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Effi Briest

Kapitel 29-32

Zusammenfassung

Noch am selben Abend fährt Innstetten zurück nach Berlin und macht sich Vorwürfe für seine Tat. Er wünscht sich, dass er Effis Verhältnis hätte verjähren lassen können und empfindet es als falsch, sich ohne Rachegefühle duelliert zu haben. Er leidet auch darunter, dass er seine Frau nun wegschicken muss, sieht jedoch keine andere Möglichkeit. Er teilt Johanna und Roswitha mit, dass Effi nicht in die gemeinsame Wohnung zurückkehren wird und sendet einen Brief nach Hohen-Cremmen. Eine Berliner Zeitung hat von dem Duell erfahren und berichtet öffentlich von Effis Affäre. Besonders Gieshübler und Roswitha leiden unter Effis drohendem Schicksal.

Effi wundert sich während ihrer Kur unterdessen, wieso ihr Mann ihr keine Briefe mehr sendet. Schließlich erhält sie einen Brief ihrer Mutter, der sie über die Ereignisse aufklärt. Als sie die ersten Zeilen liest, bricht sie ohnmächtig in ihrem Zimmer zusammen.

Der Brief offenbart Effi, dass Crampas tot und ihre Scheidung unausweichlich ist. Sie wird nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren und darf auch Annie nicht mehr sehen. Ihre Eltern schreiben, dass sie sie zwar lieben, ihr aber ebenfalls keine Rückkehr nach Hohen-Cremmen gewähren können, da dies gegen die Gesetze der Gesellschaft verstoßen würde, nach denen eine Ehebrecherin ausgestoßen werden muss. Sie können ihrer Tochter allein finanzielle Unterstützung versprechen, doch ihr Leben muss sie fortan selbstständig führen. Effi bricht ihre Kur noch am selben Tag ab und reist zurück nach Berlin.

Drei Jahre später lebt Effi allein in einer kleinen Wohnung in Berlin, aus der Gesellschaft komplett ausgeschlossen. Sie wird regelmäßig von Dr. Rummschüttel besucht, der ihre fortschreitende Krankheit behandelt. Sie findet etwas Trost in der Malerei, leidet aber dennoch sehr unter der Isolation. Einzig Roswitha hält weiterhin zu ihrer ehemaligen Herrin. Bei einem Besuch auf der Pferdebahn sieht Effi ihre Tochter wieder, spricht sie jedoch nicht an. Sie bemüht sich, die Frau eines Ministers zu überreden, bei Innstetten ein Treffen mit Annie zu erwirken. Diese verspricht, sich zu bemühen, damit Effi ihr Kind wiedersehen kann.

Analyse

Innstetten leidet massiv unter den Geschehnissen und überdenkt die gesellschaftliche Konvention in Bezug auf den Ehebruch. Er erkennt, dass es immerhin eine Verjährung geben müsste, um die Unausweichlichkeit des Duells auszuhebeln. Er reflektiert und bemerkt, dass er, hätte er Effis Briefe 25 Jahre später gefunden, über ihren Fehler hinweggesehen hätte. Dies beweist, dass er zu keinem Zeitpunkt aus Hass gegen Effi und Crampas gehandelt hat, sondern bloß aus Pflichtgefühl und Prinzipientreue – seinen wichtigsten Eigenschaften, die ihn nun quälen. Dies wird auch durch seine Überlegung deutlich, dass Wüllersdorf sowie weitere Personen ihn nach dieser Verjährung von dem Duell abgebracht hätten. Dies zeigt jedoch auch, dass Innstetten sich das Ausmaß seiner »Prinzipienreiterei« (S. 223) nicht eingestehen kann, denn Wüllersdorf war durchaus auch zum Zeitpunkt der Duellaufforderung bemüht, Innstetten zu hinterfragen und von diesem Gedanken abzubringen. Innstetten stellt weiterhin fest, dass es ihm leichter fallen würde, mit seiner Tat zu leben, wenn er Rachegefühle oder Hass spüren würde, kann diese Emotionen aber nicht aufbringen. Hier handelt es sich entweder um – wenigstens innerliche – Vergebung für Effi, deren Fehler er nachvollziehen kann, oder schlichtweg um die Erkenntnis, dass er seine Frau nicht genug liebt, um sie für das Vergehen zu hassen.

Effi erfährt erst nach dem Geschehen von ihrer Mutter, wieso Innstetten ihr nicht mehr schreibt. Dass sie der Schande der Öffentlichkeit ausgesetzt wird, ehe sie selbst von der Aufdeckung ihrer Schuld erfährt, drängt sie in dieselbe kindliche Rolle, in der Innstetten sie auch zu Beginn ihrer Ehe sah. Auch ihre Eltern kommen gegen die gesellschaftlichen Konventionen nicht an und stellen diese – genau wie Innstetten – über die Liebe zu ihrer Tochter. Dies wird daran deutlich, dass Luise von Briest ihrer Tochter zwar per Brief ihre Liebe mitteilt und ihr auch finanzielle Unterstützung verspricht, sie jedoch trotz ihrer misslichen Lage und ihres schlechten Gesundheitszustands nicht zurück nach Hohen-Cremmen kommen lässt. Da Herr von Briest stets sehr besorgt um das Wohl seiner Tochter war, ist anzunehmen, dass die Entscheidung über Effis Ausschluss aus Hohen-Cremmen von Luise von Briest gefällt wurde. Hier zeigt sich wieder einmal das untypische Machtverhältnis zwischen den Eheleuten Briest, bei dem Luise deutlich über ihrem Mann steht. (Vgl. Müller-Salget 91) Die Zusicherung finanzieller Unterstützung bedeutet immerhin, dass Effis Eltern selbst unzufrieden mit den Regeln der Gesellschaft sind und ihre Tochter nicht freiwillig und bewusst verstoßen.

Die schwerwiegenden Folgen für Effi sowie ihr schlechter körperlicher Zustand sind zunächst an ihrem Zusammenbruch erkennbar, nachdem sie den Brief von ihrer Mutter gelesen hat. Effis innere Verfassung spiegelt sich in der äußeren wider – je isolierter sie fortan lebt, desto schlimmer wird auch ihre Krankheit. Bezeichnend ist, dass sie ausgerechnet in der Malerei Trost findet. Die Kunst war immerhin Innstettens Hobby, welches Effi nur wegen seines erzieherischen, trockenen Umgangs mit ihr nicht teilen konnte. So stellt sich nach der Scheidung heraus, dass die Eheleute mehr Gemeinsamkeiten hatten, als sie ahnten – ein subtiler Hinweis darauf, dass die Ehe unter anderen Umständen und bei einem besseren Umgang miteinander hätte bestehen können.

Veröffentlicht am 30. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. November 2023.