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Unter der Drachenwand

Abschnitt 5 (Kapitel 20-24)

Zusammenfassung

Kapitel 20: In der zweiten Juliwoche
»In der zweiten Juliwoche war über dem Salzkammergut ein schweres Unwetter niedergegangen mit Hagelschlag, der vor allem das nördliche Ufer des Attersees traf.« [Veit Kolbe]

Ende Juli 1944 werden die Mädchen aus Schwarzindien auf Urlaub zu ihren Eltern geschickt. Veit ist resigniert und hoffnungslos angesichts des gescheiterten Attentats auf Hitler (20. Juli 1944). Sein Onkel bereitet ihm Sorgen, weil er an einem schweren Lungenemphysem erkrankt ist. Im Ort ist inzwischen bekannt, dass er und Margot ein Paar sind. Sie werden betuschelt und schlecht behandelt und ziehen sich noch stärker zurück. Margot hat einen verzweifelten Weinkrampf, als sie im Brief ihrer Mutter von der Zerstörung Darmstadts liest. Anfang August kehren die Mädchen aus Wien in die »Kinderlandverschickung« zurück.

Kapitel 21: Aus dem Misthaufen stieg Rauch auf
»Aus dem Misthaufen stieg Rauch auf, dort drinnen entstand Wärme, ein Produkt des Zerfalls.« [Veit Kolbe]

Der Brasilianer kommt nach einem halben Jahr Haft nach Mondsee zurück. Er schildert die brutalen Haftbedingungen und träumt davon, nach dem Krieg nach Brasilien zurückzukehren. Veit fürchtet, dass seine Zeit mit Margot bald beendet sein könnte. Seine Wiedervorstellung beim Arzt ist schon einige Wochen überfällig.

Kapitel 22: Den Onkel traf ich im Freien
»Den Onkel traf ich im Freien, weil er auf der Vortreppe des Postens seine Uniform abbürstete.« [Veit Kolbe]

Veit besucht seinen Onkel in der Gendarmerie. Er bemerkt, wie schlecht es um die Gesundheit des starken Rauchers steht. Der Onkel hat seinen Kriegsenthusiasmus verloren und spricht von seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg. Wie Veit hat er nach seiner Zeit an der Front Angstattacken erlebt. Veit fährt nach Vöcklabruck zur medizinischen Begutachtung. In einem unbeobachteten Moment stempelt und entwendet er Papiere, um damit später Gutachten zu fälschen. Mehrere Monate nach dem Verschwinden von Annemarie Schaller wird ihre entstellte Leiche in der Drachenwand gefunden.

Kapitel 23: Die Leiche des Mädchens Annemarie Schaller
»Die Leiche des Mädchens Annemarie Schaller wurde von den auf Urlaub befindlichen und das schöne Wetter zum Bergsteigen nutzenden Soldaten Ludwig Holzer und Franz Wenig in der sogenannten Hochstelle der Drachenwand aufgefunden, ungefähr dreihundert Meter in der Wand.« [Auftakt Polizeibericht, danach Veit Kolbe]

In einem Polizeibericht wird das Auffinden von Annemarie Schallers Leiche geschildert. Man vermutet, dass sie aus großer Höhe abgestürzt ist. Danach wechselt die Perspektive wieder zu Veit. Er bereut, dass er die Bitte des Mädchens um moralische Unterstützung gegenüber seiner Mutter abgeschlagen hat.

Die Dorfbewohner betrauern das Unglück. Lediglich der Onkel scheint vor allem erleichtert, dass er ihren Fall nun zu den Akten legen kann und keine Arbeit mehr damit hat. Nanni wird in Mondsee beigesetzt, und Veit geht mit Margot und dem Brasilianer zur Trauerfeier. Bei der anschließenden Zusammenkunft im Dorfgasthaus muss der Brasilianer sich zusammenreißen, um die Gespräche der anderen nicht kritisch zu kommentieren. Er verlässt das Lokal vorzeitig, gemeinsam mit Veit und Margot.

Kapitel 24: Es ist immer noch hell genug zum Schreiben
»Es ist immer noch hell genug zum Schreiben.« [Veit Kolbe]

Veit und Margot freuen sich über Lilos erste Gehversuche. Ein Brief von Margots Mann Ludwig, in dem dieser seine Fronterlebnisse schildert, macht Veit ein schlechtes Gewissen.

