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Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Rezeption und Kritik

Mit »Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde« gelang Robert Louis Stevenson 1886 der literarische Durchbruch. Er hatte zwar schon vorher verschiedene Reiseberichte und auch »Die Schatzinsel« verfasst, aber diese brachten ihm keinen besonderen Erfolg. Innerhalb von sechs Monaten verkauften sich allerdings ganze 40.000 Exemplare von »Jekyll und Hyde« und durch zusätzliche Raubdrucke in Amerika gelangte die Geschichte bald zu großer Bekanntheit (Hamblock 2022: 99).

Die Kritik nahm das Werk sehr positiv an, wobei man den moralischen Wert und »die relative Kürze der Geschichte« lobte (ebd.: 100). Stevensons Verleger Charles Longman meinte, dass diese gute Rezeption vor allem auf einer Rezension der Times of London vom 25. Januar 1886 beruhte: Dort wird Stevensons »very original genius« (The Times of London 1886: 96), also sein besonderes, originelles Genie, hervorgehoben, genauso wie ein tadelloser Schreibstil. Stevenson erinnere an Edgar Allan Poe, wobei er sogar noch tiefer in das Wesen des Bösen eintauche und eine unvergleichliche Stimmung von Mysterium und Horror erschaffe (ebd.: 96ff.).

Der Vergleich zu Edgar Allan Poe wird häufiger gezogen (Lang 1886: 93). Die Birmingham Post erwähnt eine Ähnlichkeit Hydes mit Frankensteins Monster (Birmingham Post 1886: 94). Sie hält Stevenson für einen fähigen Autor, aber die Geschichte trotz ihrer guten Moral für zu sensationsheischend (ebd.: 94f.). Weitere Punkte der Kritik sind die lange Auflösung zum Schluss, Plotlücken (Cook 1886: 96) oder das Ende der Geschichte mit Jekylls Niederlage anstatt eines Sieges (Symonds 1886: 99).

Das Werk wurde zu einem »viktorianische[n] Mythos« (ebd.: 100), der bis in die heutige Zeit andauert. Das Thema ist beliebt und wird immer wieder aufgegriffen. Ein Jahr nach dem Erscheinen der Novelle wurde die erste erfolgreiche Bühnenfassung inszeniert und dieser folgten viele weitere Neuinterpretationen. Renata Kobetts Miller zählt zwischen den Jahren 1886 und 2022 knapp 150 Neuadaptionen der Geschichte in Buch, Film und Theater (Miller 2005: 44–62). Das liegt an dem zeitlosen Stoff der Geschichte, die sich mit dem zentralen Wesen des Menschen beschäftigt.

Neuere interessante Adaptionen der Geschichte sind z. B. Emma Tennants Roman »Two Women of London« (1989), der durch die Darstellung einer weiblichen Jekyll/Hyde Feminismus zum Thema macht. Außerdem Valerie Martins Roman »Mary Reilly« (1990), in dem die Geschichte aus der Sicht von Jekylls Dienstmädchen erzählt wird und der 1996 schließlich mit Julia Roberts und John Malkovich verfilmt wurde. Als letztes nennt Miller das Theaterstück von David Edgar »The Strange Case of Dr. Jekyll und Mr. Hyde« von 1991, in dem es ebenfalls weibliche Nebenfiguren gibt (Miller 2005). Da die wesentlichen Figuren in Stevensons Original von Männern besetzt werden, scheint es logisch, dass die weibliche Perspektive in vielen Neuadaptionen hinzugefügt wird, um so einen anderen Blickwinkel zu beleuchten.

Veröffentlicht am 27. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 27. April 2023.