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Wilhelm Tell

Akt 1, Szene 3-4

Zusammenfassung

(I/3)
Bei Altdorf lässt Geßler eine Festung mit Namen Zwing Uri erbauen. Auf der Baustelle zwingt der Fronvogt die Arbeiter zu unmenschlichen Anstrengungen. Tell und Stauffacher laufen, sich unterhaltend, an der Baustelle vorbei – offenbar hat Tell Stauffacher über Baumgartens Fall unterrichtet, er verabschiedet sich gerade. Ein Ausrufer verkündet die Aufstellung eines Huts in Altdorf, dem zur Prüfung des Gehorsams wie dem Landvogt Ehre bezeugt werden soll. Stauffacher sucht Tell für einen Zusammenschluss der Wohlgesinnten zu gewinnen, dieser aber lehnt ab. Am besten sei es, man vermeide Gefahr und verhalte sich ruhig, die Regierung werde bald wechseln. Wenn er zu einer Tat gebraucht werde, wolle er sich nicht entziehen, nur aus dem Rat solle man ihn lassen. Als Tell und Stauffacher fort sind, stürzt der Schieferdecker tödlich vom Dach. Berta von Bruneck eilt herbei und sucht durch die Preisgabe ihres Geschmeides die Hilfe zu befördern, es ist aber nichts mehr zu machen.

(I/4)
In Walter Fürsts Wohnung hält sich Arnold vom Melchthal versteckt. Ein Bube des Landvogts Landenberger kam, ihm Ochsen zu entwenden, darauf schlug er ihn. Walter Fürst fürchtet auch in Uri für die Sicherheit Melchthals, denn die Vögte Landenberger und Geßler arbeiteten zusammen. Melchthal erhofft sich von Walter Fürst Nachricht von seinem Vater, den er zurücklassen musste. Als Stauffacher zu Besuch kommt, versteckt sich Melchthal wieder. Stauffacher berichtet davon, wie er die Baustelle des neuen Twinghofes gesehen hat, und er berichtet von der Ermordung Wolfenschießens durch Baumgarten, den Tell, der Sohn Walter Fürsts, gerettet habe. Außerdem berichtet er, wie Landenberger aus dem Vater Melchthals den Aufenthaltsort des Sohnes habe pressen wollen. Als dieser darüber seine Unkenntnis beteuert habe, habe der Vogt ihm die Augen ausstechen lassen und ihm allen Besitz geraubt. Melchthal, der offenbar gelauscht hatte, springt hervor und gibt seinem Schmerz und seinem Drang nach Rache Ausdruck. Zusammen überlegen Stauffacher, Melchthal und Walter Fürst nun, was getan werden könnte. Sie sind selbst Repräsentanten der betroffenen drei Kantone – Stauffacher aus Schwyz, Walter Fürst aus Uri und Melchthal aus Unterwalden. Sie beschließen, jeder in seinem Kanton Verbündete zu suchen und verabreden sich auf der Rütliwiese. Jeder solle zehn vertraute Männer dorthin mitbringen. Auf den Beistand der Adligen wollen sie zur Not verzichten.

Analyse

So unterschiedlich die Schauplätze in den vier Szenen des ersten Akts auch sind, über Figurenbewegungen sind sie alle miteinander verknüpft: Tell bringt Baumgarten vom Seeufer zu Stauffacher; als Tell bei Stauffacher eintrifft, bricht dieser gerade nach Uri zu Walter Fürst auf. Wohl in Altdorf trifft er auf den heimkehrenden Tell und bespricht sich mit ihm, dann erscheint er als Gast in Walter Fürsts Wohnung. Tell also motiviert den Ortswechsel von der ersten zur zweiten, Stauffacher die Ortswechsel von der zweiten zur dritten und vierten Szene. Das Stück durchläuft so alle drei Kantone: vom Unterwaldener Ufer geht es mit Tell hinüber nach Schwyz, von dort mit Stauffacher nach Uri.

Zwei einander widerstrebende Ergebnisse bleiben nach dem ersten Akt stehen. (1) In die Handlung hinein führt der Beschluss dreier Vertreter der drei betroffenen Kantone, für eine Verschwörung Verbündete zu werben und sich an einem geheimen Ort zur weiteren Besprechung und Befestigung des Vorhabens zu treffen. Von hier geht eine direkte Linie in die zweite Szene des zweiten Akts, zum Rütli-Schwur also. (2) Als widerstrebendes Moment muss die Haltung Wilhelm Tells zu diesen Bemühungen gelten. Er rät zum Stillhalten, zur Vermeidung von Gefahr, zur Geduld und widerspricht der Logik von der durch das Zusammenstehen wachsenden Stärke (V. 432-437). Nur zu einer bestimmten Tat will er sich rufen lassen, nicht schon zur vorbereitenden Überlegung dessen, was zu tun sei.

Diese Scheidung Tells von der Verschwörung ist auch kompositorisch verwirklicht: Von seiner Rettung Baumgartens führt keine kausale Verbindung zu der ermutigenden Rede Gertruds und zu Stauffachers Aufbruch – beide verfehlen sich ja zunächst. Erst in der vierten Szene zahlt auch Baumgartens Fall auf das Konto der Empörung ein und erst hier drängt ein unmittelbar Betroffener, nämlich Melchthal, auf die allgemeine Empörung; erst hier kommen also die gesetzteren, politischen Erwägungen der zweiten Szene und die Not der an Leib und Leben Betroffenen zusammen.

Die dritte Szene hingegen hat einen stark transitorischen Charakter und viele verschiedene Funktionen. Mit der Baustelle der Zwingburg setzt Schiller ein mächtiges Symbol der politischen Unterdrückung auf die Bühne. Gleichzeitig schafft die Tatsache, dass es sich um eine Baustelle handelt, Handlungsdruck: Noch ist die Gewaltherrschaft nicht vollständig etabliert, noch ist Zeit. Die grausamen Arbeitsbedingungen dienen abermals zur Illustration des Charakters der Landvögte.

Mit der Vorführung des Huts und den Worten des Ausrufers wird die zentrale Szene des dritten Akts, die Apfelschussszene, vorbereitet. Tells Unterredung mit Stauffacher wurde schon erwähnt, sie dient noch einmal der Verdeutlichung von Tells Eigenständigkeit und Selbsthelfertum. Die bestimmte Tat, zu der gerufen er verspricht zu kommen, kann freilich vom Ende des Stücks her mit der Ermordung Geßlers identifiziert werden. Schließlich gibt es noch den kurzen Auftritt Bertas: Sie möchte dem Leid der Arbeiter abhelfen und wird von diesen als Adelige doch verachtet.

Veröffentlicht am 16. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 16. Mai 2023.