Skip to main content

Das Parfum

2.Teil: Kapitel 29-34

Zusammenfassung

Eines Tages taucht in seiner inneren Welt ein weißer Nebel auf, der, wie Grenouille bewusst wird, sein eigener Geruch ist. Jedoch kann er ihn nicht riechen. Als er aus seinem Traum erwacht, wird ihm klar, dass er keinen Eigengeruch besitzt. Dies stürzt ihn in eine tiefe innere Krise. Er verlässt den Plomb au Cantal und setzt seinen Weg nach Süden fort.

In Lumpen gekleidet und völlig verwahrlost erreicht er die Stadt Montpellier, wo er den Marquis de la Taillade-Espinasse, den Lehnsherrn der Stadt und einen kuriosen Wissenschaftler trifft. Dieser ist von der Theorie besessen, ein aus der Erde strömendes Gas namens »fluidum lethale« lähme die menschlichen Vitalkräfte. Daher fasziniert ihn Grenouille, der sieben Jahre in einer Erdhöhle eingeschlossen gelebt hat.

Der Marquis benutzt Grenouille als Beweis für seine Theorie. Er führt ihn bei Vorträgen der Universität vor und erklärt, den Gesundheitszustand Grenouilles mithilfe des umgekehrten Luftgases »fluidum vitale« in acht Tagen wiederherstellen zu können. Dazu schließt er Grenouille auf dem Speicher seines Palais in seinen Vitalluftventilationsapparat, wo er fünf Tage lang mit Höhenluft durchflutet wird und nur Essen aus erdfernen Quellen bekommt.

Anschließend wird Grenouille gebadet, frisiert, rasiert und neu eingekleidet. Obwohl Grenouille die Machenschaften des Marquis durchschaut, lässt er ihn gewähren und verfolgt sein Ziel, sich selbst zu vervollkommnen. Dazu gehört neben der Anpassung durch das Aussehen auch die Kreation eines Menschendufts.

Grenouille verschafft sich durch einen Trick die Erlaubnis, für eine Stunde die Werkstatt des Grasser Parfümeurs Runel zu benutzen. Dort mischt er sich einen Duft aus verschiedenen Ingredienzien wie zum Beispiel Katzendreck und sich zersetzendem Käse, aber auch frischen Düften wie Pfefferminze sowie Blütenölen wie Jasmin oder Orange. Das Ergebnis ist der Duft des Menschen, den Grenouille auf zwei Flaschen zieht. Mithilfe dieses Parfums ist es ihm möglich, ein Bestandteil der menschlichen Gesellschaft zu sein. Obwohl er selbst den Duft hasst, nehmen ihn andere nun wahr und begegnen ihm mit Freundlichkeit und Respekt.

In Erregung darüber, wie einfach ihm diese Täuschung gelungen ist, fasst Grenouille den Plan, einen weiteren, diesmal übermenschlichen Duft zu kreieren. Dieser soll andere Menschen dazu bringen, seinen Träger zu lieben und Grenouille damit die Kontrolle über ihre Herzen geben. Als er seine eigene Motivation hinterfragt, wird ihm klar, dass er von Grund auf böse ist, was ihn jedoch nicht von seinem Plan abhält.

Er verbringt einige weitere Wochen in Montpellier, wo er sich gesellschaftliche Umgangskonventionen, einen aufrechten Gang und eine gewählte Sprache aneignet. Anfang März setzt er seinen Weg schließlich nach Grasse fort.

Der Marquis hingegen verschwindet spurlos bei einem Experiment auf dem Pic du Canigou, dem höchsten Berg der Pyrenäen, wo er sich durch die Höhenluft innerhalb dreier Wochen zu einem Zwanzigjährigen verjüngen wollte.

Analyse

Die Zentralmassiv-Kapitel liegen einerseits in der Mitte des Buches und andererseits auch in der Mitte der räumlichen Handlungsspielräume, nämlich zwischen Paris und Grasse. Damit kann man sie als Achse bezeichnen. David Freudenthal nennt sie sogar einen »Konvergenzpunkt« (Freudenthal 2005: 93), an dem die Fäden der Handlung beiderseits zusammenlaufen.

Mit der Erkenntnis seiner eigenen Geruchlosigkeit »bricht für Grenouille das Konzept vom eigenen Selbst zusammen« (ebd.: 98). Nun erfährt er endlich, warum die Menschen ihn seit seiner Geburt ablehnen oder sogar überhaupt nicht bemerken. Hierbei handelt es sich um die größte Krise im Leben des Protagonisten. Grenouilles »Sprache« ist die des Geruchs – deswegen hat es besonders gravierende Folgen, wenn ihm seine eigene Identität über diese Sprache nicht zugänglich ist. So ist es praktisch, als existiere er überhaupt nicht. Süskind stürzt seinen Protagonisten nun tatsächlich in die »größtmögliche Einsamkeit« (152), in die »Einsamkeit mit sich selbst« (Freudenthal 2005: 99).

Im Marquis, einem »Pseudo-Aufklärer« (ebd.), spiegelt sich nun erneut die Kritik an der Aufklärung. Die Beschreibungen seiner Forschungen wie beispielsweise die an einer »Euterblume« (178) zeugen von deutlicher Ironie. Seine Figur zeigt die »Schattenseiten« einer Wissenschaft, die sich nie selbst hinterfragt (Ofenloch 2018: 48).

Außerdem zeigt sich an ihm ein »Rückfall in den Mythos« (ebd.: 49). Eigentlich will sich die Aufklärung von der Kirche weg und hin zum eigenständigen Denken bewegen. Der Marquis entwickelt mit seiner Fluidaltheorie jedoch eine religiös anmutende Bewegung, die sich um ihn als »Sektenführer« gruppiert (ebd.: 49–52).

Die Figur des Marquis ist weiterhin interessant, da sie Grenouille ein Stück näher an seine erstrebte Existenz (nämlich die eines richtigen Menschen) bringt. Außerdem lernt Grenouille durch den Betrug, der Taillade mit der Inszenierung Grenouilles vor Publikum Ansehen bringt, die »Kunst der Lüge« (Frizen/Spancken 2008: 35). Mit seinem neu kreierten Menschenduft ist er jetzt imstande, an der Gesellschaft teilzunehmen und seiner Einsamkeit Abhilfe zu schaffen.

Zumindest funktioniert das oberflächlich. Innerlich verspürt Grenouille nur Abscheu gegenüber den Menschen, die sich von ihm so leicht betrügen lassen. Er fasst den Entschluss, Menschen zu beherrschen. Der Wunsch nach Liebe ist für ihn dasselbe wie das Streben nach Macht über die Herzen der Menschen (ebd.).

Der Marquis ist, wie Baldini, unter dem Eindruck, Grenouille zu benutzen, wird jedoch selbst von ihm benutzt. Und wie Baldini findet er ein jähes Ende, sobald Grenouille ihn »leergesaugt« hat und die Handlung fortschreitet.

Veröffentlicht am 14. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 14. Februar 2023.