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Das Parfum

2. Teil: Kapitel 23-28

Zusammenfassung

Grenouille begibt sich auf den Weg nach Süden, zuerst über die Straße nach Orléans. Die Luft außerhalb von Paris tut ihm gut, was besonders mit der Entfernung zu den Menschen zu tun hat. Während seiner Wanderung fällt ihm auf, wie sehr er den Geruch der Menschen verabscheut. Schon der Menschengeruch im Umfeld der Stadt Orléans ist ihm zuwider, weshalb er Städte meidet und sich auf immer entlegenere Straßen begibt.

Statt direkt nach Grasse zu gehen, wie es eigentlich sein Plan gewesen ist, flieht er zu einem zweitausend Meter hohen Vulkan namens Plomb du Cantal. Dort kommt er im August 1756 an. Der Vulkan liegt völlig einsam und isoliert im Zentralmassiv der Auvergne in einer trostlosen Umgebung, in der es kaum Pflanzen oder Tiere gibt.

Als er merkt, dass er tatsächlich allein ist und es in der Umgebung keine Spur eines anderen Menschen gibt, überkommt ihn unbändige Freude. Fürs Erste verwirft er seine Pläne, im Süden nach weiteren Extraktionsverfahren zu forschen. Stattdessen richtet er sich auf dem Berg ein – er findet einen Stollen, der ins Innere des Berges führt und lässt sich an dessen engen und dunklen Ende nieder.

Grenouille verbringt sieben Jahre in dieser Einsamkeit. Anfangs erkundet er noch zaghaft die Umgebung, stellt dies jedoch bald ein. Er verlässt seine Höhle nur noch, um sein Geschäft zu verrichten, sich von Moosen oder Kleingetier zu ernähren oder nach Wasser zu suchen.

In der Höhle begibt er sich in sein Inneres und lebt in einer ekstatischen Traumwelt. Dort schwelgt er in allen Gerüchen, die er gesammelt hat, und ist der König seines eigenen Duftimperiums. Vergangene Gerüche, die ihm minderwertig vorkommen, bestraft er, indem er sie auslöscht. Er pflanzt wohltuende Düfte, kombiniert sie zu neuen Meisterwerken und triumphiert in seiner eigenen Brillanz. Er wohnt in einem purpurnen Schloss, in dem die besten Düfte seines Lebens in Flaschen gelagert werden. Verlangt es ihm nach einem bestimmten Duft, bringt diesen ein Diener herbei und Grenouille trinkt und berauscht sich daran.

In der äußeren Welt kommt es zum Siebenjährigen Krieg, in dem sich alle europäischen Großmächte bekämpfen. Doch Grenouille meidet die äußere Welt und es muss erst zu einer Katastrophe in seiner inneren Welt kommen, bevor er aus seinem Winterschlaf erwacht.

Analyse

Nach der Beendigung seiner Lehrzeit kommt es im 2. Teil des Romans kaum zu Handlungen in der äußeren Welt. Stattdessen steht die Bewegung still und Grenouille verharrt sieben Jahre in seinem Inneren (Frizen/Spancken 2008: 32).

Der Vulkan ist nicht lediglich ein verlassener Ort, er ist »der menschenfernste Ort des ganzen Königreichs« (152). Es sind die Menschen, mit denen Grenouille zu kämpfen hat. Er scheint unvereinbar mit der menschlichen Gesellschaft zu sein, findet doch im Roman andauernd eine Abgrenzung zu ihr statt. Dies sieht man vor allem in dieser Episode der Handlung, in der er sich vollständig von den Menschen zurückzieht und dabei Ruhe und Glück empfindet: »Mit der Welt, so schien es, der menschenleeren Welt, ließ es sich leben« (149).

Ein weiteres Thema des Romans wird durch diese Episode der Isolation deutlich: Die Einsamkeit, in der sich die Hauptfigur befindet. Er ist aufgrund seiner Andersartigkeit seit seiner Geburt ungewollt und unfähig, wirklich zu lieben. Das ist ein Teil seiner Person, denn er entscheidet sich für die Einsamkeit und richtet sich in ihr ein (Freudenthal 2005: 2).

Grenouille begibt sich auf eine Reise zu seinem Ich. Doch er erlebt keine Wiedergeburt, wie man vielleicht meinen könnte, da diese Metaphorik durch seine embryonale Haltung im Berg angedeutet wird (Frizen/Spancken 2008: 33f.). Stattdessen erhebt er sich in seiner innerlichen Welt zu einem Gott und erlebt einen Rauschzustand.

Dieser scheint ungesunde Ausmaße anzunehmen. Die Kapitel werden begleitet von der Vergiftungsmetaphorik (ebd.: 34). Das Trinken der Düfte in seinem Palais erinnert an exzessiven Alkoholkonsum. Er ist »mächtig angefüllt von Düften« (166) und »vom Suff wie versteinert« (167). Er durchlebt von Hochstimmung über Benebelung bis hin zum erschöpfenden Schlaf und Kater alle Phasen der Trunkenheit.

Vor dem Hintergrund der Intertextualität wird auf die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments angespielt (Frizen/Spancken 2008: 109f): So erschafft Grenouille sein eigenes Duftreich, das er regiert und über das er richtet. Vor allem die Wortwahl imitiert die biblischen Stellen: »So gerecht war sein Zorn« (159), »Und als er sah, dass es gut war […]« (161) oder die wiederholte Bezeichnung seiner selbst als der »Große Grenouille« (161ff.).

Veröffentlicht am 14. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 14. Februar 2023.