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Effi Briest

Sprache und Stil

Fontanes Roman »Effi Briest« wird aus der Perspektive eines fiktiven Erzählers erzählt, »der seinerseits nicht dem Seinsbereich der von ihm erzählten Welt angehört. Der Leser erkennt diesen Sachverhalt zunächst an der Art der Er-Form-Sätze, die nur den Aspekt des Erzählens, nicht den des Erlebens der erzählenden Figur zulassen.« (Hamann 85)

Es handelt sich um einen auktorialen Erzähler, der die Gesamthandlung sowie die Figuren überblickt. Hierbei verhält er sich eindeutig wertend, da er offen Sympathie für die Protagonistin Effi hegt. Diese wird als besonders liebreizend und außergewöhnlich beschrieben. Auch sein Mitleid mit der jungen Frau drückt der Erzähler durch den Ausdruck »Arme Effi« (S. 268) aus – mit dem betrogenen Innstetten fühlt der Autor hingegen weniger mit. Auch die Beschreibungen des Mannes sind zumeist weniger liebenswert – stattdessen wird Innstettens Prinzipientreue häufig eher negativ dargestellt. Auch die Briefe zwischen den einzelnen Romanfiguren werden von dem allwissenden Erzähler offengelegt. Die Briefe nehmen eine wichtige Rolle innerhalb des Romans ein, da sie Schlüsselstellen innerhalb der Handlung kennzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist Effis Brief an Luise von Briest, in dem sie von Major Crampas und seinem Ruf berichtet. Auch wenn Crampas in dieser Szene nicht persönlich auftritt, wird für den Leser deutlich, dass es sich um eine Schlüsselfigur des Romans handelt. Sein Ruf als Frauenheld suggeriert außerdem seine bevorstehende Rolle als Effis Affäre. Auch im Verlauf der Handlung bleiben die Szenen zwischen Effi und Crampas überwiegend oberflächlich und ihre Beziehung wird nur durch Anspielungen verdeutlicht. Erst durch Crampas’ Briefe, die Innstetten entdeckt, erhält der Leser einen Einblick in die Beziehung zwischen dem Major und Effi, die sogar bereit war, mit ihm zusammen zu fliehen. So werden die Briefe zu einer eigenen Erzählinstanz, die das geheime Geschehen offenbart, ohne den Erzähler zu einer Wertung zu nötigen.

Besonders auffällig ist die Inkonsistenz der Erzählzeit. So werden wichtige Episoden in Effis Leben nicht gleichermaßen abgehandelt. Einige Episoden in Effis Leben werden sehr detailliert beschrieben. Besonders auffällig ist hier der erste Zeitabschnitt, der Effis Leben in Hohen-Cremmen beschreibt. Augenscheinlich unwichtige Details, wie die Freizeitbeschäftigung von Effi und ihren Freundinnen, werden sorgfältig ausgeschmückt, während wichtige Ereignisse in nur wenigen Sätzen erwähnt werden.

    Das entscheidende Geschehen, die Hochzeit, bleibt fast völlig ausgespart, das Duell wird nur mit knappen Sätzen bedacht. Das Schwergewicht liegt grundsätzlich auf vorbereitenden und reflektierenden Gesprächen. (Hamann 88)

Dies zieht sich konsequent durch den Roman und fällt später vor allem dann noch einmal auf, als der Höhepunkt, nämlich Effis Ehebruch, ebenfalls komplett ausgespart wird.

    Der Verzicht auf die Darstellung erotischer Szenen mag einerseits darin begründet liegen, daß die Liebe Effis zu einem anderen Mann in diesem Roman eine thematisch unwesentliche Rolle spielt und auch in weiteren Szenen nur gestreift wird. Mögliche Treffen Effis mit Crampas deuten sich größtenteils nur indirekt an. (Ebd.)

Auch die Beschreibung der Figuren und Räume scheinen dem Erzähler wichtiger als manche Etappen der Handlung, da er durch diese die jeweilige Stimmung der Situation darstellt. Ein Beispiel hierfür ist die detaillierte Beschreibung des Gartens von Hohen-Cremmen, durch die die Szene sehr fröhlich und friedlich wirkt. (Vgl. S. 7f.) Effis Liebe zu ihrem Elternhaus und ihr glückliches Leben dort sind für den Leser somit gut nachvollziehbar.

Fontane verwendet eine gehobene Sprache, um sich der Gesellschaftssprache des 19. Jahrhunderts anzupassen und die Figuren in ihrer jeweiligen Stellung möglichst realistisch erscheinen zu lassen. Auffällig ist auch die Länge der Sätze, insbesondere in Bezug auf die oben genannten Detailbeschreibungen. Charakteristisch für »Effi Briest« zeichnet sich dieses Merkmal direkt im ersten Satz ab:

    In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten erst auf einen weiß und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen hinaus auf ein großes in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem Rande mit Canna indica und Rharbarberstauden besetztes Rondell warf. (S. 7)

Bereits in frühen Rezensionen wird Fontane außerdem für die »›natürliche‹ Sprechweise der Figuren, in der es Fontane ›weiter gebracht hätte‹ als alle anderen ›modernen‹ Autoren, gelobt.« (Jürgensen 106) Ein weiteres Charakteristikum ist das Gewicht, welches der Autor auf vorbereitende und reflektierende Gespräche legt. Dies ist nicht nur in »Effi Briest« sehr ausgeprägt, sondern beispielsweise auch im »Stechlin«.

Veröffentlicht am 4. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 4. Dezember 2023.