Skip to main content

Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Zitate und Textstellen

  • Mit jeder Frage bringt man etwas ins Rollen, ganz so, als wäre sie ein Stein. Friedlich sitzt man oben auf einem Hügel, und schon geraten die Steine ins Rollen und reißen andere mit, und ehe man’s sich versieht, wird irgend so ein gutmütiger alter Tropf (der letzte, an den man gedacht hat) im Garten hinter seinem Haus auf den Kopf getroffen, woraufhin die ganze Familie den Namen ändern muss. Nein, Sir, mein Grundsatz lautet: Je verdächtiger etwas aussieht, desto weniger frage ich.
    – Richard Enfield zu Gabriel Utterson, S. 12f.

    Dieses Zitat zeigt die Eigenschaft der Figuren der Geschichte, die Wahrheit zu verdrängen und Dinge zu verheimlichen. Die Stille dieser Figuren wird als Stilmittel eingesetzt, um durch das Ungesagte Spannung zu erzeugen (vgl. 8. Sprache und Stil und Analysekapitel 1).

  • ›Wenn Mr. Hyde Verstecken spielen will«, sagte er sich, ›dann werde ich Mr. Seek sein und ihn suchen.‹
    – Gabriel Utterson, S. 19

    Utterson macht mit dieser Aussage ein Wortspiel in Bezug auf »Hyde« und »seek« – im Englischen bedeutet »to play hide and seek« »Verstecken spielen«.

  • Neugier zu unterdrücken ist das Eine, sie zu besiegen etwas Anderes.
    – Erzähler aus Gabriel Uttersons Perspektive, S. 44

    Die Unterdrückung der »niederen« Triebe ist ein wichtiges Thema der Novelle. ›Hydsche‹ Merkmale finden sich in vielen von Jekylls Freunden, da sich der Mensch immer aus Gutem und Bösem zusammensetzt. Auch das Viktorianische Zeitalter, in dem Stevenson schrieb, prägte der Kampf um Selbstbeherrschung und Kontrolle der Emotionen.

  • Sollten Sie es allerdings vorziehen, sich anders zu entscheiden, so werden sich Ihnen ein neuer Bereich des Wissens und prachtvolle neue Wege zu Ruhm und Macht eröffnen […] und die Augen werden Ihnen übergehen von etwas so Ungeheurem, dass es den Unglauben Satans ins Wanken bringt.
    – Edward Hyde zu Hastie Lanyon, S. 69

    Die Wissenschaft ist ein wichtiges Motiv der Erzählung: Die Hauptfigur ist ein Wissenschaftler, der in seinen Experimenten versucht, Erkenntnisse zu bringen und etwas Neues zu schaffen. Jekyll verlässt den Weg der konventionellen Forschung und entwickelt eine Verwandlungsmethode, die an Magie erinnert.

  • Mit jedem Tag und von beiden Seiten meiner Intelligenz, der moralischen und der intellektuellen, näherte ich mich so beständig jener Wahrheit, deren teilweise Entdeckung mich zu einem so entsetzlichen Schiffbruch verurteilt hat: dass der Mensch in Wahrheit nicht einer, sondern in Wahrheit zwei ist.
    – Henry Jekyll, S. 73

    Dieses Zitat spielt auf das zentrale Thema der Novelle an: die Dualität des Menschen und damit das Ringen der Kräfte von Gut und Böse im Inneren. Jekyll begeht einen Fehler, indem er versucht, sie zu trennen – wie man an den Ereignissen sieht, muss man einen Weg finden, mit beiden Seiten zu leben.

  • Mir fiel auf, dass, sobald ich Edward Hydes Aussehen angenommen hatte, sich mir niemand nähern konnte, ohne im ersten Moment eine sichtbare körperliche Abwehr zu empfinden. Das, so sehe ich es, rührte daher, dass alle menschlichen Wesen, die uns begegnen, eine Mischung aus Gut und Böse darstellen. Edward Hyde aber war als einziger Mensch auf Erden rein böse.
    – Henry Jekyll, S. 77

    Hyde ist eine Abweichung vom tadellosen englischen Gentleman und greift damit die Ängste der Zeit auf. Jekyll erschafft mit ihm eine rückschrittliche Kreatur, die nur aus seinen dunklen Eigenschaften besteht. Unbewusst spüren das die anderen, normalen Menschen. Ob Hyde allerdings wirklich vollständig böse ist, wie Jekyll behauptet, kann man diskutieren (vgl. auch Analyse von Kapitel 8).

  • Hätte ich mich in edlerer Absicht an meine Entdeckung gemacht, […] ich wäre aus diesen Todesqualen und Geburtswehen als Engel hervorgegangen anstatt als Teufel. Der Wirkstoff selbst machte keine Unterschiede – er war weder diabolisch noch göttlich, er erschütterte nur die Tore des Gefängnisses meiner Veranlagung und [es] stürmte heraus, was darin war.
    – Henry Jekyll, S. 77

    Hier wird ersichtlich, dass der Trank nicht einfach nur das Böse in Menschen hervorruft. Stattdessen holt er das an die Oberfläche, was diese ansonsten unterdrücken. Er ist praktisch ein Gegenmittel für die Selbstbeherrschung. Hätte Jekyll eine gute Seite unterdrückt, so hätte der Trank diese in ihm befreit.

  • Alles geht einmal zu Ende, das größte Maß ist schließlich voll, und so zerstörte dieses kurze Nachgeben gegenüber dem Bösen in mir das Gleichgewicht meiner Seele vollends.
    – Henry Jekyll, S. 86f.

    Nachdem Hyde den Mord an Carew begangen hat, schwört Jekyll ihm eigentlich ab. Doch wieder ist er nicht stark genug, um sich an sein Verbot zu halten – dieses letzte Nachgeben stürzt ihn ins Unglück. Ab diesem Zeitpunkt kann er seine Verwandlungen nicht mehr kontrollieren.

  • Ich saß in der Sonne auf einer Bank. Das Tier in mir leckte an den Knochenresten der Erinnerung, während die geistvolle Seite ein bisschen döste und anschließende Reue versprach, aber nichts tat, um damit anzufangen. Im Grunde, überlegte ich, war ich wie meine Mitmenschen.
    – Henry Jekyll, S. 87

    Hyde wird oft als etwas Animalisches, kaum Menschliches dargestellt. Jekyll legt mit dieser Aussage nahe, dass jeder Mensch urtümliche, tierische Eigenschaften in sich trägt, die er schwer unterdrücken kann.

  • Hier also, indem ich die Feder niederlege, um mein Bekenntnis zu versiegeln, setze ich dem Leben jenes unglücklichen Henry Jekyll ein Ende.
    – Henry Jekyll, S. 93

    Im Schlusssatz der Novelle beendet Jekyll erstens seine Biografie, zweitens seine Existenz als Jekyll und drittens kann der Satz auch als Ankündigung seines Selbstmordes gelesen werden. Darin ist noch einmal Jekylls zentraler Irrtum enthalten, Hyde und sich als zwei separate Wesen zu betrachten (Niederhoff 1994: 56f.).

Veröffentlicht am 27. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 27. April 2023.