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Der große Gatsby

Zitate und Textstellen

  • »›Na schön‹, sagte ich, ›ich bin froh, dass es ein Mädchen ist. Und ich hoffe, sie wird ein Dummkopf – das ist das Beste, das ein Mädchen in dieser Epoche sein kann, ein hübscher kleiner Dummkopf.‹«
    – S. 28, Daisy Buchanan

    Daisy erzählt Nick im ersten Kapitel von ihrer kleinen Tochter und spricht dabei diese Worte aus. Das Zitat spiegelt die in der damaligen Gesellschaft wichtigen Kerncharakteristika aus, die für Frauen galten: Sie sollten hübsch anzusehen sein, aber ansonsten über wenig andere herausragende Eigenschaften verfügen – Unterwürfigkeit und Gehorsam wurden bei Frauen geschätzt und sie sollten als attraktives Anhängsel fungieren. Gleichwohl kann das Zitat auch für Daisys Wunsch stehen, ihrer Tochter möge das Leid erspart bleiben, das ihr selbst mit ihrem fremdgehenden Ehemann widerfährt. Obwohl Daisy als äußerst hübsch beschrieben wird und somit dem Bild einer Frau aus ihrem eigenen Zitat entsprechen könnte, ist sie doch schlauer, als es den Anschein haben mag, und sieht und hört mehr, als sie verlauten lässt. So deutet sie oft sarkastisch an, wie überdrüssig sie des langweiligen Lebens der Elite ist, und könnte mit diesem Zitat auch sagen, dass ein Mädchen mehr Spaß am Leben haben kann, wenn es sich durch Naivität den schwerwiegenderen Themen des Lebens entzieht.

  • »Er lächelte verständnisvoll – weit mehr als verständnisvoll. Es war ein Lächeln jener seltenen Art, die einem für alle Zeiten Beruhigung verspricht, ein Lächeln, wie es einem vielleicht vier- oder fünfmal im Leben begegnet. Es blickte – so schien es zumindest – der gesamten äußeren Welt einen Moment lang entgegen, und dann konzentrierte es sich auf dich mit unwiderstehlicher, wohlwollender Voreingenommenheit. Es verstand dich gerade soweit, wie du verstanden werden wolltest, glaubte an dich, wie du selbst gern an dich glauben würdest, und versicherte dir, es habe von dir genau den Eindruck, den du dir im besten Fall zu vermitteln hofftest.«
    – S. 62, Erzähler Nick Carraway

    Diese Textstelle ist wichtig, weil sie die Figur des Jay Gatsby in ihrer Essenz erfasst. Die Beschreibung von Gatsbys Lächeln verdeutlicht sowohl die theatralische, aufgesetzte Qualität seines Charakters, als auch sein Charisma und sein einnehmendes Wesen. Für Gatsby ist nichts wichtiger als der schöne Schein, der seine Figur umgibt. Obwohl um ihn viele falsche Gerüchte kursieren, berichtigt er keines von ihnen und lässt die Menschen weiter rätseln. Als er Nick das erste Mal von sich erzählt, webt er eine Geschichte, die zwar gewisse Wahrheiten enthält, diese aber auch sehr ausschmückt – seine Geschichte hat er sich bereits gut zurechtgelegt und genau deshalb erscheinen sie für Nick unehrlich. Den Menschen, die nur Gatsbys Reichtum sehen, fällt dies aber entweder nicht auf oder es ist ihnen egal. Erst im Laufe der Geschichte erfährt Nick, unter anderem über den zwielichtigen Charakter des Meyer Wolfshiem, dass Gatsby auch mit illegalen Mitteln zu seinem Reichtum gekommen ist; die Frage nach dem ‚wie genau‘ umgeht Gatsby aber stets gekonnt. Aus dem Zitat geht hervor, dass es für Gatsby äußerst wichtig ist, was die Menschen von ihm halten, was er später auch Nick oft fragt.

