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Unterm Rad

Rezeption und Kritik

Der Grad von Hermann Hesses Beliebtheit hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts mehrfach gewandelt. Während er direkt nach dem Zweiten Weltkrieg sehr geschätzt wurde, begann sein allgemeines Ansehen in den folgenden Jahrzehnten ein wenig zu schwinden (Cornils, 2009). Das lag vor allem daran, dass seine Werke nicht als »modern« genug empfunden wurden. Eine besonders scharfe Kritik, erschienen im Spiegel im Jahre 1958, bezeichnete Hesse als »alten Mann«, der sich um sein Gemüsebeet kümmert (ebd.) und urteilt: »Was Wunder, daß Hesse sich jedenfalls hierzulande des ungewöhnlichen Ruhmes erfreuen darf, weise zu sein.« (Spiegel, 28/1958)

Dieser Artikel dient als gutes Beispiel für die zunehmende Tendenz jener Zeit, Hesse als eine Art Übervater zu sehen, von dem es sich zu befreien gelte, da er nicht modern genug, sondern zu altmodisch und unkritisch sei (Cornils, 2009). Seine Werke wurden oft als »narzisstische Selbstdarstellung« abgetan – Hesse selbst hatte sie als »Seelenbiographien« bezeichnet (ebd.). Auch der Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki gab zu, Hesses Werke in seiner Kindheit und Jugend bewundert, sich aber später von ihm abgewandt zu haben (ebd.). 

Dennoch zählt Hesse heute zu den meistgelesenen Autoren des deutschsprachigen Raums, und auch international erfreut er sich großer Beliebtheit. Insbesondere in den Vereinigten Staaten besteht eine lange und einflussreiche Tradition der Forschung zu Hesse, die sich besonders auf den Inhalt seiner Erzählungen, seine Motive und Metaphern und die religiösen Aussagen seiner Werke konzentriert (ebd.). 

Hesse selbst scheint große Vorbehalte gegen seinen eigenen Roman gehegt zu haben. Fast all seine Kommentare zu »Unterm Rad« enthalten Kritik an seinem eigenen Text und dessen aufgrund persönlicher Erfahrungen zu voreingenommener Perspektive. In einem bekannten Brief an seinen Halbbruder Karl Isenberg schrieb Hesse 1904: 

    Unterm Rad wird nächstes Jahr als Buch erscheinen, in Kleinigkeiten gemildert. Hoffentlich nimmst Du an den paar salzigen Stellen nicht zu sehr Anstoß. Die Schule ist die einzige moderne Kulturfrage, die ich ernst nehme und die mich gelegentlich aufregt. An mir hat die Schule viel kaputtgemacht und ich kenne wenig bedeutende Persönlichkeiten, denen es nicht ähnlich ging. (Vahlbusch, 2009)

Fünfzig Jahre später (1953) bekennt Hesse dann zwar, stolz auf die Essenz seines Romans zu sein, »das Buch enthielt doch ein Stück wirklich erlebten und erlittenen Lebens« (ebd.). Dennoch hat er seine Vorbehalte noch immer nicht ganz abgelegt und empfindet »Unterm Rad« weiterhin als stellenweise zu polemisch. Mit dem Roman habe er sich selbst von den Erinnerungen an die Krisen seiner Entwicklungsjahre befreien wollen, daher habe er darin ein wenig »den Ankläger gespielt«. Zufrieden zeigt sich Hesse mit dem Ergebnis nach wie vor nicht: »Wie gesagt, es war ein verfrühtes Unternehmen, auf das ich mich mit meinem Schülerroman einließ, und es ist denn auch nur sehr teilweise geglückt.« (ebd.)

Veröffentlicht am 15. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 15. April 2023.