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Das Parfum

1.Teil: Kapitel 9-16

Zusammenfassung

Zunächst wird Giuseppe Baldini vorgestellt, ein in die Jahre gekommener Parfümeur mit einem Duftstoffladen auf dem Pont au Change und einem Gesellen namens Chénier. Baldini ist in seiner Jugend ein großer Parfümeur gewesen, doch nun geht sein Geschäft immer schlechter.

Für einen Auftrag des Beduftens einer spanischen Haut für den Grafen Verhamont soll Baldini ein neues Parfum entwerfen. Als er versucht, dafür das gefeierte Parfum »Amor und Psyche« seines Rivalen Pélissier zu kopieren, scheitert er daran und fasst den Entschluss, sein Geschäft aufzugeben und sich mit seiner Frau in Messina zur Ruhe zu setzen.

Just in diesem Moment klingelt es und Grenouille, der mit einer Lieferung von Ziegenleder für die spanische Haut beauftragt wurde, steht vor der Tür. Nach der Übergabe des Auftrags stellt er sich dem Parfümeur in den Weg und verlangt von ihm, ihn bei sich im Geschäft anzustellen.

Baldini lehnt dies zuerst ab. Doch als Grenouille die Spuren von »Amor und Psyche« auf seiner Haut und Kleidung erriecht und mehrere Bestandteile des Parfums aufzählen kann, ist sein Interesse geweckt. Er lässt sich jedoch nicht anmerken, dass Grenouilles Nase der seinen offensichtlich überlegen ist, und stellt den Jungen auf die Probe. Er will von ihm die genaue Formel von »Amor und Psyche« wissen, die ihm Grenouille jedoch nicht nennen kann. Denn er hat zwar eine feine Nase, jedoch sind ihm die Prozesse der Parfumherstellung noch nicht bekannt.

Stattdessen bietet Grenouille an, Baldini das Parfum an Ort und Stelle zu mischen. Dieser hält ihn zunächst für einen Betrüger, doch nachdem Grenouille auf seinem Talent beharrt, lässt er ihn gewähren. Grenouille schafft es, das Parfum ohne Formel exakt zu kopieren und erschüttert Baldini in seinen Grundfesten. Dieser war davon überzeugt gewesen, das Parfumeurshandwerk basiere vor allem auf jahrelanger Übung und absoluter Präzision.

Grenouille ist weiterhin der Meinung, das Parfum sei nicht besonders gut und schlägt vor, es innerhalb einer Minute zu verbessern. Baldini schickt ihn weg und nimmt erst, als der Junge verschwunden ist, eine Probe von dem verbesserten Parfum. Dieses ist nun so gut, dass er seinen Entschluss verwirft, sein Geschäft aufzugeben.

Am nächsten Morgen kauft er Grimal den Jungen für 20 Livre, eine große Summe, ab. Grimal gibt sich aus Euphorie über das gute Geschäft dem Alkohol hin und besiegelt so sein Schicksal. In seinem betrunkenen Zustand biegt er statt auf den Pont Marie auf den Quai des Ormes ab und fällt in die Seine, wo er ertrinkt.

Analyse

Auffällig in diesem Abschnitt des Romans ist die lange Beschreibung des Parfümeurs Baldini. Süskind lässt den Leser fünf Kapitel lang in die Hintergründe dieser Figur hineinsehen, bevor der junge Grenouille an dessen Tür klopft (59–86). Baldinis Gedanken und Gefühle werden hier vor allem mithilfe des inneren Monologs beobachtet.

Diese Gedanken drehen sich um sein scheiterndes Geschäft, sein eigenes Unvermögen, Düfte zu kreieren und seinen Konkurrenten Pélissier. Pélissier fällt genau diese kreative Schöpfung leicht und er bringt ein neues Parfum nach dem anderen auf den Markt. Baldini hingegen steht dem »grenzenlose[n] Chaos« (74) der Zeit kritisch gegenüber. Somit scheint er bei dem Wandel des Marktes nicht mithalten zu können (Ofenloch 2018: 26–30).

Hieran lässt sich eine Kritik an der Aufklärung und ihren Neuerungen erkennen, die im 18. Jahrhundert in Frankreich für Umbrüche sorgten. So verliert beispielsweise das Zunftwesen langsam an Bedeutung (ebd.). Der wegströmende Fluss unter dem Pont au Change steht als Symbol für diesen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel (ebd. 26). Aus dem Winkel, aus dem Baldini aus dem Fenster auf den Fluss hinabschauen kann, sieht es so aus »als ströme er selbst und sein Haus und sein in vielen Jahrzehnten erworbener Reichtum davon wie der Fluß« (77).

Baldini stellt ein Gegenstück zu dem Fortschrittsoptimismus und dem Forschungsdrang dar, der die Aufklärung mitbestimmte (Ofenloch 2018: 26). Er selbst ist nicht dazu imstande, Düfte zu erschaffen und kreativ-schöpferisch zu arbeiten. Stattdessen pocht er auf die Wichtigkeit der ordnungsgemäßen Ausbildung, der Festhaltung an alten Traditionen und der genauen Durchführung des Handwerks.

Damit ist in der Figur Baldini ebenfalls ein Gegensatz zu Jean-Baptiste Grenouille zu erkennen. Denn dieser ist ein wahres Genie und nicht nur dazu in der Lage, Gerüche genau zu identifizieren, sondern auch, »Amor und Psyche« ohne die dazugehörige Formel in einer geradezu übernatürlich wirkenden Vorstellung nachzumischen.

Das Genie stand als Gedanke zur Zeit des Sturm und Drang im 18. Jahrhundert im Zentrum einer ganzen Bewegung. Es erschafft aus seiner natürlichen, kreativen Autonomie, aus sich selbst heraus, und ist demnach nicht an gesellschaftliche Konventionen oder Normen gebunden (Bernsmeier S. 59).

Eine Besonderheit des 10. Kapitels stellt außerdem ein kurzer Figurendialog zwischen Baldini und Chénier dar, in dem der Erzähler vollständig hinter die Figuren zurücktritt (63f.). Der Dialog ist wie eine Szene aus einem Theaterstück angelegt. Die Figuren diskutieren »Amor und Psyche« und Baldini beharrt darauf, sich nicht dafür zu interessieren und seine eigenen Parfums zu mischen. Da das eine Lüge ist, die auch Chénier durchschaut, scheint die Darstellung des Gesprächs als »Theater« passend zu sein.

Veröffentlicht am 14. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 14. Februar 2023.