  • »Die Wahrheit war, dass Jay Gatsby aus West Egg, Long Island, seiner eigenen platonischen Idee von sich selbst entsprang. Er war ein Sohn Gottes – ein Ausdruck, der, wenn überhaupt etwas, dann genau das bedeutet -, und folgend dem Geheiß seines Vaters huldigte er einer grenzenlosen, vulgären und trügerischen Schönheit. So erfand er einen Jay Gatsby, wie ihn ein siebzehnjähriger Junge kaum anders erfinden konnte, und dieser Idee blieb er bis zum Schluss treu.«
    – S. 122, Erzähler Nick Carraway

    Als Nick Gatsbys wahre Herkunft und Geschichte beschreibt, verwendet er diesen auffälligen Vergleich zwischen Gatsby und Jesus, um die Entwicklung von Gatsbys eigener Identität zu beleuchten. Auch in Gatsbys Tod am Ende des Buches sind Parallelen zu Jesus zu finden (Christensen S. 15). Obwohl die Parallele zwischen Gatsby und Jesus kein wichtiges Motiv im Roman ist, ist es dennoch ein anregender Vergleich, da Gatsby sich in das Ideal verwandelt, das er sich als Jugendlicher vorgestellt hat (»seiner eigenen platonischen Idee von sich selbst«), und diesem Ideal trotz der Hindernisse, die die Gesellschaft der Erfüllung seines Traums in den Weg stellt, bis zum Ende treu bleibt.

  • »Beide, Tom und Daisy, waren sorglose Menschen – sie zerstörten Dinge und Lebewesen und zogen sich dann zurück in ihr Geld oder ihre unermessliche Sorglosigkeit oder was immer es war, das sie zusammenhielt, und ließen andere Leute das Chaos beseitigen, das sie angerichtet hatten.«
    – S. 218, Erzähler Nick Carraway

    Nick denkt diese Worte, nachdem er am Ende des Buches nach langer Zeit Tom Buchanan auf der Straße wiederbegegnet, und sie zeigen deutlich, was Nick von den Buchanans hält – nämlich, dass sie oberflächliche Menschen sind, die ohne Rücksicht auf andere, ohne Sorge um Verluste und ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Auswirkungen ihre Handlungen für andere haben könnten, durchs Leben gehen. In ihrer Sorglosigkeit sind sie beide auf ihre eigene Weise für den Tod von Jay Gatsby verantwortlich, doch ein schlechtes Gewissen scheint keiner der beiden zu haben. Aus dem Zitat geht auch hervor, dass Nick nicht versteht, warum die beiden überhaupt zusammen sind, und dass es wohl nur ihr gleicher, auf Geld ausgelegter Charakter ist, der sie zusammenhält. Mit dem Chaos, das Nick anspricht, könnte er Gatsbys Tod und seinen eigenen unermüdlichen Einsatz meinen, Gäste für Gatsbys Beerdigung zu finden – all das hätte verhindert werden können, genauso wie Gatsbys Tod selbst, hätten Tom und Daisy anders gehandelt.

  • »Gatsbys Haus stand immer noch leer, als ich abreiste – das Gras seines Rasens war inzwischen genauso hoch wie meins.«
    – S. 219, Erzähler Nick Carraway

    Diese Zeilen spielen auf den Umstand an, dass Gatsby eine Person zum Mähen seines Rasens angestellt hatte, um diesen auf die perfekte Höhe zu stutzen. Der Unterschied zu Nicks Rasen wurde besonders deutlich, als Gatsby Nick bat, Daisy zu sich nach Hause zum Tee einzuladen, damit er sie treffen konnte. Vor Daisys Ankunft lässt Gatsby auch Nicks Rasen mähen, was zeigt, wie sehr er auf kleinste Details achtet; obwohl Nicks Rasen in Nicks Verantwortung liegt, möchte Gatsby, dass alles, was auch nur ansatzweise auf seine Erscheinung bei Daisy Einfluss haben könnte, perfekt ist. Mit seiner Aussage zeigt Nick, wie groß der Unterschied zwischen Gatsby und ihm war, was den Reichtum seines Nachbarn anbelangt, und wie wichtig Gatsby solche Äußerlichkeiten wie die Länge seines Rasens waren. Jetzt, nach seinem Tod, ist der Rasen ohne Gatsbys Pflege unkontrolliert gewachsen.

