, wie unglücklich Daisy über Toms Fremdgehen ist. In einem Moment der Ruhe berichtet Daisy Nick von Toms Desinteresse an ihrer Ehe. Sogar nach der Geburt ihrer Tochter sei er nicht bei ihnen gewesen: »sie war noch keine Sekunde alt und Tom war weiß Gott wo« (28). Zugleich wird Nick bewusst, dass Daisy Tom in keinem Fall verlassen wird – egal, wie unglücklich sie in der Beziehung auch sein mag: »Mir schien, das einzig Richtige für Daisy wäre gewesen, wenn sie auf der Stelle das Haus verlassen hätte, mit dem Kind auf dem Arm – doch offenbar hatte sie nichts dergleichen im Sinn« (31). Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den Umstand, dass Daisy und Tom sich kurz vor Nicks Abschied gemeinsam für eine Beziehung zwischen ihm und Jordan einsetzen. Dass sie gerade in Liebesdingen einer Meinung sind, erscheint in der gegenwärtigen Situation ironisch.

Eines der wichtigsten Motive des Buches, das auch am Ende des Romans nochmals aufgegriffen wird, ist das grüne Licht am Ende des Piers. Grün wie die Hoffnung ist auch das Licht – und spiegelt hier Gatsbys Hoffnung wider, Daisys Herz endlich zu erobern. Gleichzeitig steht es aber auch allgemein für den amerikanischen Traum, »die sprichwörtliche Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär«, die auch Gatsby als Figur »scheinbar idealtypisch verkörpert« (Dähling 3). Hinsichtlich seiner Hoffnung, genug Geld zu verdienen, um endlich »gut genug« für eine Beziehung mit Daisy zu sein, kann das grüne Licht auch Gatsbys ganz persönlichen amerikanischen Traum darstellen. Dieser Traum – etwas möglicherweise Unerreichbares allein durch harte Arbeit zu erreichen – steht im Roman im Kontrast dazu, dass manche Träume tatsächlich nur Träume bleiben, egal, wie hart man dafür kämpft. Der American Dream kann als Mythenkomplex beschrieben werden, der sich aus verschiedenen Mythen zusammensetzt: dem »Frontier-Mythos«, dem Mythos des »Self-Made Man«, zu dem auch der berühmte amerikanische Spruch »From Rags to Riches« zählt, sowie der Mythos des »Land of Endless Opportunities« (Dingelmaier 48). All diese Mythen bilden den Hintergrundton, der Fitzgeralds Roman ausmacht.

Veröffentlicht am 10. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 10. August 2023.