Max Dohm ist, angeblich aus »dienstlichen Gründen«, wieder einmal zu Hause. Immer wieder gerät er in Streit mit seinem Schwager. Eine der Auseinandersetzungen eskaliert. Der Brasilianer lässt sich erneut zu drastischer Kritik am Regime hinreißen. Er wünscht seinem Schwager den Tod. Max Dohm richtet eine Waffe auf ihn, lässt sie aber wieder sinken und geht ins Haus. Dem Brasilianer ist klar, dass er fliehen muss.

Später bringt Veit im Auftrag des Onkels ein Paket mit persönlichen Sachen von Nanni nach Schwarzindien, um es Margarete zu übergeben. Dabei fällt ihm auf, wie nervös die Lehrerin wirkt. Er ahnt, dass sie den Brasilianer im Gasthof, wo ihre Mädchen untergebracht sind, versteckt.

Analyse

In Kapitel 20 wird Bezug genommen auf das historische Ereignis des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 durch Graf von Stauffenberg und weitere Widerstandskämpfer. Veit berichtet, dass es auch ihn aufgerüttelt habe, »da es von Offizieren aus der allernächsten Nähe des F. begangen worden war« (S. 279). Das Scheitern kommentiert er einmal mehr mit Sarkasmus: »Leider wollte der F. dem Thron nicht entsagen« (S. 280).

Im selben Kapitel wird beschrieben, wie Margot auf den Brief ihrer Mutter reagiert. Die Schilderungen der Zerstörungen ihrer Heimatstadt lösen einen Anfall von Verzweiflung bei ihr aus. So werden Lores Perspektive und ihre Erfahrungen in Darmstadt mit der Situation in Mondsee nicht nur inhaltlich, sondern auch auf formaler Erzählebene miteinander verknüpft.

Als der starke Raucher Johann Kolbe an einem Lungenemphysem erkrankt, macht Veit sich schwere Sorgen und unterstützt ihn – ein Zeichen für sein großes Herz, denn der Onkel gibt keinen Anlass zu besonderer Sympathie. Vielleicht ist es auch einfach die verwandtschaftliche Beziehung, die Veit so handeln lässt. Sein Verhalten lässt jedenfalls in keiner Weise seinen späteren Entschluss erahnen, den Onkel zu töten: »Ich war froh, als er sich langsam erholte, bei der angespannten Ernährungssituation war das schwer. Regelmäßig brachte ich ihm Gemüse und Obst aus dem Garten des Brasilianers« (S. 284).

Im Vergleich mit Veits Hilfsbereitschaft und Anteilnahme wird der Kontrast zu Johann Kolbes Reaktion, als Nannis Leiche gefunden wird, besonders deutlich. Der inzwischen Genesene zeigt keinerlei Anteilnahme, sondern ist erleichtert, nun keine Arbeit mehr mit einem unaufgeklärten Fall zu haben: »Für den Onkel war der Fall abgeschlossen, und darüber wollte er sich ungetrübt glücklich fühlen.« (S. 322) Dementsprechend fasst er auch den abschließenden Polizeibericht oberflächlich und ohne Sorgfalt ab: »Er schob den Unfall, wie alles im Zusammenhang mit jungen Menschen, auf die durch eingetretene Geschlechtsreife bedingte Gemütsverfassung, vermischt mit jugendlichem Leichtsinn. Er setzte seine Unterschrift unter das Werk. Dann sagte er: ‚Solche Sachen passieren einfach von Zeit zu Zeit‘.« (ebd.)

Kapitel 24 beginnt mit einem kursiv gedruckten, typographisch abgesetzten Abschnitt, den Veit im Präsens verfasst. Alles, was in diesem Abschnitt beschrieben wird, feiert die Schönheit des Lebens: die Farben des Himmels und der Bäume, der Laubgeruch im Garten, die ersten Schritte der kleinen Lilo und die Freude der Hausbewohner darüber. Selbst die Quartierfrau freut sich über das Kind und bringt Süßigkeiten, was Veit mit dem Satz »Es gibt keinen Augenblick ohne Verwunderung« (S. 330) kommentiert. Dieser Absatz wirkt wie eine kurze Atempause im Kriegsgeschehen, ehe die weiteren Ereignisse um Bedrohung und Flucht des Brasilianers ihren Lauf nehmen.

Veröffentlicht am 13. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 13. Oktober 2022.