  • »Am letzten Abend, mein Koffer war gepackt und mein Auto an den Lebensmittelhändler verkauft, ging ich hinüber und betrachtete noch einmal jene riesige, absurde Karikatur eines Hauses. […] Die meisten der großen Villen am Ufer waren inzwischen verlassen, und es war kaum ein Licht zu sehen außer dem schattenhaften, dümpelnden Schimmer einer Fähre auf der anderen Seite des Sunds.«
    – S. 219-220, Erzähler Nick Carraway

    Am Ende der Geschichte, kurz vor seiner Abreise, betrachtet Nick Carraway noch einmal das Haus seines ehemaligen Nachbarn Jay Gatsby. Jetzt, da es nicht mehr hell erleuchtet und voller Gäste und Musik ist, sieht Nick, wie absurd riesig es wirklich ist – besonders, wenn man bedenkt, dass nur eine einzelne Person es bewohnt hat. Genauso wie sein Bewohner es war, ist auch das Haus überlebensgroß und nur eine Karikatur, nicht echt, und gleicht eher einem Museum oder Veranstaltungsort. Nun sind seine Hallen leer und bedeutungslos geworden – genauso wie auch Gatsby selbst nur ein Schein von etwas Perfektem war, äußerst auf seine Wirkung nach außen hin bedacht. Auch die anderen Villen am Ufer scheinen nun verlassen, was darauf schließen lassen könnte, dass der (amerikanische) Traum von Ruhm und Reichtum nicht nur für Gatsby nicht lange gehalten hat.

  • »Gatsby glaubte an das grüne Licht, an die verheißungsvolle Zukunft, die Jahr für Jahr vor uns zurückweicht. Gestern noch ist sie uns entkommen, aber was macht das schon – morgen laufen wir schneller, strecken die Arme noch weiter aus … Und eines herrlichen Morgens … So legen wir uns in die Riemen, rudern gegen den Strom, und fortwährend zieht es uns zurück in die Vergangenheit.«
    – S. 220, Erzähler Nick Carraway

    Dieses Zitat zeigt das tragische Leben von Jay Gatsby in seiner Gesamtheit. Nick sieht, was für einen langen Weg Gatsby hinter sich hatte, wie schwer er gearbeitet hatte, um dort zu sein, wo er war, und doch schien es für Gatsby nie genug. Das grüne Licht am Ende von Daisys Pier, dass sinnbildlich für die Chance steht, ihre Liebe doch noch zu erkämpfen, steht gleichzeitig auch allgemein für den amerikanischen Traum, den Wunsch nach Ruhm und Reichtum, den auch Gatsby bereits als junger Mann träumte und sein ganzes Leben lang nie mehr aus den Augen ließ. Das Zitat zeigt auch, wie das grüne Licht, die Hoffnung stets die Zukunft im Blick hatte, das immer schneller, immer weiter Kommen, das die Arme Ausstrecken nach mehr, das gleichzeitig auch bedeutet, dass man nie mit der Gegenwart zufrieden ist, nie glücklich sein kann, mit dem, was man hat. Etwas, das Gatsby besonders wichtig war und dass er von Daisy verlangte, war, dass sie Tom sagen solle, sie habe ihn all die Jahre nie geliebt, um die Vergangenheit ungeschehen zu machen und an ihre Liebe anzuknüpfen. Daisy konnte ihm diesen Wunsch nie erfüllen. Gleichzeitig konnte Gatsby entgegen all seiner Bemühungen nicht seine eigene Vergangenheit auslöschen – egal, wie hart er arbeitete, um zu seinem heutigen Reichtum zu kommen, egal, wie viele unwahre Geschichten er über seine Vergangenheit erfand, so würde er doch immer der Sohn armer Farmer bleiben.

  • »Das ist mein Mittlerer Westen – nicht der Weizen oder das Grasland oder die verstreuten Schwedenstädtchen, sondern die erregenden Heimkehrerzüge meiner Jugend, die Straßenlaternen und Schlittenglöckchen in der eisigen Dunkelheit und die Schatten der Stechpalmenkränze, die aus erleuchteten Fenstern hinaus auf den Schnee fielen. […] Ich verstehe jetzt, dass dies letzten Endes eine Geschichte des Westens ist – Tom und Gatsby, Daisy und Jordan und ich, wir alle stammten aus dem Westen, und vielleicht herrschte in uns allen derselbe Mangel, der uns auf hintergründige Weise für das Leben im Osten untauglich machte.«
    – S. 214-215, Erzähler Nick Carraway

