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Narziß und Goldmund

Historischer Hintergrund und Epoche

Hesse verfasste »Narziß und Goldmund« hauptsächlich in den Jahren 1927 bis 1929 in seiner Residenz in Montagnola in der Schweiz (Herforth, 28). Ursprünglich hatte er drei verschiedene Titel für den Roman im Kopf: »Narziß oder der Weg zur Mutter«, »Das Lob der Sünde« oder »Narziß und Goldmund« mit dem Untertitel »Geschichte einer Freundschaft« (ebd, 29). Die Wahl fiel auf letzteren, nur dass der Untertitel letztendlich weggelassen wurde, und es so bei »Narziß und Goldmund« blieb (ebd.). 1930 wurde der Roman zum ersten Mal im S. Fischer Verlag veröffentlicht.

Wie in vielen seiner Werke verarbeitet Hesse vermutlich auch in diesem wieder persönliche Erfahrungen. Das Leben im Kloster hatte er selbst als Junge zur Genüge erlebt, als er für einige Monate die Klosterschule Mariabronn besuchte. Die Erfahrungen, die er dort machte, verarbeitet Hesse am direktesten in seiner Novelle »Unterm Rad« in der Person des Hans Giebenrath, der ebenfalls eine Klosterschule besucht, es aber nicht lange in jener aushält. Aber auch »Narziß und Goldmund« scheint zu einem gewissen Grad auf diese Erfahrungen aufzubauen: Nicht nur ähnelt bereits der Name Mariabronn verdächtig dem von Maulbronn, auch die Beschreibung des Klosters selbst und sein Schwerpunkt auf der Lehre des Griechischen nehmen sehr wahrscheinlich Bezug auf Hesses eigene Eindrücke seiner Klosterschule in Maulbronn (Field, 111).

Damit ähnelt Mariabronn mehr einer Klosterschule zu Hesses Zeiten als einem mittelalterlichen Kloster, wie es ja eigentlich der Fall sein sollte, da die Handlung des Romans im Mittelalter spielt. Die Beschreibung des Klosterlebens ist dabei nur ein Beispiel für die Anachronismen, die den Roman durchziehen. Alles in allem scheint Hesse nicht erpicht darauf zu sein, die Vergangenheit authentisch darzustellen (ebd.), sondern sich eher auf die Gedanken und Probleme des modernen Menschen zu konzentrieren. Trotzdem hat ihm seine Leserschaft eine »Flucht in die Vergangenheit« unterstellt (Herforth, 30). Hesse erklärt seine Motivation für die Ansiedlung des Romans im Mittelalter folgendermaßen:

    Ich (...) habe in diesem Buch der Idee von Deutschland und deutschem Wesen, die ich seit der Kindheit in mir hatte, einmal Ausdruck gegeben und ihr meine Liebe gestanden – gerade weil ich alles, was heute spezifisch ‚deutsch‘ ist, so sehr hasse. (ebd.)

Abgesehen von Hesses persönlichen Erfahrungen lassen sich noch weitere Einflüsse auf dieses Werk Hesses feststellen. Zum einen die Theorie von sogenannten kulturellen Archetypen: Narziß symbolisiert patriarchalische Strukturen, die auf der Unterdrückung jeglicher Triebe und dem Fokus auf spirituelle Werte basieren, Goldmund symbolisiert matriarchalische Strukturen, welche sexuelle Freiheit und soziale Gleichheit in den Vordergrund stellen (Lubich, 188). Hier lassen sich auch Einflüsse von Carl Gustav Jungs Lehre der Archetypen erkennen (ebd.). Hesse selbst befand sich auch eine Zeitlang in Behandlung bei einem Therapeuten, der nach dem Modell Jungs arbeitete (ebd., 189). Zum anderen geht Hesse in der Episode mit Rebekka auf die Verfolgung und Unterdrückung von Juden ein. Entsprechend wurde der Roman im Jahre 1941 von den Nationalsozialisten verboten, da Hesse es ablehnte, die Schilderung der Judenverfolgung bei einem Neudruck auszulassen (Herforth, 31).

Veröffentlicht am 3. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 3. Oktober 2023.