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Der große Gatsby

Kapitel 8

Zusammenfassung

Gatsby wartet die ganze Nacht, aber nichts passiert. Am nächsten Morgen schlägt Nick Gatsby vor, für eine Weile wegzugehen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis jemand bemerken werde, dass das Unfallfahrzeug seines sei. Gatsby kann sich nicht vorstellen, Daisy in diesem Moment allein zu lassen, und entscheidet sich zu bleiben. Nick erzählt den Leser:innen, dass dies der Moment war, in dem er von Gatsbys Geschichte erfahren hatte – jene Geschichte, die er bereits in Kapitel 6 offenbart hatte, über seine Jugend bei Dan Cody:

Daisy sei das erste feine Mädchen gewesen, das Gatsby je kennengelernt hatte. Ihre reiche Herkunft habe ihn beeindruckt, und alles, was für ihn so besonders erschienen war, sei für sie alltäglich gewesen. Ihre feine Herkunft habe ihm gefallen, ebenso wie der Umstand, dass sie bereits von vielen Männern geliebt worden war, was in seinen Augen ihren Wert gesteigert hatte.


Gatsby habe sie mit seiner Offiziersuniform getäuscht und ihr vorgemacht, ihr Sicherheit bieten zu können. Er sei überwältigt gewesen, als er herausfand, dass er sie liebte. Als Hauptmann musste er im Krieg an die Front, wo er sich gut schlug. Er habe versucht, nach Kriegsende zurückzukehren, sei aber aufgrund eines Verwaltungsfehlers nach Oxford geschickt worden. In der Zwischenzeit habe Daisy Tom geheiratet.

Gatsby überlegt, was nun geschehen wird. Er versucht, sich selbst zu versichern, dass Daisy ihn immer noch liebt und dass die beiden glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben können. Einer seiner Angestellten verkündet, er werde an diesem Tag den Pool trockenlegen, doch Gatsby sagt, er solle noch einen Tag warten – er habe den Pool den ganzen Sommer über noch nie benutzt.

Bevor Nick zur Arbeit geht, versucht er, Gatsby aufzumuntern, indem er ihm zuruft, er sei mehr wert als das ganze elende Pack. Ob damit Daisy und Tom gemeint sind oder die vielen Menschen, die bei Gatsby ein und ausgehen, ist nicht klar.

Als er bei der Arbeit ist, ruft Jordan ihn an. Sie sind beide kalt zueinander. Sie reden eine Weile, doch dann legt einer der beiden auf. Nick fühlt sich nicht in der Lage, mit Jordan zu plaudern. Er versucht ein paar Mal, bei Gatsby anzurufen, aber es ist besetzt. Nicks Erzählung geht nun zurück zur vorangegangenen Nacht in Wilsons Werkstatt.

Es war schwer gewesen, Myrtles Schwester zu erreichen, die schließlich sturzbetrunken an der Unfallstelle angekommen und in Ohnmacht gefallen war. Michaelis war bei Wilson gewesen und hatte versucht, ihn zu trösten. Wilson hatte inmitten seiner Trauer seinen Verdacht enthüllt, dass seine Frau eine Affäre gehabt hatte. Er hatte ein teures Hundehalsband in ihrem Zimmer gefunden und war sich sicher, dass dies ein Geschenk ihres Geliebten gewesen sein musste. Wilson war plötzlich zu dem Schluss gekommen, dass der Fahrer des Unfallwagens ebenjener Geliebte gewesen sei. Vor ihrem Tod hatte Wilson seiner Frau gesagt, dass sie ihm zwar etwas vormachen könne, aber nicht Gott.

Um zwei Uhr nachmittags zieht Gatsby seinen Badeanzug an, nimmt eine Luftmatratze und geht zum Pool. Telefonate solle man ihm mitteilen – doch ein Anruf bleibt aus. Der Chauffeur hört Schüsse. Nick erscheint in Gatsbys Haus, wo er, gemeinsam mit dessen Angestellten, Gatsbys Leiche im Pool treiben findet. Wilsons lebloser Körper liegt nicht weit davon entfernt im Gras.

Analyse

Gatsbys Erzählung über sein anfängliches Werben um Daisy bietet Nick die Gelegenheit, Gatsbys Liebe zu ihr zu analysieren. Nick bemerkt, dass Daisys Aura von Reichtum und Privilegien – ihre vielen Kleider, ihr riesiges, wunderschönes Haus, ihre fehlenden Sorgen – eine zentrale Komponente von Gatsbys Anziehung zu ihr sein muss. »Sie war das erste ›feine‹ Mädchen, das er kennenlernte« (S. 180), und in vielerlei Hinsicht hat sie ihm damit die Augen geöffnet und ihm einen anderen Lebensentwurf vorgestellt.

Gatsbys Traum, Daisys Herz zu erobern, wird auf eine Motivation für materiellen Gewinn reduziert. Seine Liebe gleicht einer Raserei, und er beginnt, über alle Maße hinaus zu leben und zu träumen. Mit dem enormen Wandel, den er innerhalb weniger Jahre vollzieht, stellt Gatsby den sozialen Wandel in den 1920er-Jahren symbolisch dar, in den Verdichtungen seiner »Hoffnungen und Träume« (Zapf 265) übersteigt er diese aber auch. Zu jener Zeit sei er Daisys nicht würdig gewesen, so Gatsby, doch genommen habe er sie sich trotzdem (»Er nahm, was er kriegen konnte, gierig und skrupellos – und irgendwann in einer stillen Oktobernacht nahm er auch Daisy, nahm sie, weil er eigentlich nicht mal das Recht hatte, ihre Hand zu berühren« (S. 181)). Der »große« Gatsby lernt auf diese Weise, groß zu träumen und immer nach den Sternen zu greifen.

Auf diese Weise stellt Gatsby in vielerlei Hinsicht das Symbol für das Amerika der 1920er-Jahre dar, das, was laut Nick vulgär und leer geworden ist und nur noch aus der Gier der Menschen und ihrem unermesslichen Streben nach Geld besteht. So wie der amerikanische Traum – das Streben nach Glück – zu einem Streben nach bloßem Reichtum verkommen ist, ist Gatsbys großer Traum vom Glück mit Daisy zur Motivation für verschwenderische Exzesse und kriminelle Aktivitäten geworden.

Auch Daisy steht für diese Leere, das Leben, das von Luxus nur so strotzt, aber keine Tiefe bietet: »plötzlich hatte sie wieder jeden Tag ein halbes Dutzend Rendezvous mit einem halben Dutzend Männer; bei Tagesanbruch fiel sie in einen dämmrigen Schlaf, und neben ihrem Bett auf dem Boden lagen wild verstreut die Perlen und der Chiffon eines Abendkleides zwischen welkenden Orchideen« (S. 184). Die welkenden Blumen zeigen hier sowohl die Vergänglichkeit als auch die Zerbrechlichkeit dieses Lebensstils, der eigentlich nur aus Leere besteht.

Veröffentlicht am 10. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 10. August 2023.