    Dieses wichtige Zitat bringt das Motiv der Geografie im Roman zum Abschluss. Im gesamten Werk werden Orte mit Themen, Figuren und Ideen in Verbindung gebracht. Als Nick an der Ostküste ankommt, sieht er, wie der Osten für den für die »Goldenen Zwanziger« so typischen dekadenten Lebensstil mit schillernden Partys, den rasanten Wandel und das allseits vorhandene Streben nach Ruhm und Reichtum steht. Gleichzeitig sieht er ganz klar auch die fehlende Moral der Menschen, für die das Wahren eines unwirklichen Scheins wichtiger ist als die Menschen dahinter. Obwohl er nun selbst an der Ostküste inmitten von großen Millionärsvillen lebt und auf Gatsbys Partys und inmitten der wichtigen, reichen Gesellschaft wandelt, scheint Nick seinen Westküstencharakter doch nie abzulegen und nie so ganz dazuzugehören. Besonders die fehlenden moralischen Werte der Menschen, die Nick der Wohlstandsgesellschaft New Yorks zuschreibt, tragen zu seiner Entscheidung bei, die Ostküste schließlich zu verlassen und in seine Heimat Minnesota zurückzukehren.

  • »Die Sommernächte hindurch drang Musik aus dem Haus meines Nachbarn. In seinen blauen Gärten schwirrten Männer und Mädchen wie Motten umher zwischen Geflüster, Champagner und Sternen.«
    – S. 51, Erzähler Nick Carraway

    Nick beobachtet oft das rege Treiben auf dem Grundstück seines Nachbarn. Obwohl nicht oft explizit gesagt wird, dass er arbeiten geht, sieht Nick meist mehr zu, als dass er selbst an den vielen Feiern teilnimmt. Obwohl »Der große Gatsby« oft als eine Feier des Jazz-Zeitalters dargestellt wird, die besonders in den Verfilmungen mit viel Prunk und Pomp inszeniert wird, ist der Roman in Wirklichkeit das Gegenteil und übt Kritik am sorglosen Hedonismus dieser Ära. Dieses Zitat zeigt auch den auf Äußerlichkeiten abzielenden, vergänglichen Charakter der Menschen, die von Gatsbys Reichtum auf seinen Partys angezogen werden wie Motten vom Feuer. Ebenfalls wie Motten verschwinden sie wieder, sobald ein helleres Licht an anderer Stelle leuchtet oder aber eines erlischt – wie es mit Gatsbys Tod geschieht, zu dessen Beerdigung fast keiner seiner Partygäste erscheint. Mit Sternen, Champagner und Geflüster wählt Fitzgerald hier äußerst romantische Wörter, zeigt gleichzeitig aber auch die Vergänglichkeit und Oberflächlichkeit des Lebensstils der Menschen, die nur auf die schönen Dinge im Leben Wert legen – es sind schließlich genau diese, die nicht von Dauer sind.

  • »Als ich hinüberging, um mich zu verabschieden, sah ich, dass der Ausdruck von Verwirrung in Gatsbys Gesicht zurückgekehrt war, als ob ihm ein leiser Zweifel gekommen wäre über das Glück, das er gegenwärtig empfand. Fast fünf Jahre! Selbst noch an jenem Nachmittag muss es Momente gegeben haben, in denen Daisy hinter seine Träume zurückfiel – nicht aus eigener Schuld, sondern wegen der ungeheuren Lebendigkeit seiner Illusion. Sie war über Daisy, ja über alles hinausgewachsen.«
    – S. 118, Erzähler Nick Carraway

    Als Nick Gatsby zum ersten Mal mit Daisy sieht und über dessen Bild von Daisy nachdenkt, wird ihm klar, wie sehr Gatsby sie in seiner Vorstellung, seinen Hoffnungen und Träumen zu etwas überhöht hat, dem sie nicht gerechnet werden kann. In den fünf Jahren, in denen sie getrennt gewesen waren und in denen Gatsby auf eine Zukunft hingearbeitet hat, die es ihm ermöglichen könnte, Daisy für sich zu gewinnen, hat er seine Erinnerungen an sie soweit bearbeitet, dass sie schließlich mehr eine Fantasiefigur geworden ist als ein realer Mensch – ähnlich wie er selbst. Auch der von einer armen Farmerfamilie abstammende James Gatz hat sich selbst wie eine fiktive Figur aufgebaut und schließlich in Jay Gatsby umbenannt und verwandelt. Als er nun die echte Daisy vor sich hat und nicht seine idealisierte Vorstellung von ihr, fällt Nick auf, dass Gatsby verwirrt aussieht, denn das Idealbild seiner Vorstellung und die Realität stimmen nicht überein. Gatsby liebt Daisy weiterhin, aber ob er die echte Daisy liebt oder nur die Figur aus seiner Vorstellung, bleibt unklar.

Veröffentlicht am 10. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 10. August 2023.